Bayern München - Eintracht
Frankfurt |
Bundesliga 1972/1973 - 24. Spieltag
3:1 (1:1)
Termin: Sa 10.03.1973, 15:30 Uhr
Zuschauer: 18.000
Schiedsrichter: Dietrich Basedow (Hamburg)
Tore: 1:0 Edgar Schneider (26.), 1:1 Josef Hofmeister (42.), 2:1 Paul Breitner (65.), 3:1 Franz Beckenbauer (66.)
Bayern München | Eintracht Frankfurt |
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Egal wie Es ist, als würde man auf einen Familiengeburtstag gehen: Man weiß, dass es verlorene Zeit ist und dass nichts dabei herauskommen wird, aber man muss hingehen, ob man will oder nicht. Der Eintracht geht es an diesem Samstagnachmittag ganz ähnlich. Als eine der fünf auswärtsschwächsten Mannschaften der Liga ist sie zu Gast beim Spitzenreiter und amtierenden Deutschen Meister, der nach dem 28. März 1970 kein Bundesligaheimspiel mehr verloren hat. In dieser Saison holte Bayern München zudem in 11 Ligaheimspielen 22:0 Punkte und erzielte dabei 41:10 Tore. Die Frankfurter dagegen haben in dieser Spielzeit gerade einmal drei magere Punkte auf fremden Plätzen mitgenommen und just im Hinspiel des DFB-Pokalachtelfinales beim Namensvetter in Braunschweig verloren, der bis zum letzten Spieltag die schlechteste Heimbilanz aller Erstligisten aufzuweisen hatte. Außerdem tritt Erich Ribbecks Truppe mit mehreren Ersatzspielern an - mit Grabowski, Hölzenbein und Nickel fehlen den verletzungsgeplagten Hessen auch in dieser Partie ihre stärksten Kräfte. Andererseits haben die Bayern, die die Liga in dieser Saison wie noch nie dominieren und den ersten Tabellenplatz seit dem ersten Spieltag nicht einmal verlassen haben, zurzeit eine schwächere Phase. Im Pokal erreichten sie beim Tabellenletzten Oberhausen erst spät einen am Ende knappen 2:1-Erfolg, in der Liga kamen sie bei den abstiegsgefährdeten Schalkern nicht über ein 1:1 hinaus und im Europacup der Landesmeister setzte es am Mittwoch bei Ajax Amsterdam eine 0:4-Niederlage, die in dieser Höhe auch von berufsmäßigen Pessimisten nicht erwartet wurde. Arie Haan mit zwei sowie Arnold Mühren und Johan Cruyff mit je einem Treffer fügten den erfolgsgewohnten Bayern eine fast vernichtende Schlappe zu, die am Selbstbewusstsein des Deutschen Meisters mehr als nur gekratzt hat. Zu deutlich war die Überlegenheit der Niederländer, bei denen Cruyff Beckenbauer um einiges überragte. Dabei hatte es bei der vom Deutschen Fernsehen zeitversetzt übertragenen Partie nach 45 Minuten beim Stande von 0:0 noch gut für die Bayern ausgesehen. Bundestrainer Helmut Schön hatte sogar gelobt: "Das war hervorragend, was ich hier sah. Die Bayern haben mir in der ersten Halbzeit sehr gut gefallen. Man konnte ja nicht erwarten, dass sie hier das Spiel machen würden. Aber sie hatten eine Halbzeit lang das richtige Rezept. Da deckten sie die Ajax-Spieler ganz eng. Besonders haben mir Beckenbauer und Breitner gefallen. Ein Sonderlob auch dem 19-jährigen Dürnberger." Nett gesagt, doch kaufen können sich die Münchner dafür nichts. Es käme einem Wunder gleich, wenn die von Udo Lattek trainierte Elf im Rückspiel noch das Ticket für das Halbfinale lösen könnte. "Zu Hause wird es noch schwerer", fürchtet der Bayern-Trainer, "denn da müssen wir kommen. Und Ajax ist als Kontermannschaft fast noch gefährlicher." Lattek versucht seine geschlagene Elf wieder aufzurichten und schwört seine Spieler auf einen Sieg in der Bundesligabegegnung gegen die Frankfurter ein, die ihnen in der Hinrunde wie im Vorjahr im Waldstadion eine Niederlage zufügen konnten. Der Bayern-Coach, der den angeschlagenen Gerd Müller auf dessen eigenen Wunsch hin pausieren lässt, muss aber auch auf Stürmer Wilhelm Hoffmann wegen einer Knöchelverletzung verzichten und warnt vorsichtshalber: "Wir haben uns gegen die Eintracht schon immer schwergetan." Das mag sein, doch der letzte Punktgewinn der Frankfurter gegen die Bayern stammt aus dem August 1966, als die Eintracht ihren bisher einzigen Sieg in München landen konnte. Franz Beckenbauer gibt denn auch eine unmissverständliche Marschroute aus, bei der es um mehr als den Sieg geht: "Je besser wir am Samstag spielen, desto eher vergessen unsere Anhänger die 0:4-Niederlage gegen Ajax." Das Gedächtnis des Publikums hat jedoch in den letzten Tagen keine kollektive Auszeit genommen und so bereiten die Fans dem Titelträger bei klirrender Kälte einen frostigen Empfang. Und zu Beginn des Spiels sieht es auch nicht so aus, als hätten sich die Münchner von der Schocktherapie der Niederländer erholt. Heute wäre der geeignete Tag, um dem verunsicherten Meister im eigenen Stadion den ersten Zähler abzuluchsen, doch die Eintracht hat ohne Grabowski, Hölzenbein und Nickel im Angriff eine Durchschlagskraft, die an einen Wattebausch erinnert. Eine ernsthafte Gefahr für das Tor von Sepp Maier geht vom Frankfurter Sturm, in dem sich Krauth, Parits und Rohrbach an Harmlosigkeit gegenseitig überbieten, nicht aus. Ribbecks Truppe ist aber clever genug, um ihre offensichtliche Schwäche zu wissen und sich entsprechend zu verhalten. So beschränkt sich die Eintracht ganz auf die Defensive, die von Kliemann glänzend organisiert wird. Nach 26 Minuten erspäht aber "Katsche" Schwarzenbeck eine Lücke im Abwehrverbund der Gäste und bedient den Müller-Stellvertreter Edgar Schneider mit einem maßgerechten Steilpass. "Hammer-Ede", wie der Pforzheimer wegen seines harten Schusses auch genannt wird, zieht kurz hinter der Strafraumgrenze flach ab und lässt Dr. Kunter im Tor der Eintracht keine Abwehrmöglichkeit. Vielleicht wendet sich diese Saison für Schneider nun doch nun zum Guten. Nachdem er kurz vor der Olympiade entgegen schriftlicher Mitteilung des DFB-Vizepräsidenten Hermann Neuberger doch noch aus dem Kader für die Spiele gestrichen wurde und neben der sportlichen Enttäuschung auch die finanziellen Einbußen zu verkraften hatte, die er seit 1969 als Olympiaamateur auf sich genommen hat, kam er seit dem 16. Spieltag in der Bundesliga auch bei den Bayern nicht mehr zum Einsatz. Erst sein Führungstreffer als Einwechselspieler am letzen Wochenende im Pokal in Oberhausen brachte ihn zurück ins Blickfeld und nun durch den Ausfall von Müller auch zurück in die Startaufstellung. Es ist Schneiders zweites Bundesligator in der laufenden Spielzeit. Das Blatt scheint sich zugunsten der Gastgeber zu wenden, doch drei Minuten vor der Pause landen die Frankfurter bei einem ihrer seltenen Vorstöße aus der eigenen Hälfte einen echten Glückstreffer. Hofmeister geht allein auf und davon und setzt den Ball aus vollem Lauf von der Strafraumgrenze über den verdutzten Maier hinweg in den Torwinkel. Maier, der bereits bei den Gegentoren zwei und drei in Amsterdam keine gute Figur gemacht hatte, sieht auch bei diesem Treffer nicht besser aus. Maier muss sich anlasten lassen, dass er zu weit vor seinem Kasten postiert war, was Hofmeister bei seinem ersten Bundesligatreffer gesehen und ausgenutzt hat. Während es am Mittwochs in Amsterdam keine Vorwürfe vonseiten der Mannschaftskameraden gegeben hat, treffen den Keeper nun die strafende Blicke seiner Mitspieler, die sichtlich verärgert sind. Paul Breitner belässt es nicht beim Augenkontakt und schimpft mit seinem Torwart: "Mensch Maier, jetzt reicht es aber!" Ein Trost mag sein, dass es wahrscheinlich wirklich reicht, denn der Nationaltorwart hat innerhalb von wenigen Tagen fast alle gravierenden Torwartfehler durch. Nachdem er in Amsterdam den Ball beim Führungstreffer der Niederländer von seiner Brust abprallen ließ und beim 0:3 einen Flankenball unterlief, wurde er jetzt zu weit vor seinem Tor erwischt – was soll da noch kommen? Die Nervosität bei Latteks Truppe ist jetzt auch für den eingefleischten und weißbierbetäubten Fan unverkennbar. Und die Unruhe beim Deutschen Meister wird nicht geringer je länger die Partie andauert. Beckenbauer treibt seine Mannschaft zwar nach vorne, doch es fehlt an einem Plan, die dicht gestaffelte Hintermannschaft der Eintracht auszuhebeln. Auch Hans Jörgs Einwechslung für den schwachen Krauthausen führt ab der 50. Minute zu keiner Verbesserung des Spiels, obwohl man weder Jörg noch seinen Mitspielern absprechen kann, dass sie bereit sind, ihrem Kapitän zu folgen. Der leistet sich in einem schwachen oder überheblichen Moment eine sehr gewagte Rückgabe, die fast zum Rückstand der Bayern führt. Beckenbauer kann sich dieses Mal bei Maier bedanken, der den Ball gerade noch zur Ecke abwehren kann. Die 18.000 Zuschauer im Olympiastadion wissen längst nicht mehr, ob sie von der Kälte zittern oder wegen des Spielstandes. Paul Breitner nimmt Einfluss auf die Symptome, in dem er nach 65 Minuten eine mögliche Ursache beseitigt. Mit einem Schrägschuss kurz vor der Strafraumgrenze bringt er seine Farben wieder in Führung. Endgültig ausgezittert hat es sich dann nur eine Minute später. Antreiber Beckenbauer betätigt sich auch als Torschütze: Einen Doppelpass mit Hoeneß schließt er aus 10 Metern Torentfernung zum entscheidenden 3:1 ein. Eine höhere Niederlage der Eintracht verhindern der wieder einmal famose Dr. Kunter sowie das Fehlen von Gerd Müller, der heute seinen bereits 24 Bundesligatreffern noch das eine oder andere Tor hätte hinzufügen können. Gut für die Frankfurter, dass Müller einmalig ist und auch eine Mannschaft wie die Bayern den vielleicht weltbesten Mittelstürmer nicht adäquat ersetzen können. Die kurz hintereinander folgenden Auswechslungen von Trainer Ribbeck, der in der 71. Minute Kraus für Rohrbach und zwei Minuten später Trinklein für Wirth ins Spiel bringt, sind für Statistiker von Wert, am Spielausgang ändern sie nichts mehr. "Dieser Sieg war sehr wichtig", ist Trainer Lattek nach dem Abpfiff beruhigt: "Die Mannschaft hat sich genauso gefreut, als hätte sie ein entscheidendes Meisterschaftsspiel gegen Mönchengladbach gewonnen. Die Moral hat sich mit dem 3:1 gefestigt." Er muss jedoch auch zugeben, dass seine Mannschaft mehr Mühe hatte, als erwartet: "Nach dem 1:1 haben wir doch etwas gewackelt ..." Doch gewackelt haben auch die Frankfurter, bei denen Uwe Kliemann fast entschuldigend erklärt: "Wenn man 90 Minuten unter Druck steht, dann bröckelt jede Hintermannschaft. Wir mussten so defensiv spielen, weil fünf unserer stärksten Spieler verletzt sind." Erich Ribbeck stimmt zu: "Es tut mir leid, dass wir nicht besser mithalten konnten. Unsere einzige Chance lag im Konterspiel aus der Defensive." "Es gibt keinen Zweifel, die Münchner werden auch in diesem Jahr mit Sicherheit wieder Meister", fügt Ribbeck hinzu, der mit Lattek befreundet ist. Lattek, der mit den Bayern dem Tabellenzweiten aus Düsseldorf nun sieben Punkte und ein Spiel voraus hat, meint dazu einen wichtigen Schritt getan zu haben. "Wir hatten nur ein Ziel: zu gewinnen, egal wie. Und wenn’s mit der Brechstange geschah, der Sieg war heute für uns enorm wichtig." Die Eintracht steht nun ebenfalls unter Zugzwang. Die
beiden nächsten Heimspiele im Pokal gegen Braunschweig und in der
Liga gegen den Tabellenletzten Oberhausen sollten gewonnen werden. Mit
einem "egal wie" wird sich der Frankfurter Anhang aber wohl
kaum zufrieden geben, man erwartet am Main überzeugende Siege. Die
Weichen stellen muss die Eintracht aber auch beim Personal. Der Vertrag
mit Roland Weidle wurde gerade um zwei Jahre verlängert, mit fünf
weiteren Spielern, deren Verträge auslaufen (Dr. Kunter, Lutz, Schämer,
Trinklein und Wirth), werden Gespräche geführt. Auch Amateurnationalspieler
Kalb bemüht sich um einen Lizenzspielervertrag. Auf das Präsidium
kommt in den nächsten Wochen eine Menge Arbeit zu. (rs)
Ribbeck
hat kein As im Ärmel Die heimstarken Münchner, die seit 21 Spielen zu Hause nicht mehr verloren haben, geben sich vor dem Spiel betont lässig. Während des Spiels ist es jedoch mit der vermeintlichen Münchner Bierruhe schnell vorbei. Zwar gehen die Bayern bereits in der 26.Minute durch Schneider in Führung, doch die Eintracht gibt nicht klein bei. Sie kommt immer wieder gefährlich vor das Tor der Hausherren. Aus einem dieser Vorstöße resultiert der Ausgleich. Ein fulminanter Schuss von Hofmeister aus 25 Metern lässt Nationaltorhüter Sepp Maier keine Chance. Die Bayernabwehr wirken nun phasenweise wie der sprichwörtliche Hühnerhaufen. Die Missverständnisse zwischen Maier und seinen Vorderleuten häufen sich. Zu dieser Zeit ist die Eintracht dem 2:1 näher als die Bayern, die lange Zeit überhaupt kein Mittel finden, die vielbeinige Frankfurter Abwehr zu überwinden. Nach dem Pausentee wendet sich das Blatt. Die Truppe von Trainer Udo Lattek übernimmt nunmehr deutlich mehr Initiative auf dem Platz. Angetrieben von dem jungen Außenverteidiger Paul Breitner und dem eleganten Libero Beckenbauer rollt ein ums andere Mal der Angriff Richtung Eintracht-Tor. Gerade Beckenbauer krempelt heute gegen die Mannschaft vom Main die Ärmel hoch - ein eher ungewohntes Bild. Die beiden schalten sich immer wieder ins Angriffsspiel des Meisters ein und prüfen mit wuchtigen Distanzschüssen Eintracht Torhüter Dr. Kunter. Die Eintracht kommt seit Mitte der zweiten Halbzeit nicht mehr aus der Defensive heraus. Auch wenn sich Kliemann wie ein Turm in der Schlacht immer wieder gegen die Münchner Angriffsbemühungen stemmt, das ist einfach zu wenig, um hier einen Punkt mitzunehmen... Ein Spiel nach Hause „ mauern“ konnten die Frankfurter noch nie. So kommt es, wie es kommen muss. Breitner und Beckenbauer beenden mit einem Doppelschlag in der 65.und 66. Minute die Frankfurter Hoffnungen, doch noch einen Punkt mit an den Main zu nehmen. Nach dem Treffer zum 3:1 gelingt auf Seiten der SGE nicht mehr viel. Zu deutlich macht sich jetzt das abermalige Fehlen der Frankfurter Asse Grabowski, Hölzenbein und Nickel bemerkbar. Drei Spieler von solcher Qualität sind auf Frankfurter Seite einfach nicht zu ersetzen. Weder der in die Jahre gekommene Schämer, noch Parits oder der eingewechselte "Scheppe" Kraus haben heute ihren besten Tag. Im Gegenteil. Eigentlich sind die Adler mit dem Spielstand noch gut bedient. Wäre der etatmäßige Mittelstürmer Gerd Müller auf dem Platz gewesen, hätte es noch weitaus schlimmer für die Hessen kommen können. Auch wenn wahrlich nicht alles meisterlich war, was die Bayern zeigten: Gegen die stark ersatzgeschwächten Frankfurter war der Heimsieg verdient. (uh)
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