Eintracht Frankfurt - Dynamo Kiew

Freundschaftsspiel 1971/1972

0:2 (0:1)

Termin: 15.02.1972
Zuschauer: 7.000
Schiedsrichter: Tschenscher (Mannheim)
Tore: 0:1 Pusatch (14.), 0:2 Pusatch (75.)

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt Dynamo Kiew

  • Kunter
  • Wirth
  • Lutz
  • Trinklein
  • Rohrbach
  • Heese
  • Kalb
  • Weilde
  • Parits
  • Hölzenbein
  • Konca

 


  • Rudakow
  • Dozenko
  • Sossnichin
  • Matwijenko
  • Reschko
  • Trochkin
  • Muntian
  • Pusatch
  • Bychowez
  • Meremejew
  • Kolotow

 

Wechsel
  • Reichel für Kalb (43.)
  • Aust für Wirth (46.)
  • Schämer für Lutz (46.)
Wechsel
  • Fomenko für Dozenko (46.)
  • Chmelnizki für Bychowez (46.)
Trainer Trainer
  • Alexander Sewidow

 

Freikarten an Fastnacht

Um 20.00 Uhr landet die Maschine mit dem Team von Dynamo Kiew planmäßig auf Rhein-Main. Ein Drittel der stattlichen ukrainischen Gesandtschaft, die aus 20 Spielern und 6 Begleitern besteht, ist im unübersichtlichen Gewusel der Ankunftshalle auf dem Frankfurter Flughafen leicht als die erwarteten Gäste aus Kiew zu identifizieren. Die Pelzmützen weisen ihre Träger unverkennbar und besser als ein Reisepass aus.

Die Begrüßung der Aktiven und der Funktionäre von Dynamo Kiew durch ihre Gastgeberin Eintracht Frankfurt, die vom Vereinspräsidenten Albert Zellekens und dem Geschäftsführer Jürgen Gerhardt vertreten wird, fällt leider sehr kurz aus. Die Sowjets legen Wert darauf, gleich nach der Ankunft mit dem Bus zu ihrer Unterkunft gebracht zu werden: Die Sportschule Grünberg wird die Delegation aus der UdSSR während ihres Aufenthaltes in Hessen beherbergen. Nun ja, vielleicht wollen die Gäste ja auch nur dem närrischen Treiben der Fastnachtstage entgehen …

Am langen und anstrengenden Flug kann es jedenfalls nicht liegen, dass sich die Gäste so schnell wieder verabschieden, denn den haben sie nicht gehabt: Der sowjetische Fußballmeister kommt nämlich direkt aus England, wo er gegen den schottischen Tabellenführer Celtic Glasgow am Montag knapp mit 0:1 unterlag und am Dienstag beim englischen Tabellensiebten Sheffield United einen ebenso knappen 2:1-Sieg landete. Am kommenden Dienstag um 15.30 Uhr ist Dynamo Kiew nun im Waldstadion Gegner der Frankfurter Eintracht und dann werden die Sowjets zumindest das ganze Spiel über ausharren müssen.

Die Vorstandschaft der Eintracht hat sich für dieses Freundschaftsspiel etwas Besonderes einfallen lassen: Beim traditionellen Fastnachtsumzug durch die Stadt Frankfurt am Sonntag wird eine "Fußballkanone" 5.000 Freikarten für die Partie gegen Dynamo Kiew in die Menschenmenge katapultieren. Ein gelungener Werbegag, sagen die einen, etwas weniger wohlwollende Zungen lästern dagegen: Wer Karten nicht verkaufen kann, der muss sie eben verschleudern.

Verschleudert ist allerdings nur die Zeit derjenigen, die die Fastnacht am Dienstag im Waldstadion in der Hoffnung auf ein gutes Spiel der Frankfurter Eintracht ausklingen lassen wollen. Die Hessen enttäuschen in allen Belangen und auf ganzer Linie.

Kiew, das mit dieser Partie eine14-tägige Tournee durch Westeuropa beendet, bestätigt dagegen die Leistungen während der bisherigen Reise. Neben den Spielen in Großbritannien haben die Ukrainer auch bei ihrem vierten Platz beim internationalen Hallenturnier in Wien überzeugen können. Bevor es nun am Aschermittwoch über Kopenhagen nach Kiew zurückgeht, zeigen sie in Frankfurt eine ansehnliche Probe ihrer nicht geringen Künste. Wie – zumindest im Normalfall - bei der Eintracht zählt eine perfekte Technik zu den stärksten Waffen der Elf.

Ob die Eintracht das Spiel nicht ernst genug genommen oder die Mannschaft aus Kiew unterschätzt hat? Das Letztere wäre fährlässig, denn dass eine Elf, die mit sieben Punkten Vorsprung den sowjetischen Titel gewonnen hat, keine Laufkundschaft ist, die man im Vorübergehen abfertigen kann, musste jedem Frankfurter Spieler bereits vor dem Anpfiff bewusst sein. Die schwache Leistung der Eintracht ist weder mit den Fastnachtstagen noch mit der Tatsache zu entschuldigen, dass Trainer Erich Ribbeck mit Bernd Nickel und Jürgen Grabowski auf zwei seiner besten Spieler verzichten muss.

Sicher, die Sowjets haben sich seit dem 10. Februar in der Sportschule auf dieses Spiel vorbereitet und treten mit all ihren Assen an. Darunter ist auch Rudakow, der Nachfolger des legendären Torwarts Jaschin. Das sowjetische Fußballpublikum kürte Rudakow zum "Sportler des Jahres", während die Journalisten seinem Vordermann, dem offensiven Mittelfeldspieler Kolotow, diesen Titel verliehen.

Das Team von Kiew hat unbestritten internationale Klasse, insgesamt stehen nicht weniger als fünf Teilnehmer der WM in Mexiko in den Reihen des sowjetischen Meisters, so dass die 0:2-Niederlage am Ende vom Ergebnis her noch zu erklären wäre. Doch ärger als die erste Saisonheimniederlage der Eintracht wiegen die wirklich haarsträubenden Schnitzer, die die Gastgeber sich erlauben. Als hätte die Defensive der Riederwälder in der Nacht zuvor ordentlich über den Durst getrunken, sorgt die Heimmannschaft unter den nur 7.000 Zuschauern schon einen Tag vor Aschermittwoch für Katerstimmung. Bei diesen Fehlern könnten die Gäste auch getrost aus dem Stand spielen und doch den Sieg davontragen. Allein Trinklein und Hölzenbein wissen sich zu wehren, doch die beiden stehen mit ihren guten Leistungen auf verlorenem Posten.


Erste Besucherin am Krankenbett
ihres Mannes: Irmgard Kalb

Noch schwerer als die unerfreuliche Darbietung der Eintracht wiegt jedoch die schlimme Verletzung des zuletzt wiedererstarkten Jürgen Kalb. Der frischgebackene Familienvater und Olympiaamateur zieht sich eine komplizierte Sehnenverletzung am rechten Knöchel zu, die noch am Abend im Höchster Krankenhaus operiert werden muss.

"Acht Wochen muss Kalb wegen seiner Knöchelverletzung pausieren", klagt Geschäftsführer Jürgen Gerhardt am nächsten Tag. Der Verletzte liegt derweil im 12. Stock des Höchster Krankenhauses und hofft, in der nächsten Woche mit einem Gehgips wieder nach Hause entlassen zu werden. So müsste ihn – im Gegensatz zur Eintracht - wenigstens seine kleine Tochter nicht länger entbehren. (rs)


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