Borussia Neunkirchen - Eintracht
Frankfurt |
Ligapokal 1972/1973 - Gruppe 7
3:1 (1:1)
Termin: 30.07.1972
Zuschauer: 1.500
Schiedsrichter:
Tore: 1:0 Brand (13.), 1:1 Uwe Kliemann (43.), 2:1 Papies (56.), 3:1 Brinsa (79.)
Borussia Neunkirchen | Eintracht Frankfurt |
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Munter unterlegen Auf Ibiza haben Trainer Erich Ribbeck und die meisten seiner Spieler Urlaub gemacht. Selbst der im letzten Bundesligaspiel mit einer Gehirnerschütterung ausgeschiedene Dr. Kunter war mit von der Partie. Doch kaum ist der Trainer braun gebrannt nach Frankfurt zurückgekehrt, ist die Erholung verfolgen. "Es liegen da noch die Erdhaufen herum", stellt Ribbeck verstimmt fest, als er das Trainingsgelände am Riederwald in Augenschein nimmt. Die Stadtverwaltung, die den Platz in Pflege genommen hat, sollte dafür Sorge tragen, dass das Trainingsgelände hergerichtet wird, doch dies ist nicht der Fall. Ribbeck und seine Truppe müssen auf das Feld hinter der Wintersporthalle im Waldstadion ausweichen, das in den nächsten Wochen wegen des Umbaus nicht als Spielstätte dienen kann. Nach Ansicht Ribbecks wird es aber September werden, bis er und seine Mannschaft wieder an den Riederwald ziehen können. Doch nicht alles ist schlechter als erwartet oder geplant. Ribbeck steht nämlich andererseits ein Kader von 22 Mann zur Verfügung. Vizepräsident Ernst Berger, der Verantwortliche für die Lizenzspielerabteilung, machte sich stark dafür, dass von der ursprünglichen Absicht, den Kader auf 17 bis 18 Spieler zu reduzieren, Abstand genommen wurde. Die Belastungen durch den UEFA- und den neu geschaffenen Ligapokal werden als Begründung angeführt. Nicht alle Akteure haben den Lizenzspielerstatus: Kalb, Nickel und auch Neuzugang Wienhold werden als DFB-Amateure geführt. Der Eintracht-Trainer bedauert aber, dass er die Saisonvorbereitung ohne die vom DFB verpflichteten Spieler beginnen muss: "Vor allem Nickel hat natürlich einen Stammplatz, auch Kalb würde ich gern einbauen, wenn er wieder in bester Form ist und Wienhold gehört als zweiter Mann hinter Dr. Kunter ebenfalls zum ersten Spielerkreis. Nun aber muss ich die optimal beste Besetzung zunächst einmal ohne dieses Trio zusammenstellen – und dann nach dem olympischen Fußballturnier eventuell wieder ändern." Doch auch die Einführung des Ligapokals findet in Ribbeck einen scharfen Kritiker: "Man kann nicht nach der Sommerpause einen planmäßigen Aufbau des Spielerkaders bis zum Bundesligabeginn betreiben und gleichzeitig ernsthaft in einen Wettbewerb eintreten! Dieser Plan ist am grünen Tisch aufgestellt worden." Ernst Berger sieht die Sache aber unter dem finanziellen Aspekt: "Wenn wir Gruppensieger werden, kommen in der nächsten Runde auch hier die interessanten Gegner. Bayern München oder Mönchengladbach würden auch im Ligapokal Geld bringen." Ungeachtet aller Widrigkeiten rufen der Trainer und sein neuer Assistent Dieter Stinka die Spieler der Frankfurter Eintracht nach dem Sommerurlaub am 27. Juli um 15.30 Uhr zum ersten Training der neuen Saison zusammen. Besonders auffällig ist hier natürlich der hoch aufgeschossene Neuzugang Uwe Kliemann, der die ersten Übungen im Duo mit dem ebenfalls neu verpflichteten Nachwuchsspieler Karl-Heinz Körbel absolviert. "Alles munter und alles gesund", stellt der Trainer mit Blick auf seine Schützlinge zufrieden fest. Bernd Nickel, der in der Schlussphase der letzten Bundesligarunde aufgrund seiner großen Belastungen in verschiedenen Auswahlmannschaften wochenlang mit einer nicht sicher diagnostizierten Blessur zu kämpfen hatte, hat zum Trainingsauftakt seinen ersten Wettkampf schon wieder hinter sich gebracht. Mit der deutschen Olympia-Auswahl besiegte er eine Woche vor dem Trainingsauftakt in einem Testspiel den Regionalligisten 1860 München in Passau mit 5:1. Auch Nickel steuert einen Treffer bei, wird jedoch vom dreifachen Torschützen Ottmar Hitzfeld deutlich übertroffen. Dabei war Hitzfeld, der in Lörrach wohnt und für den Schweizer Meister FC Basel spielt, von Trainer Derwall ursprünglich lediglich auf Abruf nominiert worden ... Doch der vorolympische Höhenflug ist nur von kurzer Dauer. Einen Tag nach dem Trainingsauftakt bei der Eintracht und 30 Tage vor dem Turnierstart in München kommt Derwalls Auswahl böse unter die Räder und unterliegt vor 11.000 Zuschauern Schwedens Junioren mit 1:5. "Wir stehen am Anfang der Saison, die Schweden sind mitten drin. Für uns war es zu früh, um ein gutes Länderspiel zu machen", erklärt Derwall. 20-jährige Ralf Edström von Åtvidaberg ist dagegen glücklich und zufrieden. Er hat vier Tore erzielt und den fünften Treffer zudem vorbereitet: "So viel Bewegungsfreiheit wie diesmal wünsche ich mir immer." Dieser Wunsch wird wohl nicht in Erfüllung gehen, es sei denn, er nimmt seinen Gegenspieler Hermann Bitz zu jedem Spiel mit. Der einen Kopf kleinere Bitz verlor jedes Kopfballduell, aber Derwall ließ den Lauterer dennoch durchspielen. Eintracht-Schatzmeister Jakobi plagen derweil andere Zahlen als Spielresultate. Seine Sorgen sind nicht neu, sie beschäftigen die Eintracht bereits seit der letzten Spielzeit, als von der Stadt Frankfurt der Umbau des Waldstadions für die WM 1974 beschlossen wurde. "Wir müssen die besten Sitzplätze um zwei Mark teurer, also für 22 DM, verkaufen. Durch den Stadionumbau werden wir nur höchstens 14.000 Sitzplätze und 30.000 Sitzplätze anbieten können. Wenn wir einen Durchschnitt von 23.000 bis 24.000 Zuschauern haben, kommen wir gerade so hin", blickt Jakobi skeptisch in die Zukunft. "Gute Zuschauerzahlen in den Pokalwettbewerben würden uns viel helfen." Der Manipulationsskandal aus der Saison 1970/71 beschäftigt nicht nur immer noch die DFB-Gerichtsbarkeit, er hat auch viele Zuschauer vom Besuch der Bundesligastadien ferngehalten. Ob die beeindruckenden Spiele der DFB-Auswahl sowie der Gewinn der Europameisterschaft durch die Elf von Helmut Schön hilft, die Fans zurückzugewinnen, muss abgewartet werden. Mit weitaus weniger Zuschauern als die Eintracht muss der viermalige Meister der zweitklassigen Regionalliga Südwest auskommen: Borussia Neunkirchen verzeichnete in der letzten Saison durchschnittlich 5.560 Besucher bei Punktspielen im heimischen Ellenfeldstadion. In der Aufstiegsrunde zur Bundesliga, in der die Borussen zum zweiten Mal in den letzten beiden Jahren scheiterten, waren es Schnitt dann 7.300 Zuschauer, doch auch diese Zahl ist vom Rekordbesuch aus dem Mai des Vorjahres weit entfernt. Damals kamen 31.000 Menschen, um die Neunkirchener gegen den 1. FC Nürnberg zu sehen. Heute, zum Auftakt des neu geschaffenen Ligapokals, tritt die Eintracht in Neunkirchen an, aber es verlieren sich lediglich 1.500 interessierte Fans im Stadion. Beim Freundschaftsspiel Ende Juli des vergangenen Jahres waren es noch eintausend Zuschauer mehr. Mit den Auftritten der Eintracht während der drei Bundesligaspielzeiten der Neunkirchener darf man gar keine Vergleiche anstellen. Den 4:0-Sieg der Gastgeber am 10.4.1965 sahen 25.000, die 1:6-Niederlage gegen die Riederwälder am 20.11.1965 erlebten 13.000 und das 2:2 am 28.10.1967 können 15.000 Zuschauer bezeugen. Wie stark wird wohl der Gegner heute sein, fragen sich die Hessen vor dem Anpfiff. Die Borussia sicherte sich in der letzten Saison zwar mit deutlichem Abstand vor Röchling Völklingen, dem SV Alsenborn und dem FSV Mainz 05 den Titel in der Regionalliga Südwest, war aber dann in der Aufstiegsrunde wie die anderen drei Mannschaften gegen den Wuppertaler SV chancenlos: Der WSV marschierte verlustpunktfrei durch die acht Qualifikationsspiele. Außerdem mussten die Saarländer am gestrigen Samstag in der zweiten Südwest-Pokalrunde gegen den FSV Mainz 05 spielen. Andererseits könnte ihnen der 3:2-Erfolg gegen die Rheinpfälzer Rückenwind für die heutige Partie gegeben haben. Tatsächlich geht der Gastgeber schon nach 13 Minuten in Führung. Brand, einer der Besten beim Pokalsieg gegen Mainz, ist auch 24 Stunden später in bestechender Form. Er lässt Uwe Kliemann aussteigen und schießt nervenstark ein. Mit Brand bilden Papies und Hermesdorf eine Mittelfeldachse, die das Prunkstück der Borussen-Elf darstellt. Die Eintracht ist gerade vor Papies und Hermesdorf gewarnt, waren es doch diese beiden, die als Torschützen beim letztjährigen 4:4 die Eintracht an den Rand einer Niederlage gebracht haben. Gerd Zewe, der im Juli 71 ebenfalls ein Tor gegen den Bundesligisten schoss, ist zwar nicht mehr im Kader der Saarländer, weil er nach drei Jahren in Neunkirchen zu Fortuna Düsseldorf gewechselt ist, aber die Borussia ist auch ohne Zewe stark genug. Die Eintracht hält allerdings dagegen. Zwei Minuten vor Halbzeit kann Kliemann sich für das verlorene Duell beim 1:0 revanchieren und schießt zum Ausgleich ein. Dabei hat er ein wenig Glück, denn bei seinem tollen Tor aus 14 Metern Entfernung springt der Ball erst an den Pfosten und dann ins Netz. Neunkirchen zeigt sich von diesem Gegentor nicht geschockt. Im Gegenteil - nach der Halbzeitpause drehen die Hausherren so richtig auf. Ex-Eintrachtspieler Papies beweist wie im Vorjahr, dass er gegen seine ehemaligen Kameraden besonders gerne trifft. In der 56. Minute legt er ein Solo hin, dass er aus 8 Metern Torentfernung abschließt und es steht 2:1 für die Borussia. Man merkt der Eintracht besonders an, dass sie am Donnerstag mit dem Training begonnen haben und ihnen noch die Kondition und die Feinabstimmung fehlt. Rohrbach, Heese und Hölzenbein wissen zwar durchaus zu überzeugen, doch Grabowski fehlt der ihm sonst innewohnende Esprit und auch die Entschlossenheit in seine Aktionen. In der Abwehr hat Kliemann gegen Brand weiterhin Schwierigkeiten, doch die Entscheidung führt Brinsa herbei. 11 Minuten vor dem Ende trifft er aus zehn Metern zum 3:1. Das ist auch der Endstand. Die Eintracht startet mit einer Niederlage in die neue Spielzeit. Sie wird es verschmerzen können. In drei Tagen wird die Elf von Trainer Ribbeck zudem bereits die Möglichkeit bekommen, die Scharte wieder auszuwetzen - das nächste Ligapokalspiel führt die Eintracht dann nach Mainz. In Mainz werden auch Bernd Nickel und Jürgen Kalb mit von der Partie sein, die mit der Olympia-Auswahl gegen Finnland antreten mussten, während ihre Kameraden in Neunkirchen verloren. Den beiden Frankfurtern ergeht es aber in Lübeck nicht besser, Derwalls Truppe fährt die nächste Niederlage ein, weil Bochums Torhüter Bradler zweimal patzt. "Jupp" Derwall gewinnt dem 1:2 dennoch eine gute Seite ab: "Das war schon besser, als beim 1:5 gegen Schweden." Der Trainer gibt aber zu: "Die Abwehr hat aber wieder das Spiel verschlafen. Wir müssen uns nichts vormachen: Uns bleibt unwahrscheinlich viel Arbeit bis München. Wir werden kleine Brötchen backen müssen. Hoffen wir, dass wir die Endrunde erreichen." Nickel muss sich keine Vorwürfe machen, er zeigte neben Haebermann, Wunder und – streckenweise – Hitzfeld eine befriedigende Leistung. Jürgen Kalb konnte wie viele andere nicht überzeugen, erzielte aber immerhin mit einem verwandelten Elfmeter nach 65 Minuten den zwischenzeitlichen Ausgleich. (rs)
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