VfB Stuttgart - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1972/1973 - 33. Spieltag

2:2 (0:0)

Termin: Sa 02.06.1973, 15:30 Uhr
Zuschauer: 9.000
Schiedsrichter: Manfred Wichmann (Gelsenkirchen)
Tore: 1:0 Wolfgang Frank (66.), 1:1 Jürgen Grabowski (73.), 2:1 Hans Ettmayer (83.), 2:2 Gert Trinklein (85.)

 


>> Spielbericht <<

VfB Stuttgart Eintracht Frankfurt

  • Gerhard Heinze
  • Manfred Weidmann
  • Norbert Siegmann
  • Reinhold Zech
  • Egon Coordes
  • Wolfgang Frank
  • Roland Mall
  • Dieter Brenninger
  • Herbert Höbusch
  • Hans Ettmayer
  • Dieter Schwemmle

 


 

Wechsel
  • Karl-Heinz Handschuh für Roland Mall (46.)
Wechsel
Trainer
  • Hermann Eppenhoff
Trainer

 

 

Schlussspurt

"Jetzt ist wieder für uns alles drin! Sogar der sechste Platz und mit ihm die Teilnahme am UEFA-Cup", blickt Trainer Ribbeck wieder mit Optimismus in die Zukunft und Kapitän Grabowski gibt die Richtung vor: "Alles hängt von unserem nächsten Spiel ab. Wir müssen am kommenden Samstag in Stuttgart gewinnen."

Für Erich Ribbeck ist es kein Zufall, dass die Frankfurter zum Saisonende wieder so aufspielen, wie es ihr Anhang über Monate hinweg vergeblich erwartet hat: "Die große spielerische Substanz unserer Mannschaft kommt zum Tragen. Ganz klar, dass überall dort, wo vorwiegend mit Kraft und Einsatz gespielt wird, sich eher Verschleißerscheinungen einstellen." Aber den vielen Ausfällen in der Rückrunde trauert der Trainer schon nach: "Mit Grabowski, Hölzenbein und Nickel fielen uns doch oft die stärksten Kräfte aus. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätten wir auch diesmal wieder, wie in den vergangenen Jahren, eine bessere Rück- als Vorrunde gehabt!"

Wie auch immer – der Eintracht bieten sich im Schlussspurt dieser durchwachsenen Saison tatsächlich wieder Chancen auf Platz 6 und damit auf eine Teilnahme am UEFA-Cup in der nächsten Saison. Dazu sollten die Frankfurter aber in Stuttgart den VfB schlagen, der in der Tabelle einen Rang vor der Eintracht auf Platz 7 liegt: Die Hessen und die Schwaben trennt lediglich ein einziger Punkt. Außerdem hat die Eintracht in den letzten Spielen ihre besorgniserregende Auswärtsschwäche endlich ablegen und sogar auf dem Bökelberg doppelt punkten können. Keine Frage, nach dem 5:0 gegen Köln und dem 2:0 in Gladbach ist die Eintracht die Mannschaft der Stunde.

Der Ex-Stuttgarter Gilbert Gress ist dennoch von einem Erfolg der Schwaben überzeugt: "Klare Sache für den VfB. Die Eintracht lag uns zu Hause schon immer." Tatsächlich liegt der letzte Frankfurter Sieg in Stuttgart neun Jahre zurück und der Gegner stellt nach München, Köln und Frankfurt die viertstärkste Heimelf der Liga. Keine leichte Aufgabe also, zumal die Schwaben selbst ausgeprägte Ambitionen auf den 6. Platz hegen. Auch wenn dem VfB Nationalspieler Horst Köppel wegen einer Zehenbehandlung fehlt, weiß Trainer Eppenhoff um die UEFA-Cup-Chance seiner Elf: "Allerdings müssen wir dann heute gewinnen und Offenbach muss gleichzeitig gegen Bayern einen oder zwei Punkte abgeben. Dann können wir noch den sechsten Rang erreichen und im großen Geld bleiben. Dann spielt die Musik."

Die Musik spielt aber bereits vor dem Anstoß im Neckerstadion. Eine 48 Mann starke Tiroler Trachtenkapelle bläst dem Ex-Innsbrucker "Buffy" Ettmayer und seinen Stuttgarter Kameraden gehörig den Marsch. Allerdings ohne besondere Wirkung, denn selbst Ettmayer zeigt nur in der Anfangsviertelstunde, dass ihm die heimatlichen Klänge aufmunternd in die müden Knochen gefahren sind. Danach aber passt auch er sich dem beschaulichen Tempo und dem lustlos wirkenden Ballgeschiebe der anderen an. Entweder teilen die Spieler nicht die UEFA-Cup-Hoffnungen ihres Trainers oder er hat diese bislang erfolgreich vor den Spielern verheimlicht.

Wer erwartet hat, dass die Hausherren auch die Herren im eigenen Haus sein würden, wird enttäuscht. Trainer Ribbecks Elf spielt im 4-4-2 System mit Krauth und Weidle als Angriffsspitzen nicht nur einen besonders gepflegten, sondern auch einen brandgefährlichen Ball. So clever die Frankfurter im Spielaufbau agieren, im Abschluss treten leider wieder die altbekannten Schwächen auf: Weidle, der Ex-Stuttgarter mit den weiten Einwürfen bis kurz vor das gegnerische Tor, und Libero Trinklein vergeben völlig freistehend vor VfB-Keeper Heinze. Heinze macht eine gute Partie und ist ein sicherer Torwart, doch diese Chancen hätten die Eintrachtler verwerten müssen.

Auf der Gegenseite haben die Schwaben in der ersten Halbzeit insgesamt nur zwei brauchbare Chancen. Den 30-Meter-Knaller von Egon Coordes in der 3. Minute sowie den wuchtigen Freistoß von "Buffy" Ettmayer kurz vor dem Halbzeitpfiff pariert der ausgezeichnete Dr. Kunter jedoch in bravouröser Manier.

Neben den beiden sicheren Torhütern ragen allein Frankfurts Vorstopper Kliemann, der allerdings Frank und Brenninger vor der Pause elferreif legt, und Stuttgarts offensiver Außenverteidiger Coordes, der sich bei den Schwaben ungeachtet seiner Position den Titel "bester Stürmer" auf dem Platz erwirbt, aus dem gebotenen Durchschnitt deutlich heraus. Das Spiel ist so mies, dass die Zuschauer die Spieler zur Halbzeit mit Papierschnipseln bewerfen. "Die bringen im Sturm aber auch gar nichts fertig", zürnt Ribbeck und auch VfB-Betreuer Hübner schimpft: "Ich verstehe gar nicht, warum unsere Leute nicht kämpfen und rennen. Es geht doch um so viel!"

Das scheint den Stuttgarter Spielern nun auch jemand gesteckt zu haben. Agierten sie in der ersten Hälfte ohne ihre bisher mit je 11 Toren treffsichersten Schützen Horst Köppel und Karl-Heinz Handschuh gehemmt und mutlos, ändert sich das schlagartig mit dem Beginn der zweiten Halbzeit und der Hereinnahme des schmerzlich vermissten Handschuh, der wegen Trainingsrückstandes zuerst nur auf der Bank gesessen hatte. Die Schwaben geben die Rolle der respektvollen Zuschauer auf, die die vollendeten Frankfurter Ballspiele bewundern, und setzen der Eintracht-Defensive jetzt wesentlich mehr zu. Die Hessen wiederum bleiben in der Offensive mit ihren Kontern stets gefährlich. Jedes Mal, wenn ein schneller Gegenangriff über den agilen Grabowski läuft, halten die Fans des VfB auf den Rängen den Atem an.

Jürgen Grabowski ist es auch, der Wolfgang Franks Führungstreffer aus der 66. Minute egalisiert. Sieben Minuten nachdem Frank mit einem Kopfball auf Vorlage von Schwemmle das 1:0 für die Schwaben erzielt hat, trifft der Frankfurter Kapitän nach einem Zuspiel von Nickel zum Ausgleich. Grabowskis 11. Treffer in dieser Spielzeit ist gleichzeitig das 1000. Saisontor. Als der Ball im Netz einschlägt, liegen Coordes und Torwart Heinze geschlagen am Boden – sinnbildlich für ihr gesamtes Team.

Die Stuttgarter aber stehen wieder auf und schlagen zurück. Sie schaffen es auch, in der 83. Minute durch Ettmayers Saisontor Nummer zehn erneut in Führung zu gehen. "Buffy" trifft aus 14 Metern Torentfernung, nachdem ihm Coordes den Ball aufgelegt hat. Endlich ist bei den Gastgebern nicht nur die Abwehr auf Zack, wobei im Stuttgarter Mittelfeld Höbusch dem ausgewechselten, weil schwachen Mall immer noch in nichts nach und Ettmayer sowie Handschuh nur nominell zur Seite steht. Im Sturm wird "Hexer" Schwemmle trotz seiner Torvorlage von Frankfurts Rohrbach entzaubert, während Wolfgang Frank trotz seines 11. Saisontreffers gegen "Funkturm" Kliemann einen bedauernswert schweren Stand hat.

Die Begegnung hat im "Schlussdrittel" deutlich an Fahrt aufgenommen, einen Sieger hat die Partie aber dennoch nicht verdient – und sie bekommt auch keinen. Den Ausgleich fünf Minuten vor dem Ende verdankt die Eintracht aber nicht nur ihrem beherzten Schlussspurt, sondern auch einer unglücklichen Aktion des fleißigen Brenninger. Der VfB-Stürmer ist zur Unterstützung in den eigenen Strafraum geeilt, obwohl er wissen sollte, dass stürmisches Personal im eigenen 16er nichts zu suchen hat. Bei einer Abwehraktion köpft Brenninger den Ball an die Latte des Stuttgarter Kastens und der zurückprallende Ball findet in Trinklein einen mehr als dankbaren Abnehmer. Mit einem Hechtsprung köpft "Schoppe"-Gert das Leder zum 2:2 ins Tor der Schwaben.

Tempo und Temperament haben im "Schlussdrittel" für die fehlenden Tore gesorgt. "Wir konnten doch mit der Tür nicht gleich ins Haus fallen. Wir mussten den Gegner erst mal kommen lassen", versucht Stuttgarts Trainer Eppenhoff die abwartende Haltung seiner Mannschaft bis in die zweite Hälfte hinein zu erklären. Überzeugen kann er mit dieser Begründung nicht.

Die Eintracht bleibt zwar auf Platz 8, hat aber – wie Offenbach und Kaiserslautern - weiter eine Chance auf Platz 6. Den begehrten Rang nimmt nun der VfB ein, der die gegen Bayern mit 0:3 unterlegenen Offenbacher verdrängen konnte. Die Chancen der Eintracht sind bei einem Punkt Rückstand auf die Schwaben so schlecht nicht: Während die Eintracht am letzten Spieltag den MSV Duisburg empfängt, müssen die Stuttgarter auf dem Bökelberg bei Borussia Mönchengladbach um den Einzug in des UEFA-Cup kämpfen. Am einfachsten erscheint die abschließende Aufgabe der mit dem VfB punktgleichen Offenbacher Kickers, die beim seit Wochen fest stehenden Absteiger Oberhausen antreten werden. (rs)


>> Spieldaten <<

 

© text, artwork & code by fg