Eintracht Frankfurt - FC Liverpool

UEFA-Cup 1972/1973 - 1. Runde, Rückspiel

0:0

Termin: 26.09.1972
Zuschauer: 18.000
Schiedsrichter: Müncz (Ungarn)
Tore: ./.

 


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Eintracht Frankfurt FC Liverpool

 


  • Raymond Clemence
  • Christopher Lawler
  • Alec Lindsay
  • Emlyn Hughes
  • Thomas Smith
  • Laurence Lloyd
  • Peter Cormack
  • Philip Boersma
  • Kevin Keegan
  • Stephen Heighway
  • Ian Callaghan

 

Wechsel Wechsel
  • Trevor Storton für Thomas Smith (58.)
  • Hall für Kevin Keegan (89.)
Trainer Trainer
  • Bill Shankly

 

Safety first

Vor dem Rückspiel im UEFA-Cup gegen den FC Liverpool fällt vereinzelt ein Name: Oskar Lotz. Ja, Oskar Lotz, der 1965 von Kickers Offenbach zur Eintracht und vor drei Jahren von der Eintracht zum FSV Frankfurt wechselte, bevor er 1970 seine Karriere als professioneller Fußballer beendete. Drei Pflichtspieltore erzielte Lotz in seiner letzten Saison für die Eintracht. Die beiden Treffer bei der 2:4-Niederlage auf dem Bieberer Berg und sein letztes an jenem 29.1.1969 gegen Athletic Bilbao. Nach vier Minuten hatte der Stürmer zur Führung eingenetzt und das 0:1 aus dem Hinspiel egalisiert. Doch die Spanier schlugen fast im Gegenzug zurück und bei diesem 1:1 blieb es bis zum Spielende. Oskar Lotz – so lautet der Name des letzten Torschützen der Frankfurt Eintracht in einem europäischen Wettbewerb.

Das muss sich heute ändern, wenn die Eintracht noch eine Chance haben will, die 2. Runde im UEFA-Cup zu erreichen. Das wird schwer genug, denn es gilt, einen Rückstand von zwei Toren aufzuholen. Die Liverpooler haben sich jedoch in den beiden Meisterschaftsspielen zwischen dem Hin- und Rückspiel keine Blöße gegeben. Einem 0:0 im Spitzenspiel bei Arsenal London folgte am letzten Wochenende ein 5:0 gegen den bisherigen Tabellensiebten Sheffield United. 22 Tore haben die "Reds" nun in zehn Ligaspielen erzielt - so viel wie keine andere englische Mannschaft - und die Tabellenspitze zurückerobert.

Während sich Bill Shanklys Elf auf einem Höhenflug befindet, plagen Erich Ribbeck in Frankfurt ernste Sorgen: Jürgen Grabowskis Platzwunde am Spann des rechten Fußes aus dem Spiel am Wochenende gegen Kaiserslautern musste genäht werden. An einen Einsatz ist nicht zu denken, der Kapitän fällt mit Sicherheit mindestens eine Woche aus. Auch das Mitwirken des Österreichers Thomas Parits ist noch am Spieltag sehr fraglich ist. Dennoch legt Eintracht-Trainer Erich Ribbeck vor dem UEFA-Cup-Bückspiel gegen den FC Liverpool einen bemerkenswerten Optimismus an den Tag: "Wir stehen nicht unter diesem Zwang des Gewinnenmüssens wie vor jedem Bundesliga-Heimspiel."

Ribbeck glaubt an ein gutes Spiel und er hofft darauf, dass vielleicht gerade gegen einen so renommierten Gegner bei Bernd Nickel der Knoten platzt. Nickel hat in der Rückrunde der letzten Spielzeit mit einigem Geschick die Rolle des Spielmachers ausgefüllt, doch von dieser Form ist er im Moment ein gutes Stück entfernt. Nickels durchwachsene bis schwache Verfassung ist neben Grabowskis Ausfall das Problem, das Ribbeck derzeit am meisten unter den Nägeln brennt. Eine Lösung hat der Eintracht-Trainer nicht parat, er rätselt im Gegenteil immer noch an den Ursachen herum: "Eigentlich müsste der Bernd nach dem olympischen Fußballturnier in Bombenform sein!" In München hat Nickel zwar durch Tore geglänzt, aber spielerisch auch dort nicht überzeugt. Mit der Stimmung und dem Zusammenhalt in Derwalls Auswahl soll es nicht zum Besten gestanden haben, hört man, aber keiner der Beteiligten spricht öffentlich darüber: Dieter Lindner, Meisterspieler, ehemaliger Kapitän und aktuelles Verwaltungsratsmitglied der Eintracht, berichtet aber, dass ihm Nickel gesagt habe: "Früher freute ich mich, wenn ich mit der Amateurelf spielen konnte, diesmal war ich froh, als ich wieder bei der Eintracht war."

"Liverpool, der englische Spitzenreiter, ist sehr, sehr stark. Aber unsere Mannschaft hat sich schon oft gegen große Gegner gesteigert", hofft Trainer Ribbeck auf die Diva in seiner Elf, die auf der großen Bühne zu spektakulären Darbietungen fähig ist: "Wir müssen nach der 0:2-Niederlage in Liverpool drei Tore mehr schießen als die Gäste. Doch das müsste möglich sein." Die Frage bleibt, wie die ersatzgeschwächte Eintracht das anstellen will? Denn als die Mannschaftsaufstellung für das um 20 Uhr beginnende Spiel verlesen wird, fehlen außer Grabowski noch weitere Spieler.

So ist Thomas Rohrbach, der am Samstag gegen Lautern eine prächtige Partie geliefert hat, nicht dabei. Ribbeck verzichtet auf ihn, damit Rohrbach eine Leistenverletzung ausheilen kann. Ebenso pausiert der erfahrene Friedel Lutz. Lutz hat wegen einer Schleimbeutelentzündung eine Spritze bekommen und soll sich zwei Tage liegend schonen. Immerhin hat Ribbeck mit Thomas Parits einen letzten Versuch gewagt, dieser ist allerdings fehlgeschlagen. Den Lauftest um 19 Uhr absolvierte Parits ohne Probleme, doch körperbetonte Zweikämpfe sind ihm wegen seiner Brustbeinprellung nicht möglich. Nach Remplern litt Parits rasch wieder unter Schmerzen und Atembeschwerden.

Ribbeck, das begeistert sicher nicht alle der 18.000 Zuschauer heute Abend, legt offensichtlich entgegen seiner öffentlichen Ankündigungen sein Augenmerk auf die Punktspiele der Bundesliga und nicht auf das Weiterkommen im Europa-Cup um jeden Preis. Herbert Hoffmann lobt den Eintrachtcoach im "Kicker" für dessen "kühle Überlegung" und titelt seinen Artikel "Trainer Erich Ribbeck ist kein Hasardeur".

Was immer auch Erich Ribbeck sein mag, seine Spieler sind keine Angsthasen. Sie nehmen die Herausforderung an und versuchen nach besten Kräften, die Gäste unter Druck zu setzen. Dabei hat ihr Trainer die Mannschaft ordentlich durcheinander gewirbelt. So hat Reichel die Außenverteidigerposition von Kalb übernommen, der ins Mittelfeld aufrückt. Trinklein spielt außerdem für Lutz Vorstopper, während Schämer Rohrbach auf der anderen Außenverteidigerposition ersetzt. Im Angriff kommt schließlich Heese für Parits zum Zuge. Dem kampf- und kopfballstarken Heese traut Ribbeck am ehesten zu, die Abwehr um Thomas Smith vor Probleme zu stellen.


Clemence klärt, Lindsay schirmt
ab, Trinklein kommt zu spät

Das ist jedoch ein ungeahnt schweres Unterfangen, denn die Gäste wurden von ihrem Coach Shankly überraschend defensiv eingestellt. Da verfügen die Liverpooler trotz des Fehlens von John Toshack über eine so vorzügliche und treffsichere Offensive und spielen doch von der ersten Minute an auf ein torloses Unentschieden – es ist kaum zu verstehen.

Nun ist es aber nicht so, dass Shanklys Mannen sich in primitiver Mauerei verlieren würden, doch für eigene Angriffe tun sie so gut wie nichts. Das Bestreben, selbst ein Tor zu erzielen, ist beim besten Willen nicht zu erkennen. Der FC Liverpool hält den Ball, so lang es irgend geht, in den eigenen Reihen und scheut sich nicht, das Leder des Öfteren fast von der Mittellinie zurück zum vorzüglichen Torwart Clemence zu spielen. Vor schnellen Kontern der Gäste muss die Eintrachtabwehr keine Furcht haben, die Liverpooler unternehmen diesbezüglich keine Anstrengungen.

Der Mannschaft der Frankfurter Eintracht ist indes kein Vorwurf zu machen. Sie tut – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – alles, um selbst zu einem Torerfolg zu kommen, was von den Zuschauern auch honoriert wird. Was Ribbecks aus der Not geborenen Truppe jedoch fehlt, ist das, was man gemeinhin das Salz in der Suppe eines Fußballspiels nennt und was der Eintracht die Chance auf den Einzug in die nächste Runde eröffnen würde: Tore.

An den Spielern aus der zweiten Reihe liegt es nicht, die sind heute mehr als nur Ersatz und ohne Abstriche vollwertige Kräfte zu nennen. Aber hier fehlt Rohrbachs Schnelligkeit, dort Parits Cleverness und vor allem Grabowskis unersetzliche Dribblings und Genialität. Der emsige Weidle und der trickreiche Konca sind auf den Flügeln immer in Bewegung, doch es gelingt ihnen im ersten Durchgang nicht, den gut gedeckten Heese im Zentrum in Szene zu setzen. Kalb, Hölzenbein und Nickel kämpfen im Mittelfeld mit viel Herz und noch mehr Verstand, aber die Profis von der Insel begegnen ihren Versuchen sehr abgeklärt mit der bekannten Härte.

Die Frankfurter lassen sich weder von den hartgesottenen Gegnern noch von der eigenen Erfolglosigkeit entmutigen und haben sich für den zweiten Durchgang einiges vorgenommen. Nach dem Anpfiff des ungarischen Schiedsrichters Müncz stürmen die Eintrachtspieler auf jeden Fall wie entfesselt auf das von Clemence gehütete Tor. Das ist nicht weniger als ein Sturmlauf, mit dem Ribbecks Männer nun versuchen, die englische Bastion sturmreif zu schießen.

In den ersten zehn Minuten nach Wiederanpfiff schnürt die Eintracht die Gäste nicht nur in deren Hälfte ein, sie erzwingt auch einen Eckball nach den anderen – nur das gewünschte erste Tor will und will einfach nicht fallen. So kommt Hölzenbein zum Kopfball, doch das Leder prallt an Smith zur nächsten Ecke ab. Heese rackert im Liverpooler Strafraum für zwei, nimmt es mit jedem Gegner auf, doch auch ihm ist kein Abschlussglück beschieden. Zu zwei gefährlichen Kopfbällen setzt der wuchtige Recke an, kommt einmal knapp vor Callaghan an den Ball, doch der zu spät kommende Clemence kann aufatmen – beide Male streicht die Kugel knapp über das Gehäuse seines Heiligtums.

Thomas Smith, der Kapitän des FC Liverpool, ist längst nicht mehr zu großen Sprüchen zumute. Auf ein glattes 3:0 hatte er bei der Ankunft in Frankfurt für die eigenen Farben getippt, doch nun steht er mit den seinen unter einem Dauerdruck, der nicht nachlassen will. Die Attacken der Eintracht mögen ungestüm sein, aber die Erfolglosigkeit ist ihnen nicht anzumerken. Smith stemmt sich mit Macht gegen die unablässig angreifenden Gastgeber, doch nach einer knappen Stunde muss er das Feld verletzt verlassen. Storton kommt für ihn in die Partie.


Hölzenbeins Treffer zählt
wegen Abseits nicht

Die Eintracht probiert es weiter, drängt allerdings ein wenig zu sehr in die Mitte, wo es erst recht kein Durchkommen gibt. Kalb versucht es mit einem Schuss, doch der findet sein Ziel nicht. Und da, plötzlich, ist der Ball im Tor der Liverpooler. Clemence kann dem Ball nur hinterher schauen, wie er das Tornetz ausbeult. Bernd Hölzenbein hat zugeschlagen. Doch - ach - es ist wie verhext, der Spieler, der sich eben noch als Torschütze wähnte, hat im Abseits gestanden, was dem aufmerksamen Linienrichter nicht entgangen ist. Wie schade: Hätte dieser fähige Unparteiische doch nur im Hinspiel an der Anfield Road seine Arbeit verrichtet und sein Kollege dort wäre heute Abend zum Zuge gekommen, es könnte Gleichstand zwischen beiden Mannschaften herrschen … Aber wir wollen nicht vergessen, dass dem FC Liverpool im Hinspiel zwar ein Tor zu Unrecht zuerkannt, ihnen aber auch ein eindeutiger Elfmeter verweigert wurde.

Die Frankfurter stecken immer noch nicht auf, die Moral dieser Elf nötigt auch einem neutralen Beobachter Respekt ab. Es fehlt der Eintracht jedoch wieder mal ein Vollstrecker, der aus einer der sich bietenden Chancen Kapital zu schlagen versteht.

Ribbeck nimmt gar noch Abwehrspieler Trinklein aus der Partie und bringt mit Neuzugang Josef Hofmeister einen weiteren Stürmer. Die Überlegenheit der Eintracht bleibt auch ungebrochen. Die Dominanz der Frankfurter ist sogar so groß, dass Torwart Dr. Kunter ungestraft einer anderen Beschäftigung nachgehen könnte, denn in diesem Spiel ist er wortwörtlich beschäftigungslos. Trainer Shanklys Taktik lautet "safety first" und seine Spieler setzten diese kompromisslos um. Dem Spielleiter aus Ungarn geht diese Kompromisslosigkeit zu weit, denn die Liverpooler verlegen sich nebenbei allzu offensichtlich auf unnötige Verzögerungen. Das ist weder nach dem Geschmack der Frankfurter Fans noch nach dem des Herrn Müncz, der sage und schreibe fünf Minuten nachspielen lässt und den Gästen beweist, dass auch er keine Kompromisse macht. Allein kann die Eintracht aus der zeitlichen Zugabe des stand- und regelfesten Unparteiischen keinen Vorteil ziehen, was doppelt schade ist – ein Tor in Ehren hätte sich diese Mannschaft heute wahrlich verdient. So aber bleibt Oskar Lotz weiterhin der letzte Torschütze der Eintracht im Europapokal. Einen neuen Anlauf das zu ändern, können die Frankfurter frühestens in der nächsten Saison nehmen – falls es ihnen gelingt, sich erneut zu qualifizieren.

"Wir waren doch so überlegen, wir hatten doch auch Chancen - wir hätten einen Sieg verdient gehabt", hadert Jürgen Grabowski mit dem Ergebnis, räumt aber wie immer als wahrer Sportsmann ein: "Allerdings war Liverpool wirklich ein starker Gegner." "Die Jungens haben gekämpft, sie haben auch eine ansprechende Leistung gezeigt, das ist der Trost bei diesem 0:0", meint Erich Ribbeck: "Nachdem wir vier Stammspieler ersetzen mussten, waren unsere Chancen sowieso minimal."

"Wir hätten eine so starke Mannschaft wie Liverpool gern drei Monate später hier gehabt und nicht jetzt", erklärt Präsident Zellekens denn auch beim Empfang der Engländer durch die Stadt Frankfurt und wird vom englischen Delegationsleiter getröstet: "Wir wünschen der Eintracht, dass sie nach diesem Spiel alle weiteren Spiele der Saison gewinnt."


Nachtrag

Die Klasse der Liverpooler hat niemand infrage gestellt, doch erst Monate später wird deutlich, dass die Eintracht an einem wirklichen Champion gescheitert ist. Der FC Liverpool wird am Ende der Saison englischer Meister und erreicht das Finale im UEFA-Cup gegen Borussia Mönchengladbach. Im Hinspiel verschießen sowohl Keegan als auch Heynckes je einen Elfmeter, doch Liverpool siegt mit 3:0. Im Rückspiel erzielt Heynckes wie Keegan an der Anfield Road in der ersten Halbzeit zwei Tore, doch im Gegensatz zum Team von Bill Shankly gelingt Weisweilers "Fohlen-Elf" kein drittes Tor. Liverpool gewinnt mit dem UEFA-Cup den ersehnten ersten internationalen Titel. (rs)


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