Wuppertaler SV - Eintracht
Frankfurt |
Bundesliga 1972/1973 - 12. Spieltag
1:0 (0:0)
Termin: Sa 11.11.1972, 15:30 Uhr
Zuschauer: 20.000
Schiedsrichter: Karl-Heinz Picker (Hamburg)
Tore: 1:0 Georg Jung (53.)
Wuppertaler SV | Eintracht Frankfurt |
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Abnutzungs- und Rückzugsgefechte Am Montag kehrt Ender Konca ins Training zurück, dass er am vergangenen Freitag verlassen hatte, weil die Eintracht sich weigert, ihm den zweiten und letzten Teil eines ihm zugesagten Handgelds zu zahlen. An dieser Haltung der Eintracht hat sich nichts geändert, weil Koncas ehemaliger Verein Eskisehirspor keine Anstalten macht, die übernommene Steuerschuld aus dem Konca-Wechsel zu begleichen. Die "Bild" hat aus den "gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen" der Eintracht bereits die Motivation für Koncas Rückkehr erhalten: Generalsekretär Mehmet Üstünkaya ist bereits als Unterhändler von Besiktas Istanbul unterwegs, um Konca an den Bosporus zu holen. Der wolle "aber nur einen Ender in Topform. Deshalb fand der Türken-Star auch ohne Geld seine Moral wieder", lästert die "Bild". Am Tag des Spiels in Wuppertal meldet die "Bild" dann, dass Konca Üstünkaya sein Ehrenwort gegeben habe: "Ich will bei Besiktas spielen." Ob der Wechsel stattfinden wird, ist dennoch nicht sicher. Die Vorstellungen über die Ablösesumme weichen erheblich voneinander ab. Besiktas hat bislang lediglich nur etwas mehr als die Hälfte der Summe geboten, die die Eintracht für den Linksaußen erzielen will. Beide Parteien sind aber weiterhin verhandlungsbereit, so dass eine Einigung nicht ausgeschlossen erscheint. Trinklein und Heese tragen sich ebenfalls mit Abwanderungsgedanken: Der eine, Heese, will Stammspieler sein und der andere, der vom Präsidium auf die Transferliste gesetzte Trinklein, nur Libero und sonst gar nichts, weil er sich "nicht quälen" mag, wie er seinem fassungslosen Trainer verriet. Somit stehen drei Spieler vor dem Ende ihrer Zeit beim Deutschen Meister des Jahres 1959. Dazu passt, dass Eintracht-Präsident Zellekens vor dem Bundesligagastspiel an der Wupper erneut seine Forderung bekräftigt, einige Spieler über dieselbe gehen zu lassen, da dem Verein die finanziellen Mittel fehlen: "Wir müssen den Spielerkader bis Ende Dezember von 22 auf 18 Mann verringern." Die Entschuldung des Vereins sieht er weiter durch das Gebaren der Stadt gefährdet: "Von dem verstorbenen Oberbürgermeister Frankfurts Möller bis zum jetzigen Oberbürgermeister Rudi Arndt vor, als er noch Finanzminister in Wiesbaden war, haben mir alle ihre Hilfe zugesagt. Nicht zuletzt beim Ankauf der Tribüne am Riederwald. Jetzt will keiner mehr etwas davon wissen!" Außerdem kritisiert Zellekens im Zusammenhang mit der von ihm angestrebten Verkleinerung des Kaders wieder einmal den für die Lizenzspielerabteilung verantwortlichen Ernst Berger wegen mangelnder Kooperation und Unterstützung: "Mit der Anwesenheit bei Spielersitzungen ist es allein nicht getan." Berger ist nach wie vor strikt gegen eine Kaderreduzierung. Zellekens, Kunstturnobmann des Deutschen Turnerbundes, Vorsitzender der Frankfurter Sporthilfe, Mitglied in mehr als einem halben Dutzend weiterer sportlicher Gremien sowie Firmenchef mit weit über 100 Mitarbeitern, wird in der Fußballabteilung der Eintracht auch nach dreijähriger Amtszeit immer noch als der "Turnerpräsident" belächelt. Er fühlt sich bei der Aufgabe, den Gesamtverein zu sanieren und gleichzeitig die Profifußballer in der Spitzengruppe der Bundesliga zu etablieren, allein gelassen. Wen wundert es also, dass Zellekens die Konsequenz zieht und – während Richard Nixon am 7.11. nach einem mit 61 Prozent der Stimmen klaren Wahlsieg über seinen chancenlosen Herausforderer George McGovern Präsident der USA bleiben wird - seinen Rückzug ankündigt: "Im Juni ist Schluss." Die Antwort aus dem Römer lässt dieses Mal nicht lange auf sich warten. Noch vor dem Spiel in Wuppertal wirft der Frankfurter Stadtrat Berg Zellekens vor, dieser habe der Öffentlichkeit ein einseitiges Bild gezeichnet. 135.000 DM Sportförderung sowie eine halbe Million DM zinsloses Darlehen sollen "ein Tropen auf den heißen Stein" sein, fragt Berg die angeblich einseitig informierte Öffentlichkeit. Ursache der Zuschauermisere sei nicht die "Baustelle Stadion", sondern vielmehr die enttäuschende Leistung der Eintracht, meint der Stadtrat. Ob dieses Argument bei einer Mannschaft zutrifft, die seit Mai 1971 zu Hause kein Pflichtspiel verloren hat und in dieser Zeit zwei Mal den Siegeszug der bis dahin ungeschlagenen Bayern aus München stoppte – das letzte Mal erst vor einem Monat? Aber auch in sportlicher Hinsicht ist die Lage bei den Riederwäldern alles andere als ruhig. Die Eintracht erreichte unter der Woche zwar das Halbfinale des Ligapokals, bot beim 3:3 gegen Fortuna Köln jedoch eine schwache Vorstellung. "Auch gegen den Regionalligisten war unsere Abwehr nicht stabil genug", moniert Trainer Ribbeck. Und heute treffen die mehr auswärts- als abwehrschwachen Hessen mit dem Wuppertaler SV auf eine Mannschaft, die die imponierende Heimbilanz der Frankfurter noch weit übertrifft: In über einem halben hundert Heimspielen in Serie ist der WSV im Stadion am Zoo ohne Niederlage geblieben, selbst in den bisherigen 5 Heimpartien in der ersten Liga ging der Neuling nicht einmal als Verlierer vom Platz. "Aus zwei schweren Auswärtsspielen in Köln und Schalke haben wir drei Punkte geholt", freut sich WSV-Trainer Buhtz und warnt: "Dennoch wäre es leichtsinnig, jetzt die Frankfurter auf die leichte Schulter zu nehmen." Wuppertal muss auf den gesperrten Galbierz ebenso verzichten wie auf Brune, Libero Meisen und Torwart Müller. Bei den Hessen ist Hofmeister nach seiner Roten Karte im Ligapokal am Mittwoch nicht mit von der Partie. Parits ist außer Form, läuft aber auf. Ribbeck selbst ist heute an einem guten Ergebnis sehr gelegen, denn zu Wuppertal verspürt der Trainer eine besondere Nähe: Nur zehn Minuten vom Stadion am Zoo entfernt ist Ribbeck aufgewachsen und spielte vier Jahre lang in der Vertragsliga-Mannschaft des WSV. "Mit einem Punkt wären wir allerdings schon zufrieden. Immerhin ist Wuppertal seit 52 Punktspielen zu Hause ungeschlagen. Da muss ja wohl was dran sein", meint er. Was mit der Eintracht los ist, sehen die Zuschauer in Wuppertal nur zu deutlich. Es gibt wohl niemand im Stadion am Zoo, der sich über die sprichwörtliche Auswärtsschwäche von Ribbecks Truppe wundern würde. Fahrig präsentiert sich seine Elf, von Anfang an zeichnet sie sich nur durch eine Systemlosigkeit aus, die die Mannschaft aber immerhin vom Verteidiger bis zum Linksaußen konsequent umsetzt. Wie Trainer und Spieler so zu einem Erfolgserlebnis auf fremden Platz kommen wollen, wäre eine Frage, auf deren Antwort man gespannt sein dürfte. Hier spielt eine destruktive Eintracht, die eigene Angriffsbemühungen gänzlich vermissen lässt und ohnehin nur mit einer Spitze aufläuft, die zudem völlig außer Form ist. Frankfurts Stil, wenn man denn einen erkennen mag, wird bestimmt von der Angst. Fußball wird nicht mehr gespielt, sondern langsam und umständlich in Ansätzen gearbeitet, das grenzt in Anbetracht der hoch veranlagten Fußballer in den Reihen der Eintracht an Selbstverleugnung. In der Abwehr überzeugen lediglich der sichere Dr. Kunter und Uwe Kliemann, der dem Wuppertaler Torjäger Pröpper so kalt stellt wie eine Flasche Schampus am Silvesterabend. Gert Trinklein spielt dagegen seine Lieblingsposition, den Libero, so nervös wie eine Debütantin, die Angst hat, dass man ihr in den Ausschnitt schaut. Thomas Rohrbach ist eiskalt und bearbeitet Gustl Jung nach allen Regeln der Kunst, aber leider nicht nach den Regeln des DFB.
Im Mittelfeld beweist der Ex-Wuppertaler Horst Heese, der Trainer Ribbeck öffentlich die Freundschaft kündigte, dass der Ball ebenfalls nicht sein Freund ist und auch nicht mehr werden wird. Jürgen Kalb scheint irritiert, weil er keinen direkten Gegenspieler hat, und findet vielleicht deswegen keine rechte Bindung zum Spiel. Jürgen Grabowski gibt derweil mangels Unterstützung den Solo-Tänzer. Der Kapitän ist zwar immer in Bewegung, aber dabei allein auf weiter Flur. So hat sein Gegenspieler Reichert wenig Mühe, die Kreise des im Stich gelassenen Kapitäns der Hessen einzuengen. Die Eintracht beschränkt sich auf das reine Zerstören des Spiels des WSV. Auf mögliche eigene Konter verzichten die Frankfurter fast vollständig. Glück haben die Hessen und ihr sicherer Keeper als Pröpper sich in der 36.Minute einmal der Bewachung von Kliemann entziehen kann und mit einem Kopfball nur die Latte trifft. "Gegen den habe ich bei hohen Bällen überhaupt keine Chance", erkennt Pröpper beim Seitenwechsel dennoch ehrlich die Überlegenheit seines Gegenspielers in der Luft an und will darauf reagieren: "Jetzt muss ich es mal eine Etage tiefer versuchen." Auch Wuppertals Trainer Horst Buhtz ist nicht zufrieden "Das Spiel ist zu langsam. Aber das liegt an den Frankfurtern." Nicht die Gäste, sondern die eigenen Zuschauer, die den 11.11. zum Anlass nehmen, die ersten Böller auf die zerfurchte Zementpiste herabprasseln zu lassen, nimmt sich in der 53. Minute Georg Jung zum Vorbild. Rechtzeitig zum Karnevalsbeginn zündet auch Jung einen Böller, der mit traumhafter Sicherheit seinen Weg in das Frankfurter Tor findet. Unhaltbar schlägt das Geschoss im Kasten von Dr. Kunter ein, ohne dass der Schlussmann der Eintracht eine Abwehrchance gehabt hätte. Einen Knall anderer Art hat da bereits Erich Miß überstanden, der heute eiserne Nerven beweist. Miß hat vor dem Spiel eine nicht alltägliche Anfahrt zum Stadion hinter sich gebracht. Ein offensichtlich betrunkener Verkehrsteilnehmer verwickelte Miß in einen Autounfall, der den Wagen von Miß als Totalschaden zurücklässt. Erich Miß blieb durch einen glücklichen Zufall unverletzt und kam mit dem Schrecken davon. Nicht davon kam der Unfallverursacher, der sich durch eine Flucht seiner Verantwortung entziehen wollte. Vereitelt wurde dieser Versuch durch Miß, der dem Flüchtigen stellte und dingfest machte. Sicherstellen würde auch die Eintracht gerne einen
Punkt, doch der ist hier aufgrund eigenen Verschuldens in einige Ferne
gerückt. Ribbeck reagiert endlich und bringt eine knappe Viertelstunde
vor Schluss Krauth für den erneut enttäuschenden Parits. Uwe
Kliemann schaltet sich nun ins Angriffsspiel seiner Elf ein, die endlich,
endlich ins Rollen kommt. Ein Kopfball von Kliemann bringt um ein Haar
auch den Ausgleich, doch Reichert kann auf der Linie für den geschlagenen
Gelhard retten. Der WSV siegt am Ende verdient, obwohl Erich Ribbeck von einem "knapp verpassten Punktgewinn" spricht. Was soll er auch sagen, nach dem fünften sieglosen Spiel seiner als "Bayernjäger" und "Geheimfavorit" in die Saison gestarteten Elf? Sein Kollege Buhtz hat dagegen genug Grund zur Freude: Die Leistungen des Ersatztorwartes Gelhard, der sich wacker aus der Affäre zog, und die ansprechende Leistung von Jung, die dieser mit dem Tor des Tages krönte: "Es bestätigt, dass meine Einkaufspolitik nicht ganz verkehrt gewesen sein kann ...", sagt Buhtz in Richtung seiner Kritiker. "Ich bin stolz", sagt Buhtz und hat für das schlechte Spiel eine Erklärung parat, die Siegern eher abgenommen wird als Verlierern: "Frankfurt hat uns kein Tempo angeboten, alles auf 0:0 angelegt. Mir war klar, dass das ein reines Abnutzungsgefecht werden würde." In Frankfurt macht sich ob der enttäuschenden Resultate nach dem Sieg gegen die Bayern Enttäuschung und Ernüchterung breit: Ribbecks Saat geht nach dem Hoch in der letzten Saison auch im fünften Jahr immer noch nicht auf. Was nutzt es da, dass Kliemann seine längst fällige erste Berufung in die "Elf des Tages" im "Kicker" bekommt? Denn während der Aufsteiger aus Wuppertal nun Rang 3 belegt, rutscht die Eintracht auf Platz 11 ab. "Ich hatte mir Platz 7 bis 12 ausgerechnet", erklärt Buhtz: "Wie stark die Bundesliga ist, wussten wir aus vielen direkten Vergleichen und kritischen Beobachtungen. Die Bundesliga war uns immer nah. Dass wir den Sprung nicht gleich im ersten Anlauf schafften, hat auch sein Gutes. So konnten wir in Ruhe reifen. Meine Mannschaft, die mir blind vertraut und sich blind versteht, spielt rationellen Fußball. Da gibt es keine Abnutzung", sieht der Wuppertaler Coach keinen Grund, warum der Höhenflug seiner Truppe enden sollte. Wohin der Weg den abwanderungswilligen Horst Heese führen wird, wenn er denn gehen darf, ist unterdessen immer noch ungeklärt. "Ich habe ja ein paar Angebote schon, von Hertha BSC und von RW Oberhausen. War ganz erstaunt, was Oberhausen mir bietet. Aber da wollte ich nicht bin." Auch eine Offerte aus Köln sei bei ihm eingegangen: "Doch dann hörte ich", so Heese, "wenn du in Köln spielen willst, musst du gut Freund mit Overath sein, und solche Verhältnisse mag ich nicht." Angeblich soll aktuell ein Angebot für ihn und Trinklein von Schalke 04 vorliegen. Doch damit nicht genug: "Na ja - und der Herr Mihailovic aus München will sehen, was er für mich machen kann. Und jetzt hörte ich, dass der HSV Spieler sucht. Also ich würde gern in Hamburg spielen." "Da müsste aber erst ein offizielles Gespräch zwischen den Klubs geführt werden", bremst Eintracht-Präsident Zellekens den Spieler und Trainer Ribbeck macht Heese wenig Hoffnung auf eine schnelle Einigung: "In den nächsten Wochen haben wir fünf Spiele hintereinander. Ich glaube nicht, dass wir Heese da, wenn überhaupt, freigeben." (rs)
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