Eintracht/Kickers - Benfica Lissabon

Freundschaftsspiel 1972/1973

1:3 (1:1)

Termin: 17.10.1972 in Oxxenbach
Zuschauer: 15.000
Schiedsrichter: Biwersi (Saarbrücken)
Tore: 1:0 Horst Heese (4.), 1:1 Humberto (29.), 1:2 Eusebio (78.), 1:3 Jordao (85.)

 


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Eintracht/Kickers Benfica Lissabon

 


  • Henrique
  • Malta
  • Humberto
  • Rodriques
  • Adolfo
  • Graca
  • Matine
  • Nene
  • Jorge
  • Eusebio
  • Simoes

 

Wechsel Wechsel
  • Toni für Matine (46.)
  • Jordao für Jorge (46.)
Trainer Trainer
  • Hagan

 

 

Eusebios Zeigefinger

Fragt man einen kundigen Eintrachtfan nach Benfica Lissabon, fällt sicher der Name Elek Schwartz. 1965 hatten die Frankfurter den international erfahrenen Trainer verpflichtet, der zuvor die niederländische Nationalmannschaft trainiert und Benfica Lissabon in das Endspiel des Europapokals der Landesmeister geführt hatte. Drei Jahre blieb der in Siebenbürgen geborene und mit einem französischen Pass ausgestattete Fußballlehrer am Main. Doch die Eintracht kreuzte auch selbst mit dem großen Klub die Klingen, wenn auch nur in Freundschaft, wie beim torlosen Unentschieden am 7.10.1965 oder fast auf den Tag genau vier Jahre zuvor, als die Riederwälder den amtierenden Europapokalsieger auf dessen Platz nach einem 0:2-Rückstand mit 3:2 schlagen konnten. Die Sportzeitung "Seculo" schrieb damals über die Elf um Fonseca, Neto, Aguas, Coluna, Cavem und natürlich Eusebio: "Benfica hat verdient verloren und wurde von einer Mannschaft besiegt, wie man schon lange keine mehr in Portugal sah. (..) Benfica muss aus dem Spiel seine Lehren ziehen, wenn es im Europapokal wieder eine Rolle spielen will."

"Wir wollen den Europapokal wieder holen", sagt nun fast ein Dutzend Jahre später Jimmy Hagan, der aktuelle Trainer des portugiesischen Rekordmeisters, einen Tag vor dem Auftritt seiner Mannschaft auf dem Bieberer Berg. Wieder hat die Frankfurter Brauerei Henninger ein "Spiel des Jahres" gesponsert, und nach Real Madrid den nächsten Gegner von Weltruf für eine Begegnung gegen eine Kombination aus Spielern der Frankfurter Eintracht und den Offenbacher Kickers an den Main geholt.

Seit 1960 hat Benfica Lissabon in Portugal fast jährlich den Titel des Landesmeisters getragen. Nur 1962, 1966 und 1970 gelang es ihnen nicht. Nach 1961 holte Benfica 1962 den Landesmeisterpokal in einem unvergesslichen Finale gegen Real Madrid ein zweites Mal nach Lissabon, als der ehemalige Abonnementsieger des Wettbewerbs mit 5:3 geschlagen wurde. Auch 1963, 1965 und 1968 stand die Elf um Eusebio, dem Torschützenkönig des WM-Turniers von 1966, im Landesmeisterfinale, unterlag aber jeweils knapp dem AC und Inter Mailand sowie gegen Manchester United nach Verlängerung. Aktuell ist Benfica nicht nur Portugals amtierender Meister, sondern auch der Pokalsieger.

Das alles muss man wissen, um Eusebios Verwunderung zu verstehen, als er sich auf dem Bieberer Berg umsieht und ungläubig fragt: "15.000 Zuschauer? Bedeutet der Name Benfica in Offenbach so wenig?" Vielleicht bereuen die Veranstalter bereits, dass das Spiel der Kombination zum ersten Mal nicht im Waldstadion, sondern in Offenbach stattfindet. Es schien anfangs auch keine schlechte Idee zu sein, von der Baustelle im Frankfurter Stadtwald hierher auszuweichen … "Zu unseren Spielen kommen 60.000, 70.000 Zuschauer in Lissabon. Warum also eine Europaliga?", beantwortet Eusebio da Silva Ferreira, wie sein vollständiger Name lautet, passend zu den Eindrücken im Offenbacher Stadion noch rasch das von einem Journalisten vorgetragene Ansinnen nach einer Ausweitung der europäischen Pokalwettbewerbe.


Horst Heese auf dem
Weg zum 1:0

Horst Heese gibt auf dem Platz schon nach vier Minuten eine andere Antwort: Er bringt die von den Trainern Lorant und Ribbeck aus fünf Offenbachern und sechs Frankfurtern zusammen gestellte Elf in Führung. Dabei profitiert Heese davon, dass Thomas Parits nach seiner beim Sieg gegen Tabellenführer Bayern München erlittenen Oberschenkelprellung geschont wird und so in der Sturmmitte ein Platz für den blonden Brecher frei geworden ist.

In der Folge bieten sich den Gastgebern weitere Torgelegenheiten. Die Favoriten aus Lissabon haben mit dem schnellen Direktspiel von Held, Grabowski und Hölzenbein ihre liebe Not. Auch wenn Kliemann in der 29. Minute eine Flanke nicht erreichen kann und Humberto an Bockholt vorbei den glücklichen Ausgleich köpft, sind die Benfica-Stars eine Halbzeit lang in der Rolle eines Igels, der einem Hasen zu folgen versucht. Die Gäste lassen sich von der Kombination, die Lorant und Ribbeck ausgewürfelt haben, über den Bieberer Berg hetzen.

Das ist aber nicht der Grund, dass Eusebio einmal doch die Beherrschung verliert: Sein Gegenspieler Theis hat ihm zum wiederholten Male mehr zugesetzt, als es in einem Freundschaftsspiel nötig und üblich ist. "Er zog mich am Trikot, schaute mich böse an und stieß mir den Zeigefinger auf den Backen", klagt Theis: "Ich war ihm wohl zu dicht auf den Pelz gerückt. Später stieß er mir nochmals den Finger auf den Backen. Na ja dachte ich, das ist wohl seine Masche."


Kliemann klärt vor Eusebio

Dabei sind es heute Abend nicht Eusebio oder Simoes, die mehr mit gescheitem als dynamischem Spiel Akzente setzen. Es sind vielmehr die wieselflinken Nene, Jordao und Adolfo, die der Deckung der Gastgeber vor allem in der zweiten Halbzeit große Schwierigkeiten bereiten. Matine und Toni zaubern nun, dass es für den neutralen Beobachter eine Wonne ist.

Brillante Einzelaktionen haben natürlich auch Grabowski und Held zu bieten. Die Kombination hat allerdings in den Jahren vorher wesentlich besser harmoniert als in diesem Spiel. "Bei uns lief ja gar nichts zusammen", wird man einige nach der Begegnung schimpfen hören. Dieser Vorwurf trifft besonders das Mittelfeld, wo das Übergewicht von Benfica immer deutlicher wird.

Benficas Abwehr, die im ersten Abschnitt einen teils verstaubten, teils leichtfertigen Eindruck hinterlassen hat, wirkt jetzt aufgeräumter und frischer. Den Portugiesen kommt aber auch gelegen, dass nach 55 Minuten nicht nur Weidle für Hickersberger, sondern auch Ritschel für Heese kommt. Der Brecher Heese bereitete ihnen die meisten Probleme.

Die Kondition der Kombi-Truppe lässt trotz der beiden frischen Kräfte immer mehr nach und nun kommt die beste Phase der Gäste. Ihre Angriffe werden immer gefährlicher, doch noch hält "Funkturm" Kliemann den Laden hinten einigermaßen zusammen und dicht. Nach 78 Minuten verfehlt Kliemann aber wie beim Ausgleich eine Flanke, die diesmal von Eusebio per Kopf verwertet wird. Dr. Kunter, der nach der Pause für Bockholt ins Tor gekommen ist, ist ohne Abwehrchance. "Der schwarze Panther" hat seine Krallen gezeigt, ein Stürmer seiner Klasse ist eben nicht auszuschalten – weder mit fairen noch mit weniger fairen Mitteln.

Schäfer kommt nun für Nickel in die Partie, doch entscheidende Impulse kann auch er nicht mehr geben, geschweige denn dem Spiel eine erneute Wende geben. Vier Minuten vor Schluss gelingt Jordao sogar das 3:1, nachdem die ganze Abwehr ausgespielt wurde. Nach einer zweiten Halbzeit, in der Benfica den Bieberer Berg beherrscht hat, fällt der Sieg doch noch unerwartet klar und verdient aus. Eusebio hat am Erfolg nie gezweifelt: "Ich wusste, dass wir gewinnen."

Benfica ist gelungen, was in den Jahren vorher Feyenoord Rotterdam und Real Madrid nicht geschafft haben: ein Sieg über die Kombination der Bundesligavereine Eintracht Frankfurt und Kickers Offenbach.

"Das war ein hervorragendes Spiel", lobt der ehemalige Bundestrainer Sepp Herberger: "Schade, dass der Kombination nach der Pause die Kraft fehlte und man sich nicht auf einen Dirigenten einigen konnte. So ging das Konzept verloren." "Man darf kein Spiel leicht nehmen", philosophiert dagegen Trainer Ribbeck mit Blick auf dieses Freundschaftsspiel und der nächsten Auswärtsaufgabe seiner Mannschaft, die sie zum Tabellenletzten nach Oberhausen führt.


Nachtrag

Julius Ukrainczyk, Spiele- und Spielervermittler, wird in der "Bild" jener Tage so zitiert: "Eusebio ist das absolute Glanzlicht seiner Elf. Er ist ein Ausnahmefußballer." Das ist er ohne Zweifel, "inzwischen Multimillionär" und "millionenschwer", wie die "Bild" meint, ist Eusebio dagegen nicht. Eusebio hat sich eben nicht "aus unsagbarer Armut zum reichen Mann hochgespielt". Im Gegenteil, Eusebio wird bei Benfica fast schon wie ein Leibeigener behandelt. Ein lukrativer Wechsel zu Inter Mailand scheitert für den in Mozambique geborenen Eusebio an den völlig überzogenen Ablösesummen, die Benfica fordert. Kolportiert wird auch, dass der portugiesische Staatspräsident und Diktator Salazar an Eusebios Verbleib nicht unbeteiligt gewesen sein soll. "Eusebio ist das wertvollste Staatseigentum von Portugal. Er darf nicht ins Ausland wechseln", soll Salazar gesagt haben und Eusebios Entgegnung diese: "Entschuldigung Herr Präsident, ich bezahle regelmäßig meine Steuern und meine Miete. Staatseigentum kann ich also nicht sein." Erst im Alter von 33 Jahren, als Eusebios Leistungen nach einer nie ausgeheilten Knieverletzung schlechter wurden, gestattet man ihm einen Wechsel nach Nordamerika.

Den Europapokal der Landesmeister holt Benfica in dieser Saison nicht. Bereits im Achtelfinale trifft man auf Derby County, dem anderen unterlegenen Halbfinalisten des Vorjahres. Nach einer 0:3-Niederlage auf der Insel reicht es im heimischen Estádio da Luz lediglich zu einem 0:0. Bis heute (Sommer 2010) haben die Portugiesen den Landesmeisterpokal nicht mehr gewinnen können. Dabei stehen sie 1988 und 1990 jeweils im Finale, doch wie 1983 in den beiden Endspielen des UEFA-Pokals bleibt ihnen der Titel verwehrt.

In der Saison 1972/73 schafft es Hagans Elf aber, die heimische Liga wie keine andere Mannschaft in der Geschichte zu dominieren: Die Meisterschaft wird ohne Niederlage eingefahren. 28 Siege und nur 2 Unentschieden bei 101 zu 13 Toren stehen am Ende zu Buche. Eusebio wird wie schon 1968 bester Torschütze Europas, damals mit 42, nun mit 40 Toren. Jimmy Hagan verlässt Benfica wenige Monate später im September 1973 im Streit. (rs)


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