1. FC Kaiserslautern - Eintracht
Frankfurt |
Bundesliga 1971/1972 - 28. Spieltag
1:1 (0:1)
Termin: Sa 15.04.1972, 15:30 Uhr
Zuschauer: 12.000
Schiedsrichter: Hans-Joachim Weyland (Oberhausen)
Tore: 0:1 Horst Heese (17.), 1:1 Idriz Hosic (65.)
1. FC Kaiserslautern | Eintracht Frankfurt |
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Trainer | Trainer |
Zahnverlust und Punktgewinn Im Kampf um den wichtigen fünften Tabellenplatz muss man sich schon etwas einfallen lassen, wenn man in der nächsten Saison europäische Fußballluft schnuppern möchte. Wenn es dann auch noch gegen einen direkten Konkurrenten um diesen fünften Platz geht, kann eine Mütze voll Schlaf schon einen wichtigen Unterschied ausmachen. Das fand auf jeden Fall Eintracht-Trainer Ribbeck und verhinderte mit dem Frankfurter Veto die Austragung des Spiels auf dem Betzenberg am gestrigen Freitagabend. Grund des Einspruchs der Hessen war die späte Rückkehr des schussgewaltigen Bernd Nickel am Freitagmittag vom Spiel der Olympia-Auswahl in der UdSSR. "Eine Nacht Schlaf muss ich dem Nickel wenigstens zugestehen, wenn ich etwas von ihm erwarten will", entschied Ribbeck. Die Eintracht kann sich in der Tat keine weiteren Ausfälle leisten, fehlen doch verletzungsbedingt weiterhin Jürgen Kalb und Thomas Parits. Bei Jürgen Grabowski muss man außerdem abwarten, wie er die Belastungen nach seiner ausgestandenen Verletzung verkraftet. Im Team des Gegners steht zudem ein Mann, der die Frankfurter nur zu gut kennt: Der Lauterer Kapitän Jürgen "Atze" Friedrich hat immerhin fünf Spielzeiten bei der Eintracht zugebracht. Die Frankfurter sind gewarnt, die letzten beiden Partien in der Pfalz verlor man jeweils mit 0:2. Aus den letzten fünf Heimspielen holten die Lauterer 10:0 Punkte. Doch - wie eingangs erwähnt – die Frankfurter haben sich in Person ihres Fußballlehrers Erich Ribbeck etwas einfallen lassen, um den zu erwarteten Sturmlauf der Gastgeber zu bremsen. Ribbeck startet einen weiteren Versuch, seiner Defensive in Auswärtsspielen endlich die dringend notwendige Stabilität zu verleihen, und bringt Hölzenbein als einzige Spitze. Grabowski, Heese und Weidle lassen sich zurückfallen, so dass die Eintracht – statt des üblichen 4-3-3 – mit einem 4-5-1-System agiert.
Die Lauterer kommen mit diesem Systemwechsel der Eintracht überhaupt nicht klar. Die Verwirrung in den Reihen der Pfälzer ist erheblich und die "roten Teufel" benötigen einige Zeit, bis sie im Defensivverbund eine verlässliche Ordnung gefunden haben. Bis dahin ist die Not groß: Wer soll wen decken? Und vor allen Dingen: wo? Nutznießer der Lauterer Unordnung ist auf Frankfurter Seite Bernd Hölzenbein, der in der Pfälzer Hälfte beharrlich auf seine Chancen lauert. Den ersten Knalleffekt verbucht in der 8. Minute jedoch der unsichere Gegenspieler von Hölzenbein, Schwager, der den Ball an die Latte des eigenen Tores bugsiert. In der 17. Minute hilft den Pfälzern aber auch kein Holz mehr: Horst Heese erzielt auf Flanke von Weidle mit einem herrlichen Kopfball die verdiente Frankfurter Führung. Drei Minuten später hat Hölzenbein die Vorentscheidung auf dem Fuß. Sensationell, wie er in der 20. Minute seinen Gegenspieler Schwager stehenlässt, aufs Tor stürmt, den Lauterer Torhüter Elting umspielt und dann ... nur den Pfosten trifft. Man könnte es den Spielern der Heimelf kaum verübeln, wenn ihnen nun ein "Gut Holz" über die Lippen rutschen würde. Die Eintracht hat die Partie nun im Griff. Die Kampfeslust der Gastgeber kann das zwar nicht bremsen, aber die Hessen halten unerwartet stark dagegen. Auf dem rutschigen Rasen, der den Ball schnell werden lässt, wird auf beiden Seiten kein Pardon gegeben. Allerdings wird die Grenze zum grob Unsportlichen von den Spielern nicht überschritten – so weit man das von der Tribüne aus beurteilen kann. Mit dem Spiel der Lauterer im ersten Durchgang können jedoch weder Fans noch Funktionäre zufrieden sein. "Miserabel, die spielen doch alle unter Form", schimpft Lauterns Präsident Willi Müller in der Halbzeit und DFB-Trainer Jupp Derwall sagt: "Was die zusammenspielen, hat sie Trainer Weise bestimmt nicht gelehrt." Zur Pause wechselt Dietrich Weise, der Trainer der Pfälzer, Idriz Hosic für den in den letzten Spielen erfolglosen Karlheinz Vogt ein. Hosic wurde vom Publikum bereits in der ersten Halbzeit stürmisch gefordert. Weise beweist mit diesem Wechsel eine glückliche Hand: Mit Hosic und dem festen Willen, die Eintracht in ihre Schranken zu weisen, kommen die Hausherren zur zweiten Halbzeit aus der Kabine. Und Hosic zeigt sich nicht nur in verschiedenen Situationen seinem Bewacher Horst Heese an Sprungkraft überlegen, er erzielt auch in der 65. Minute den Ausgleich für die Lauterer: Dr. Kunter kann einen Kopfball von Friedrich nicht festhalten und Hosic ist zur Stelle.
Insgesamt lässt die Heimelf den am Betzenberg üblichen Sturmlauf jedoch eher wie eine frische Brise ausfallen. Liegt das an dem kräfteraubenden Spiel der letzten Monate, dem die Lauterer am Ende der Saison Tribut zollen müssen, oder an der Kulisse von 12.000 Zuschauern? Willi Müller, der Präsident der Lauterer, ist allerdings mit dem Zuschauerbesuch zufrieden: "Wir hatten über 10.000 Zuschauer, und wenn es nicht so geregnet hätte, wären es noch 5.000 mehr gewesen." Von mehr Zuschauern kann man träumen, die Wirklichkeit sieht im Zuge des Bundesligaskandals anders aus: Nicht einmal 100.000 Zuschauer kommen an diesem Spieltag in die Stadien der professionellen Fußballer, zur Begegnung des VfB Stuttgart gegen den MSV Duisburg kamen lediglich 2.500 zahlende Fans, was den schwächsten Besuch in dieser Saison bedeutet. Die Siegprämie für die Spieler der Schwaben soll fast doppelt so hoch ausfallen wie die Gesamtnettoeinnahme bei dieser Partie … Es ist die gerechte Quittung der Zuschauer für die Spielmanipulationen der letzten Saison. In der Pfalz wird dagegen heute harter, aber ehrlicher Fußball geboten. Hinderlich ist für die Gastgeber natürlich, dass im Sturm Wolfgang Seel nach seiner Verletzung noch nicht im Vollbesitz seines Leistungsvermögens ist und in Rohrbach einen starken Gegenspieler hat. Da kann sich der beste Lauterer Jürgen Friedrich in seinem 200. Bundesligaspiel noch so mühen, etwas Zählbares will gegen die von Lutz und Trinklein umsichtig organisierte Frankfurter Deckung nicht mehr herausspringen. Nach vorne geht bei der Eintracht jedoch auch nicht mehr viel, zumal Bernd Nickel die Strapazen der letzten Wochen anzumerken sind. Der Mann mit der Nummer 7 ist - wie natürlich auch Grabowski nach seiner zweiten Verletzungspause - von der Bestform noch weit entfernt. Nickel, der wohl derzeit meistbeanspruchte deutsche Spitzenfußballer, ist einfach mit seinen Kräften am Ende. Nach 75 Minuten hat Trainer Ribbeck ein Einsehen und ersetzt den schwachen, weil körperlich ausgelaugten Nickel durch Ungewitter. Dieter Ungewitter trifft jedoch nach nicht einmal 120 Sekunden der Tritt eines Lauterers, der den Ex-Stuttgarter zur Inaktivität verurteilt und Ungewitters Auftritt bereits nach vier Minuten wieder beendet. Trainer Ribbeck wechselt den zuletzt oft glücklosen Ender Konca für den nicht minder unglücklichen Ungewitter ein. Auf den Endstand hat dies keine Auswirkung: Es bleibt bis zum Schluss beim 1:1. Neben Ungewitter ist auch Dr. Kunter angeschlagen: Er erlitt bei einem Zusammenprall mit Diehl eine Schienbeinprellung. Bernd Hölzenbein hat ebenfalls erwischt, er büßte ihm Zweikampf einen Zahn ein. Es wird ihm kein Trost sein, dass sich mit Dr. Kunter ein Zahnarzt unter seinen Kameraden befindet, der sich der Sache annehmen kann. "Die Härte ist für mich das Auffallendste an diesem Spiel", zeigt sich Andre Jucewicz, der Chefredakteur der größten polnischen Sportzeitung, überrascht: "So hart geht’s bei den Spitzenspielern der ersten Liga in Polen bestimmt nicht zu." "Wir können mit dem einen Punkt zufrieden sein. Mehr hatten wir nicht erwartet", sagt Eintracht-Trainer Erich Ribbeck, trauert aber auch den vergebenen Tormöglichkeiten hinterher: "Wenngleich ich sagen muss, dass wir in der ersten Halbzeit noch Chancen hatten, zwei weitere Treffer zu machen. In den ersten 45 Minuten hatten wir Chancen zu einem Sieg. Schade, dass dann Bernd Hölzenbein verletzt wurde." Lauterns Sturmdrang sei außerdem bei weitem "nicht so stark (gewesen), wie ich ihn erwartet hatte", findet Ribbeck. "Man merkt an diesem Spiel doch deutlich, dass eine strapazenreiche Saison zu Ende geht", findet der Lauterer Trainer Dietrich Weise, der mit dem Verhältnis von Aufwand und Ertrag bei seiner Elf nicht einverstanden ist: "Bei allen unseren Aktionen wird zu viel Kraft verbraucht. Wir versuchen, das mit Kraft zu erreichen, was andere mit weniger Einsatz, aber mehr Übersicht schaffen. Die clevere Eintracht ist hierfür ein gutes Beispiel. Im Übrigen bin ich froh, wenn endlich diese schwere Saison zu Ende ist!" Jürgen Friedrich ist überhaupt nicht zufrieden: "Zu Hause darf man gegen einen Mitkonkurrenten doch keinen Zähler abgeben! Die Eintracht will Fünfter werden, wir wollen es ebenfalls und können das Geld, das die Teilnahme am UEFA-Cup einbringt, gut gebrauchen. Dieses 1:1 war kein Erfolg für uns — schon eher ein Erfolg für die Eintracht." Zu allzu großer Unzufriedenheit besteht bei einem Blick auf die Tabelle jedoch kein Anlass, denn noch ist nichts entschieden: Die Eintracht verteidigt mit diesem Unentschieden ihren fünften Platz, die Lauterer schieben sich vom siebten auf den sechsten Rang nach vorne und liegen weiterhin einen Punkt hinter den Frankfurtern.
Der ausgewechselte Nickel lehnt nach dem Spiel in einem der unterirdischen Gänge des Betzenberg-Stadions an der Wand, schlägt sich mit der flachen Hand leicht auf den linken Oberschenkel und spricht das aus, wovon sich die Zuschauer über eine Stunde selbst überzeugen konnten: "Es geht nicht mehr! Ich habe ganz einfach keine Kraft mehr im Bein!" Nur einige Schritte von ihm entfernt trifft sein Trainer im Sanitätsraum des Stadions eine Entscheidung: "So dringend wir ihn auch benötigen: Bernd Nickel wird im eigenen Interesse wieder pausieren müssen. Gegen Arminia Bielefeld am kommenden Samstag ist er auf keinen Fall dabei." Stichwort Arminia Bielefeld: Nachdem das Urteil gegen die Ostwestfalen an diesem Wochenende Rechtskraft erlangt hat, rückt die Mannschaft auf den letzten Tabellenplatz und steigt am Ende der Saison mit null Toren und Punkten in die Regionalliga West ab. Die von Arminia Bielefeld ausgetragenen Spiele werden - so wie sie tatsächlich endeten - nur für den Gegner gewertet, für die Bielefelder gibt es keine Punkte zu erringen. Gleichwohl haben sie die Verpflichtung, die Punkterunde zu Ende zu spielen. Sollte später auch der Lizenzentzug gegen Rot-Weiß Oberhausen bestätigt werden, stünden beide Absteiger bereits fest. Der Beirat des DFB hat nämlich beschlossen, dass beim Entzug der Bundesliga-Lizenz für zwei oder mehr Vereine keine weiteren Clubs absteigen. Sollten mehr als zwei Vereinen die Lizenz entzogen werden, so erhalten die Zweiten der Aufstiegsrunde die Möglichkeit, sich für den Aufstieg in die Bundesliga zu qualifizieren.
Der Lizenzentzug von Rot-Weiß Oberhausen hatte
keinen Bestand. Der zweite Absteiger – Borussia Dortmund –
wurde auf sportlichem Weg ermittelt. (rs) |