Eintracht Frankfurt - Fortuna Düsseldorf

Bundesliga 1971/1972 - 23. Spieltag

4:2 (2:0)

Termin: Sa 04.03.1972, 15:30 Uhr
Zuschauer: 8.500
Schiedsrichter: Wolfgang Dittmer (Mutterstadt)
Tore: 1:0 Roland Weidle (45.), 2:0 Bernd Hölzenbein (45.), 3:0 Thomas Parits (51.), 3:1 Peter Biesenkamp (52.), 4:1 Bernd Nickel (70.), 4:2 Werner Lungwitz (79., Foulelfmeter)

 

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Eintracht Frankfurt Fortuna Düsseldorf

 


  • Kurt Büns
  • Egon Köhnen
  • Peter Biesenkamp
  • Werner Kriegler
  • Klaus Iwanzik
  • Reiner Geye
  • Heiner Baltes
  • Dieter Herzog
  • Fred Hesse
  • Klaus Budde
  • Hans Schulz

 

Wechsel Wechsel
  • Werner Lungwitz für Fred Hesse (30.)
  • Herbert Gronen für Peter Biesenkamp (56.)
Trainer Trainer
  • Heinz Lucas

 

Rechte Moral und rechter Knöchel

"Wir werden unseren Spielerkader auf 17 bis 18 Spieler verringern", formuliert Trainer Ribbeck vor dem Spiel gegen Düsseldorf das Ziel der Kaderplanung für die nächste Saison. In der Sportzeitung der Eintracht gibt er aber auch ein weiteres Vorhaben der Eintracht bekannt: "Der fünfte Platz ist unser Ziel." "Vor der Saison", räumt er ein, "haben wir, noch immer unter dem Eindruck der vergangenen, unsere Erwartungen nicht so hoch geschraubt. Auch das ist ein erstrebenswertes Ziel, und wir hoffen, dass das Publikum uns auf dem Wege dahin ebenso unterstützt wie vor einem Jahr auf dem Weg aus der Gefahrenzone. Allerdings ist uns auch klar, dass ein paar Punkte aus Auswärtsspielen dazu kommen müssen, wenn der fünfte Platz erreicht werden soll."

Doch bevor es ans Sammeln von Auswärtspunkten geht, muss nach der erwarteten Niederlage beim Tabellenführer aus Schalke erst einmal die Pflichtaufgabe gegen den Aufsteiger aus Düsseldorf erledigt werden. Mit einem Sieg gegen die Fortuna können die Frankfurter ihre Ansprüche auf den fünften Platz untermauern. Zu Hause ist Frankfurt bei 20:2 Punkten noch ungeschlagen, die Düsseldorfer dagegen haben noch keines ihrer fünf Rückrundenspiele gewonnen. Aber Trainer Ribbeck warnt dennoch vor den Neulingen: "Vorsicht, die Fortuna hat eine aufsteigende Tendenz!"

Auf Stammtorwart Dr. Kunter muss Ribbeck wegen einer Armverletzung verzichten, auf die Dienste von Thomas Rohrbach verzichtet er dagegen freiwillig. "Aus disziplinarischen Gründen" ist Rohrbach für diesen Samstag aus der Mannschaft verbannt. Gegen die auswärtsschwachen Rheinländer bauen die Hessen natürlich auch auf die Qualitäten des genesenen Kapitäns Jürgen Grabowski, der vor zehn Tagen im Pokal gegen Gladbach nach zehn Wochen Pause seine Rückkehr auf den Platz gefeiert hat.

Trotz Grabowski haben die Frankfurter gegen die beherzt kämpfende Fortuna aber unerwartet große Probleme. Gegen das Düsseldorfer Abwehrbollwerk findet die Eintracht kein geeignetes Mittel. Zu durchsichtig und einfallslos ist der Spielaufbau der Riederwälder, Torchancen bleiben Mangelware. Die Fortuna ist voll und ganz auf Abwehr eingestellt.

So wie die Eintracht spielt, ist aber auch kein Gedanke an die frühen Tore zu verschwenden, wie sie im Waldstadion fast schon zur Regel geworden sind. Wer gar auf ein Schützenfest gegen den Aufsteiger zu hoffen wagt, muss erleben, wie die Spitzen der Eintracht von den Gästen stumpf gemacht werden. Parits, der von Baltes hart genommen wird, und Ender, der sich kaum einmal durchsetzen kann, haben keine Durchschlagskraft, Nickel und Grabowski, die die Fäden ziehen sollen, ist das Garn ausgegangen.

Für Schwung sorgen aufseiten der Eintracht nur zwei Spieler: Bernd Hölzenbein und Roland Weidle. Weidle ist der Mr. Überall im Spiel der Eintracht und so emsig, dass es einer Arbeitsbiene zur Ehre gereichen könnte. "Holz", der zwar linker Außenverteidiger spielt, aber seinen Gegenspieler Hans Schulz zu seinem Verfolger macht, und demontiert besonders von der rechten Seite her die Düsseldorfer Deckung. Nur manchmal verpasst er den rechten Zeitpunkt für eine Flanke.

So ist denn lange Zeit eine unschöne Aktion von Heese die bemerkenswerteste der ersten Halbzeit. Einer der Besten bei der Fortuna, ihr Kapitän Fred Hesse, wird von Horst Heese bei einem Zweikampf unabsichtlich außer Gefecht gesetzt. Der Spielführer der Düsseldorfer muss in der 30. Minute humpelnd den Platz verlassen und wird von Werner Lungwitz ersetzt. Kurz später muss auch Biesenkamp nach einem "Bodycheck" von Heese zu Boden, aber er kann weiterspielen.


Feghelm weht einen Schuss von Geye ab

Friedel Lutz, der für Rohrbach spielt, hat die schwierigste Aufgabe, denn Düsseldorfs Torjäger Geye ist ein schneller und robuster Mann, der dem Senior im Eintracht-Team doch einige Schwierigkeiten bereitet. Ansonsten ist aber auch der Düsseldorfer Sturm so harmlos wie ein Wattebausch auf Kriegspfad. Die Fortuna führt zur Pause nach Eckbällen mit 7:3, aber lediglich in zwei Szenen müssen Siegbert Feghelm oder Friedel Lutz rettend einschreiten und ins Toraus klären.

Als alle sich mit dem torlosen Unentschieden zur Halbzeit abgefunden haben, schockt die Eintracht ihren Gegner mit einem Doppelschlag. In der 45. Minute weicht Thomas Parits auf den rechten Flügel aus und bringt eine Flanke in den Düsseldorfer Strafraum. Dem hervorragend aufgelegten Weidle ist es vorbehalten, die Flanke mit dem Kopf zu verwerten und die Frankfurter in Führung zu bringen. Die Düsseldorfer haben Anstoß, die Eintracht fängt den Ball ab, Hölzenbein nimmt ihn sich, startet ein Solo von der Mittellinie bis zum Strafraum, schickt einen Schuss in Richtung des Düsseldorfer Heiligtums los und die präzise getretene Kugel schlägt im unteren Toreck ein. Das 2:0 ist der verdiente Lohn für Hölzenbeins starke Leistung und gleichzeitig der Halbzeitstand, denn Schiedsrichter Dittmer pfeift nach dem Treffer erst gar nicht mehr an.

Die zweite Halbzeit beginnt so turbulent, wie die erste geendet hat. Zuerst startet Bernd Nickel ein schönes Solo, hat aber vor Büns den Ball auf dem rechten Fuß und zielt am Tor vorbei. Beim nächsten Angriff glänzt Grabowski, der im dritten Spiel nach seiner Verletzungspause noch etwas zurückhaltend und auch nicht fehlerfrei spielt, aber langsam zu alter Stärke zurückfindet. Es ist ein mutiger Flügellauf von Jürgen Grabowski, der für die nächste gefährliche Situation sorgt. "Grabi" setzt sich durch, schlägt eine schöne Flanke nach innen, wo Thomas Parits wenig Mühe hat, zum 3:0 zu vollenden. Das Spiel ist nach 53 Minuten entschieden. Doch um welchen Preis?


Grabowski verletzt

Bei dem Versuch, Grabowski an der Flanke zum 3:0 zu hindern, ist der eingewechselte Lungwitz mit einem langen Bein ein und dem Frankfurter Kapitän auf den Fuß gestiegen. Der schnelle Grabowski kann der Attacke seines übermotivierten, aber zu langsamen Gegenspielers nicht mehr ausweichen, wird voll getroffen und knickt mit dem rechten Fuß um. Der Kapitän muss zum Entsetzen der Eintrachtfans vom Platz geführt werden ... Helmut Schön, der die Szene im Waldstadion miterlebt, fährt ebenfalls der Schreck in die Glieder. Schließlich ist "Grabi" gerade erst von einer Knöchelverletzung am linken Fuß genesen und spielt als Rechtsaußen in den Überlegungen des Bundestrainers für die Länderspiele in Ungarn und gegen England eine Rolle.

Während Grabowski noch behandelt wird, gibt es einen Freistoß für die Düsseldorfer gegen die abgelenkte Eintracht-Defensive. Der lange Biesenkamp reckt sich im Eintracht-Strafraum nach dem von Iwanzik nach innen getretenen Ball, kommt mit der Stirn eher an das Leder, als der herauslaufende Feghelm, und köpft ins verlassene Tor. Da sah Feghelm nicht souverän aus, aber Dr. Peter Kunter nimmt seinen Vertreter in Schutz: "Das passiert jedem. Solch hohe Flanken von vorn, die dann verlängert werden, da weiß man nicht, wie man sie nehmen soll." Sei es, wie es sei


Das 4:1 durch Nickel

- nur eine Minute nach dem 3:0 ist der Fortuna das erste Tor gelungen. Doch Biesenkamp zahlt einen Preis für sein Tor: Er verletzt sich bei seinem Treffer und muss ebenfalls ausgewechselt werden. Gronen kommt für ihn in der 56. Minute aufs Feld, so wie Aust zwei Minuten zuvor für Grabowski.

Auch ohne Grabowski spielt die Eintracht mit dem 3:1 im Rücken weit besser, als sie es in der ersten Halbzeit vermochte. Die Chancen häufen sich und haben nur den Nachteil, dass sie fast alle vergeben werden. Bis zur 70. Minute, denn da wird Hölzenbein von einem seiner spektakulären Soli bis in den Strafraum der Düsseldorfer gebracht, wo er Nickel bedient, der sogar noch Torwart Büns austrickst, um den Ball dann zum 4:1 in die Maschen zu schieben.

Aber Hölzenbein und Nickel sind die nicht einzigen Frankfurter, die sich heute Sonderapplaus verdienen. Die 8.500 Zuschauer bedenken auch Friedel Lutz mit Beifall auf offener Szene, vielleicht, um den Senior der Eintracht nach den letzten schweren Wochen aufzumuntern, vielleicht auch, weil Lutz mit Geye die schwerste Aufgabe eines Abwehrspielers in dieser Partie hat. Heese hat es mit Budde, den er ebenso gut beherrscht wie das Reichel Herzog, deutlich leichter. Geye ist Fortunas gefährlichster Mann, aber auch fast allein auf weiter Flur.

Aufregung gibt es auf dem Platz und auf den Rängen noch einmal in der 79. Minute, als der weiterhin gefährlichste Angreifer im Strafraum der Eintracht zu Fall kommt: Geye stolpert über die Beine des rutschenden Trinklein und Dittmer stellt unter Beweis, dass er kein Heimschiedsrichter ist – er entscheidet auf Strafstoß. Übeltäter Lungwitz verwandelt sicher und bringt den Gast noch einmal auf 4:2 heran.


Bernd Hölzenbein in Aktion

Über den Elfmeter regen sich die Zuschauer fast mehr auf als die Spieler oder der Eintracht-Trainer, der zugibt: "Ich hätte den Elfmeter auch gegeben." Was die Eintrachtfans mehr verärgert als der verhängte Strafstoß, sind die, die Dittmers nicht geben mag. Hölzenbein und Weidle stürzen im Strafraum der Fortunen nicht weniger schön als Geye, zu einem weiteren Elfmeter kann sich der Unparteiische aber nicht durchringen.

Doch auch der mögliche, aber von Schiedsrichter Dittmer nicht gegebene Strafstoß für die Eintracht kann die Gemüter nach der Partie so sehr bewegen, wie die Frage nach der Schwere von Grabowskis Verletzung. Am Ende geht über der Sorge für den verletzten Kapitän der Frankfurter Eintracht der – vielleicht zu – teuer erkaufte Sieg ebenso unter wie die passable Leistung des Dr. Kunter-Ersatzes Feghelm und die Berufungen von Weidle und Hölzenbein in die "Elf des Tages" im "Kicker". Sollte "Grabi" wieder wochenlang ausfallen, könnte diese Schwächung die Eintracht im Kampf um Platz fünf entscheidend zurückwerfen, und der Sieg heute würde zu einem Pyrrhussieg ...

So gilt auch Trainer Ribbecks Gedanke seinem verletzten Kapitän: "Grabowski war nach langer Pause und drei Aufbauspielen endlich wieder voll da. Schade, dass Grabowski nun wieder ausfällt. Er hat sich erneut am rechten Knöchel verletzt und wurde gleich vom Stadion zum Röntgen gefahren." Grabowski, der zuvor am linken Knöchel verletzt war, stellt klar: "Diesmal ist’s der Knöchel rechts. Ich flankte zum 3:0, und Lungwitz wollte den Ball abwehren, doch er traf mich. Die Stollenabdrücke sind noch zu sehen. Ich kann nur hoffen, dass es diesmal nicht so lange dauert." "Ich weiß noch nicht, wie ich die Lücke schließe", sagt sein Trainer mit Blick auf die Auswärtsaufgabe am Dienstag in Köln: "Zur Auswahl stehen Rohrbach, Aust, Wirth oder Schämer. Ich will noch das Training am Montagmorgen abwarten."

"Die beiden schnellen Tore in der letzten Minute vor der Pause waren ein zu großer Schock für uns", klagt Fortuna-Trainer Lucas: "Ohne diese beiden Tore und ohne die Verletzung unseres Mittelfeldmotors Hesse hätten wir den Punkt mitnehmen können, mit dem wir kalkuliert hatten." "Düsseldorf hat in der ersten Halbzeit taktisch sehr geschickt gespielt", bestätigt Ribbeck seinen Kollegen. "Eine gute Leistung meiner Mannschaft", hat Ribbeck aber auch gesehen und hebt zwei seiner Spieler besonders hervor: "Diese Partie war das Spiel von Weidle und Hölzenbein, den diesmal mit Abstand besten Leuten in unserer Mannschaft." Der Eintrachttrainer knausert heute nicht mit positiven Urteilen und so geht auch der nicht unumstrittene Routinier der Frankfurter Elf nicht leer aus: "Das Comeback von Friedel Lutz war erfolgreich!"

"Wir haben verdient, vielleicht sogar etwas zu knapp gewonnen", schließt Ribbeck seine Analyse und verweist auf die Chancen und Spielanteile seiner Elf im Vergleich zu den Gästen: "Es war doch ein Spiel auf ein Tor!" Horst Heese will aber auch Umstand der äußeren Bedingungen gewürdigt wissen: "Der schwere Boden hat viel Kraft gekostet." Ob knapp oder kraftlos, die Eintracht hat gewonnen und steht nun wieder da, wo nicht nur der Trainer sie gerne sehen will - auf Platz fünf der Tabelle. Der Neuling aus Düsseldorf bleibt auf Rang 14. "Wir sind unter Wert geschlagen. Deshalb ist unsere Moral auch nicht geknickt", bestimmt Gästetrainer Lucas.

Die Düsseldorfer Moral nicht, Jürgen Grabowskis Knöchel aber leider schon. Und so trifft sich der Eintrachtkapitän am Sonntagmorgen mit seinem Trainer im Höchster Krankenhaus, wo er am Vortag auch geröntgt wurde. Ob er wieder Gips tragen muss, entscheidet sich am Mittwoch. ""Das Einzige, was mich optimistisch stimmt, ist die Tatsache, dass mich der Tritt von Lungwitz oberhalb des Gelenkes traf. Im Dezember zog sich die ganze Schwellung über das Gelenk", berichtet Grabowski, bevor er mit einem Salben- und Borwasserverband und auf Krücken heim nach Biebrich kehren darf: "Ich glaube, dass es diesmal nicht so schlimm ist wie beim ersten Mal. Aber die Schmerzen sind genau so groß." Und drei bis vier Wochen wird der Grabowski der Eintracht sicher fehlen … (rs)

 


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