Eintracht Frankfurt - Eintracht Braunschweig

DFB-Pokal 1972/1973 - 1. Achtelfinale, Rückspiel

2:2 (1:1)

Termin: 13.03.1973
Zuschauer: 3.500
Schiedsrichter: Hans Hillebrand (Essen)
Tore: 0:1 Ludwig Bründl (15.), 1:1 Bernd Nickel (25.), 2:1 Uwe Kliemann (60.), 2:2 Klaus Gerwien (78.)

 

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Eintracht Frankfurt Eintracht Braunschweig

 


  • Bernd Franke
  • Wolfgang Grzyb
  • Friedhelm Haebermann
  • Peter Kaack
  • Franz Merkhoffer
  • Eberhard Haun
  • Allan Michaelsen
  • Klaus Gerwien
  • Gersdorff
  • Ludwig Bründl
  • Dietmar Erler

 

Wechsel Wechsel
  • Hartmut Konschal für Dietmar Erler (32.)
  • Bent Jensen für Klaus Gerwien (80.)
Trainer Trainer

 

Zahltage

Hirsch oder Löwe – das ist hier die Frage. Eine Frage, der sich in diesem Jahr die Vereinsmitglieder von Eintracht Braunschweig stellen mussten, weil dem Wolfenbütteler Unternehmer Günter Mast eine bahnbrechende Idee zuteil wird. Mast hatte im Jahr zuvor die Bekanntschaft mit Ernst Fricke, dem Präsident der Eintracht gemacht, und dort von den finanziellen Problemen der chronisch klammen Eintracht erfahren. Mast war bereit den Niedersachsen mit geschätzt mindestens 100.000 DM pro Jahr unter die Arme zu greifen, wofür die Eintracht Werbung für Masts Magenbitter "Jägermeister" machen sollte. Da der DFB Trikotwerbung jedoch nicht gestattet, kam Mast auf eine ebenso einfache wie geniale Idee: Er schlug vor, den Löwen im Vereinswappen durch den Hubertus-Hirschkopf zu ersetzen, der auf seinen Jägermeisterflaschen prangt. Die Vereinsmitglieder gehorchten der finanziellen Not der Stunde und beschlossen auf ihrer Mitgliederversammlung den Wechsel vom Löwen zum Hirschkopf mit 145 zu 7 Stimmen. Der DFB sträubt sich zwar noch immer, aber eine rechtliche Handhabe hat er durch diesen Winkelzug des bauernschlauen Unternehmers nicht mehr.

Auch sportlich geht es mit der Mannschaft von Trainer Knefler wieder etwas aufwärts, am letzten Wochenende ist der dritte Pflichtspielsieg infolge gelungen. Alle wurden im heimischen Stadion errungen: Zuerst wurde der 1. FC Köln mit 2:0 geschlagen, dann die Frankfurter Eintracht im Pokalhinspiel mit 1:0 nach Hause geschickt und nun glückte wiederum in der Liga ein 2:1 gegen die ebenfalls abstiegsgefährdete Hertha aus Berlin. Den Braunschweigern gelang so der Sprung auf dem 13. Tabellenplatz. Kurz: Man glaubt sich gerüstet für das anstehende Rückspiel im Frankfurter Waldstadion, bei dem die Gastgeber aber weiterhin als Favoriten gelten.

Bei der Eintracht, die sich wider Willen mit dem Mittelfeld der Liga begnügen muss, herrscht auch abseits des Platzes alles andere als eitel Sonnenschein. "Wenn sie mich früher gebraucht haben, dann haben sie mir die Bude eingerannt. Jetzt, wo ich mit meiner Knieverletzung außer Gefecht bin, lässt sich niemand von der Eintracht bei mir blicken. So geht's einem im Fußball", beklagt sich der seit Monaten verletzte Friedl Lutz über seinen Arbeitsgeber. Seit dem 13. Oktober vergangenen Jahres fehlt der Libero, der 1959 den Deutschen Meistertitel nach Frankfurt holen half: "An diesem Tag wurde ich im Höchster Krankenhaus operiert. Das war einen Tag vor unserem 2:1-Sieg gegen die Münchner Bayern. Seitdem will's nicht mehr klappen." Die Verletzung rührt aus der vergangenen Saison, als Lutz bei einem Freundschaftsspiel gegen den SV Darmstadt mit einem Gegenspieler zusammenprallte. "Im Urlaub ließ ich mich mit Tabletten und Salben behandeln. Da ließen die Schmerzen vorübergehend nach, und ich konnte die ersten Spiele der neuen Saison auch mitmachen. Bis es dann im Training vor dem Bayernspiel endgültig zu Ende war. Ich musste mich operieren lassen. Die Ärzte durchschnitten einen Muskel unter der Kniescheibe. Es folgten drei Wochen Gips, eine Woche Nachbehandlung, und ich versuchte es von neuem im Training", berichtet Lutz, dem Mitte Januar das Kniegelenk beim Training erneut heraussprang. "Die Ärzte konnten mir nicht garantieren, ob es bei einer Operation besser würde", erzählt Lutz von der anschließenden Untersuchung in Köln: "Da lehnte ich die Operation ab!" "In zwei Wochen will ich's noch einmal versuchen. Aber ob mich die Eintracht überhaupt noch braucht? So, wie's jetzt aussieht, bestimmt nicht", schließt Lutz, der bei extremer Belastung immer noch unter starken Schmerzen leidet.

Die Eintracht hat in dieser Saison ohnehin mit einer Vielzahl von verletzten Spielern zu kämpfen, was bereits in der Vorbereitung kritische Fragen in Richtung der Trainingsmethoden Erich Ribbecks aufgeworfen hat. Seit Wochen fehlen der Eintracht nun neben Lutz mit Kapitän Grabowski, Bernd Hölzenbein und Bernd Nickel drei wichtige Spieler. Während die Sportzeitung der Eintracht jedoch vor dem Rückspiel gegen Braunschweig auf die Rückkehr von Grabowski setzt, ist es Nickel, der überraschend wieder in der ersten Elf der Frankfurter steht. Die Frage ist, welche Leistung "Dr. Hammer" nach seiner Zwangspause wird abliefern können. Zum Weiterkommen benötigt Ribbecks Mannschaft einen Sieg mit zwei Toren Unterschied. Den soll aufseiten der Gäste unter anderem Torwart Franke verhindern helfen. Doch der zu Beginn der Saison zu den Niedersachsen gestoßene Keeper hat sich im Training eine schmerzhafte Verletzung am Handrücken zugezogen. Erst kurz vor Spielbeginn atmet Braunschweigs Trainer Otto Knefler auf und gibt Entwarnung: "Na, es scheint ja zu gehen mit dem Bernd."

Nicht gut geht es dagegen Frankes Gegenüber Dr. Kunter und der Eintracht nach einer gespielten Viertelstunde. Zweimal sind die Norddeutschen bis zu diesem Zeitpunkt in die Nähe der Frankfurter Kastens gekommen, als bei der dritten Gelegenheit Bründls Geschoss im Tor der Gastgeber einschlägt. Vor der Strafraumgrenze hat Bründl abgezogen und Dr. Kunter keine Abwehrchance gelassen. In der Addition beider Spiele liegen die Frankfurter nun mit 0:2 hinten.

Doch nur sieben Minuten später keimt bei Ribbecks Männern neue Hoffnung auf. Bernd Nickels Einsatz scheint sich bereits gelohnt zu haben, denn der Scharfschütze der Frankfurter trifft zum Ausgleich. Gerne würde man jetzt das Attribut "vielumjubelt" hinzufügen, doch es haben sich gerade einmal 3.500 Zuschauer zu diesem Pokalkampf ins Waldstadion locken lassen. Eine enttäuschende Kulisse, die jetzt aber wieder darauf hoffen kann, nicht auch enttäuscht nach Hause gehen zu müssen.

Braunschweigs Trainer Otto Knefler wechselt nur wenige Minuten nach dem 1:1 zum ersten Mal aus und bringt Konschal für Erler. "Ruhig, Jungs. Wir schaffen es", wirkt "der eiserne Otto" beruhigend auf seine Spieler ein, denen die laufende Saison nicht übermäßig viel Selbstvertrauen verliehen hat.

Auch Frankfurts Trainer Ribbeck reagiert und bringt zum Anpfiff der zweiten Halbzeit den Nachwuchsspieler Kraus für Reichel. Seine Mannschaft versucht nun, den Druck auf die Gäste zu erhöhen. Wie so oft in dieser Spielzeit schaltet sich dafür der lange Kliemann immer wieder in den Angriff seiner Elf an und versucht, im Strafraum des Gegners für Unruhe zu sorgen.

Ohne Hölzenbein, Grabowski und Parits fehlen den Frankfurtern aber die Linie im Spiel und ein überzeugendes Konzept in der Offensive. Das ersatzgeschwächte Team schnürt Braunschweig zwar in der eigenen Spielhälfte ein, doch die Torchancen liegen eher aufseiten der Gäste. Doch unverhofft kommt oft und so gelingt es – natürlich – Uwe Kliemann nach einer Stunde die Frankfurter in Führung zu bringen und zumindest den Weg zu einer Verlängerung zu ebnen.

Nach 78 Minuten jedoch ist auch diese Hintertür für ein Weiterkommen der Gastgeber wieder verschlossen. Gerwien, der im Hinspiel sein erstes Pflichtspieltor dieser Saison erzielt hatte, trifft zum zweiten Mal in dieser Spielzeit und es steht 2:2.

Knefler überrascht, in dem er zwei Minuten später den Torschützen auswechselt und Bent Jensen bringt. Der dänische Neuzugang, der im letzten Sommer vom französischen Meister Olympique Marseille zu den Niedersachsen kam, ist mit zwei Treffern bisher auch nicht gerade als Torgarant aufgefallen. Doch Knefler hat wie Ribbeck keine "Wunderwaffen" auf der Ersatzbank sitzen. Ribbeck beispielsweise wechselt in derselben Minute Krauth für Hofmeister ein – beide Neuzugänge kommen bislang gemeinsam auf ein Bundesligator. Es verwundert also nicht, dass es bis zum Schluss beim 2:2 bleibt. Die Eintracht aus Braunschweig zieht ins Viertelfinale ein, die Eintracht aus Frankfurt scheidet aus.

"Wir hatten sogar gewinnen können, wenn Dr. Kunter nicht beim Herauslaufen so großartig reagiert hätte", freut sich Trainer Knefler nach dem Schlusspfiff und stellt fest: "Wir sind verdient weitergekommen." "Ich kann mir die Torjäger doch nicht aus den Rippen schneiden", klagt Erich Ribbeck und fügt hinzu: "Ich bin enttäuscht. Wir alle waren überzeugt, eine Runde weiterzukommen!" Der verletzte Bernd Hölzenbein ist ebenfalls bedient: "Nun könnten wir ja für diese Saison dicht machen." Nicht ganz, denn im Ligapokal sind die Frankfurter noch dabei und stehen im Halbfinale.

Während die Eintracht aber im DFB-Pokal auf die dringend notwendigen weiteren Zahltage verzichten muss, geht das mediale Pingpong-Spiel zwischen der Führung der Frankfurter und Friedl Lutz in die nächste Runde. Präsident Zellekens nimmt den Ball auf und die "Bild" freut sich über einen weiteren Artikel, in dem sie diesmal einleitend feststellt: "Der Frankfurter Abwehrfuchs Friedel Lutz ist auf seine alten Tage in die eigene Abseitsfalle getappt! Seit dem August vergangenen Jahres lebt Lutz vom ‚Krankfeiern’. Und er lebt mit monatlichen Bezügen von 4.500 Mark nicht schlecht dabei, wie ihm Eintracht-Präsident Albert Zellekens vorrechnete." Zellekens platzte laut "Bild" der Kragen: "Diesmal läuft Herr Lutz voll auf. Solche Unverschämtheiten lassen wir uns nicht mehr bieten. In meiner Firma würde ein solcher Mann fliegen. Die freie Wirtschaft könnte sich Arbeitskräfte mit der Berufsauffassung eines Lutz nicht leisten, und der Fußball kann es auch nicht, wenn wir uns nicht den eigenen Ast absägen wollen", wettert Zellekens und kündigt an, in einer für die kommende Woche anberaumten Präsidiumssitzung zu beantragen, dass mit allen durch das Lizenzspielerstatut gegebenen Konsequenzen gegen Lutz vorgegangen wird.

"Friedel hatte allen Grund, der Eintracht sehr, sehr dankbar zu sein. Nebenbei verdient er ja auch noch Geld als Kalkulator", schlägt Erich Ribbeck in eine weitere Kerbe, während die "Bild" tatsächlich die Zeiträume der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Lutz aufführt: Der Spieler habe "... den Frankfurtern seit Herbst letzten Jahres Krankmeldungen präsentiert, die immer so aussahen, dass er den Zahltag nicht verpasste: 17.8. bis 31.8., 23.9. bis 27.9., 10.11. bis 21.11., 23.11. bis 28.11., vom 30.11. bis 19.12., 7.1. bis 28.1. und 13.2. bis 15. 3. (..) Doch Lutz ließ sich so gut wie nie bei den Spielen seines Vereins sehen, versäumte Behandlungen beim Vereinsarzt und fand auch keine Zeit, sich massieren zu lassen", schließt das selbe Boulevardblatt, das Lutz vor zwei Tagen noch als bedauernswerten und vergessenen Spieler präsentierte.


Nachtrag

Eintracht Braunschweig schreibt elf Tage später, am 24. März 1973, deutsche Sportgeschichte: Mit dem von Jägermeister als Vereinswappen übernommenen Firmenlogo auf ihren Trikots laufen die ehemaligen "Löwen" im Bundesligaheimspiel gegen Schalke 04 auf. Sportlich wird ihnen dieser Schachzug, der die Trikotwerbung im deutschen Fußball einleitet, nichts nutzen: Am Ende der Saison steigen die Niedersachsen aus der 1. Liga ab.

Im DFB-Pokal scheiden die Braunschweiger im Viertelfinale aus. Nach einer 0:5-Heimniederlage verlieren sie auch beim 1. FC Köln mit 2:3. Klaus Gerwien, der die Frankfurter mit seinen beiden Treffern mit aus dem Pokal schoss, erzielt dabei sein 3. und letztes Saisontor. Nach dem Abstieg der Braunschweiger beendet er seine Karriere als Profifußballer. (rs)


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