Eintracht Frankfurt - Borussia
Mönchengladbach |
Ligapokal 1972/1973 - Halbfinale, Rückspiel
1:0 (1:0)
Termin: 21.04.1973
Zuschauer: 12.000
Schiedsrichter: Dittmer (Ludwigshafen)
Tore: 1:0 Jürgen Grabowski
Eintracht Frankfurt | Borussia Mönchengladbach |
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Wechsel
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Wechsel |
Trainer | Trainer
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Unerfüllte Hoffnungen "Mir soll keiner nachsagen, dass ich nicht bis zum letzten Tag meine Pflicht tun würde", verkündete Erich Ribbeck Anfang Dezember des letzten Jahres, als er bekannt gegeben hatte, dass er die Frankfurter Eintracht zum Saisonende verlassen wird: "Mein Ziel ist es, am Ende der Saison den gleichen fünften Platz zu erreichen wie in der Vorsaison und darüber hinaus auch im Pokal eine Rolle zu spielen. Mit etwas Glück sollten sich beide Ziele erreichen lassen." Ob es nun am fehlenden Glück, am Verletzungspech oder etwas anderem gelegen hat: Im DFB-Pokal ist die Eintracht gegen den Abstiegskandidaten aus Braunschweig ausgeschieden und in der Bundesliga ist die Eintracht sechs Spieltage vor dem Ende der Saison auf Platz 11 liegend sechs Punkte vom erhofften 5. Platz entfernt. An diesem Ostersamstag geht es im Halbfinalrückspiel des neu eingeführten Ligapokals also darum, in dieser für sie so verkorksten Spielzeit noch etwas Zähl- und Zahlbares mitzunehmen. Dazu benötigt die Eintracht gegen die Borussia aus Mönchengladbach aber einen Sieg mit drei Toren Unterschied, da sie das Hinspiel auf dem Bökelberg mit 1:3 abgegeben haben. Unmöglich scheint dieses Vorhaben nicht zu sein, denn in der Bundesliga glückte in der Hinrunde ein glatter 3:0-Sieg gegen die Elf von Hennes Weisweiler. Außerdem würde nach 90 Minuten ein Vorsprung von zwei Toren reichen, um wenigstens eine Verlängerung zu erzwingen. Zudem hofft man bei der Eintracht darauf, dass die Gladbacher dem Programm der letzten beiden Monate Tribut zollen müssen. Eine "englische Woche" jagt die nächste bei den Borussen, vor 48 Stunden bestritten die Gladbacher ihr letztes Spiel. Dabei waren sie im Rückspiel des Viertelfinales im DFB-Pokal erneut erfolgreich. 3:1 siegten sie auf dem Betzenberg und fügten dem 1. FC Kaiserslautern, den man im März bereits im Viertelfinale des UEFA-Cups ausgeschaltet hatte, im fünften Aufeinandertreffen in den letzten acht Wochen die fünfte Niederlage zu. 12.000 Zuschauer sind ins Waldstadion gekommen, um zu erleben, wer der Endspielgegner des Hamburger SV sein wird. Wo das Finale ausgetragen wird, steht übrigens noch nicht fest. Der Endspielort wird zwischen den Endspielteilnehmern per Los entscheiden. In der ersten Halbzeit sieht alles danach aus, als ob die Frankfurter Eintracht dem HSV gegenüberstehen wird. Ribbecks Elf, aus der Grabowski und vor allem Hölzenbein herausragen, zeigt ein gefälliges und technisch hochwertiges Spiel. Die Eintracht erarbeitet sich viele Torchancen, die Ausbeute fällt allerdings wieder einmal dürftig aus. Nur Kapitän Grabowski gelingt ein Treffer, doch auch er benötigt dazu einen Elfmeter in der 36. Minute. Zuvor war er selbst von Vogts im Strafraum gefoult worden. Alle anderen Angriffe der Gastgeber wehrt die Gladbacher Abwehr um Sieloff und Bonhof mit dem überragenden Torwart Kleff ab. Das Publikum kann sich darüber hinaus aber noch an den Zweikämpfen erfreuen, die sich die Eintrachtspieler mit Günter Netzer liefern. Manches Mal scheint es fast so, als ob einige von Ribbecks Mannen eher gegen Netzer als gegen Gladbach spielen. Wenn es ihr Ehrgeiz ist, Netzer schlecht aussehen zu lassen, ihn zu umspielen und ihm den Ball abzujagen, findet dieser Ehrgeiz eine Halbzeit lang seine Befriedigung. Allein – dem Finale bringt das die Eintracht nicht näher. Nach der Halbzeitpause ändert sich das Bild aber. Mit fortschreitender Spielzeit erhöht sich die Nervosität bei den Gastgebern, so als ob ihnen erst jetzt bewusst wird, dass sie nicht nur dem zweiten Tor hinterher laufen, sondern ihnen gleichzeitig auch die dafür verfügbare Zeit davon eilt. Vorher nicht gesehene Fehlpässe sind die Folge dieser Unruhe. Gladbachs Trainer Weisweiler hat zudem das Spiel in der ersten Halbzeit richtig gedeutet und zieht nun dem Frankfurter Angriff mit einer Umstellung den nächsten Zahn. Nachdem er bereits "Terrier" Vogts auf Grabowski angesetzt hat, beordert er den jungen Kulik zu Hölzenbein. Weisweiler erlöst so gleichzeitig auch seinen Spielmacher Netzer vom schnellen Frankfurter Mittelfeldspieler. Die Gladbacher gehen nun selbst in die Offensive. Auch Vogts und Sieloff lassen es sich nicht nehmen, sich stärker an den Angriffen der eigenen Mannschaft zu beteiligen. Die Gäste profitieren von Netzer, der trotz konditioneller Probleme dem Spiel seiner Elf Impulse geben kann. So hat Rupp bereits in der 53. Minute den Ausgleich auf dem Fuß, doch aus acht Metern schießt er über das völlig leere Tor, nachdem der sonst vorzügliche Amateurtorwart Wienhold einen Ausflug zur Strafraumgrenze hatte unternehmen müssen. In der 65. Minute ist es wieder Rupp, der das 1:1 erzielen muss, doch diesmal scheitert er an Wienhold. Die Enttäuschung bei den Eintrachtfans ist groß, als deutlich wird, dass die Eintracht in der letzten halben Stunde nicht die Kraftreserven aufzubringen vermag, die jetzt notwendig wären, um die aufkommenden Gäste doch noch entscheidend in die Knie zwingen zu können. Das ist umso erstaunlicher, weil die Gladbacher ja erst am Donnerstag das kräftezehrende UEFA-Pokalspiel in Kaiserslautern hinter sich gebracht haben, aber dennoch über die bessere Kondition verfügen. Es ist aber nicht so, dass die Eintracht sich überhaupt keine Torchance mehr erspielen kann. Doch entweder scheitern die Frankfurter an ihrer eigenen Umständlichkeit oder an Torhüter Kleff. Der zweite Treffer, der wenigstens die Verlängerung bringen würde, will nicht fallen. Auf der anderen Seite können Ribbecks Schützlinge von Glück reden, dass Rupp auch seine dritte große Torgelegenheit aus bester Schussposition verballert: In der 81. Minute schießt er knapp an Wienholds Kasten vorbei. Der Tod ist sicher, aber "todsichere" Chancen gibt es eben doch nicht, wie Rupp eben bewiesen hat. Trainer Ribbeck, der bereits in der 78. Minute Kraus für Parits gebracht hat, versucht mit einer weiteren Einwechslung seiner Mannschaft zu helfen. Doch auch Krauth, der für Weidle in die Partie kommt, gelingt der erlösende Treffer nicht. Am Ende unterliegen die Gladbacher zwar mit 0:1, ziehen
aber ins Endspiel ein. Der Frankfurter Anhang zieht trotz des Sieges mit
zusammengerollten Fahnen nach Hause. Hennes Weisweiler aber ist nach dem
Schlusspfiff sichtlich zufrieden: "Wir haben das Donnerstagspiel
mit dem 3:1-Erfolg in Kaiserslautern doch gut verdaut. Unsere Mannschaft
hatte doch bis zum Schluss eine gute Kondition. Danner war unter bester
Mann." "Hölzenbein und Grabowski waren unsere besten Spieler",
erklärt Frankfurts Trainer Ribbeck, "doch die Hoffnungen, die
wir in der Pause hatten, nachdem unser Spiel bis dahin so gut gelaufen
war, erfüllten sich nie. Wir hatten viele Chancen gehabt und hätten
doch verdient gewinnen müssen." Nachtrag Das Los entscheidet für den Hamburger SV und so wird das Finale um den Ligapokal vor 28.000 Zuschauern am 6. Juni im Hamburger Volksparkstadion ausgetragen. Die Hamburger, die sich wenige Tage zuvor am 33. Spieltag den Klassenerhalt gesichert haben, verpassen den Gladbachern eine 4:0-Klatsche. "Ein ganz großes Spiel. In dieser tollen Truppe haben mir Volkert und Schulz noch am besten gefallen", ist Ex-Nationalspieler "Jupp" Posipal begeistert und auch Kuno Klötzer, der die Hanseaten in der neuen Saison trainieren wird, schwärmt: "Ein Mordspiel. Der HSV hatte im Mittelfeld ein Übergewicht." Bundestrainer Helmut Schön reiht sich ein und lobt das letzte Spiel eines Wettbewerbs, der nicht unumstritten ist und mit einiger Kritik leben muss: "Das war das beste Spiel des Hamburger SV, was ich seit langem gesehen habe. Allerdings war die Gladbacher Abwehr offen wie ein Scheunentor." Im Finale des DFB-Pokals gegen den 1. FC Köln am 23. Juni in Düsseldorf halten sich dagegen die Gladbacher schadlos. Das Spiel wird zudem durch das Siegtor zur Legende. Günter Netzer, der Anfang Juni seinen Wechsel zu Real Madrid bekannt gegeben hat, wird von Trainer Weisweiler nicht für die Startelf berücksichtigt. Der in dieser Saison lange verletzte Netzer hat einen Autounfall gehabt und seine Mutter ist eine Woche zuvor gestorben. "Er ist nicht fit", widerspricht der Meistertrainer seinem Spielmacher: "Und wenn sie mich morgen steinigen: Ich stell’ ihn nicht auf." In der Halbzeitpause – so wird erzählt - ändert Weisweiler seine Meinung: "Günter, mach dich fertig." Netzers Antwort soll kurz, aber unmissverständlich ausgefallen sein: "Nein." Die Gladbacher Zuschauer steinigen den Trainer nicht, aber nach 70 Minuten beginnen die Rufe nach dem Regisseur. Vor der Verlängerung geht Netzer dann zu Christian Kulik, der für ihn aufgestellt wurde und ausgelaugt wirkt. Auf Netzers Frage, ob Kulik noch könne, antwortet der junge Spieler: "Ich bin völlig am Ende." Netzer geht zu seinem Trainer und gibt ihm das Signal: "Ich spiele jetzt." Weisweiler lässt seinen scheidenden Star gewähren. Die Verlängerung ist keine zwei Minuten alt, als Netzer zum zweiten Mal an den Ball kommt. Er spielt einen Doppelpass mit Bohnhof und kommt im Kölner Strafraum aus dem Lauf zum Schuss. Der verunglückt, weil Netzer der Ball über den linken Spann rutscht. Doch danach wird nie wieder jemand fragen, denn Netzer jagt den Ball in den linken Torwinkel. Es ist das 2:1 und das Siegtor, denn weitere Treffer fallen nicht mehr. Gladbach gewinnt den DFB-Pokal zum zweiten Mal, Netzers Tor wird in der ARD-Sportschau zum "Tor des Monats" gewählt. Einem Autor hätte man dieses Ende nicht abgenommen, doch der Fußball, der solche Geschichten zu schreiben versteht, belehrt uns immer wieder eines Besseren. (rs)
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