Borussia Mönchengladbach
- Eintracht Frankfurt |
DFB-Pokal 1971/1972 - Achtelfinale, Hinspiel
4:2 (1:0)
Termin: 12. 02. 1972
Zuschauer: 6.000
Schiedsrichter: Ferdinand Biwersi (Bliesransbach)
Tore: 1:0 Ulrik le Fevre (16.), 1:1 Bernd Nickel (47.), 1:2 Ender Konca (49.), 2:2 Rainer Bonhof (62.), 3:2 Hans-Jürgen Wittkamp (69.), 4:2 Bernd Nickel (75., Eigentor)
Borussia Mönchengladbach | Eintracht Frankfurt |
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Wie Anfänger "Wir wollen Revanche für das blamable 2:4 vom März 1971", verkündet Jupp Derwall vor dem Spiel am Freitag in Aachen gegen Luxemburg. Mit von der Partie sind die beiden Eintrachtspieler Jürgen Kalb und Bernd Nickel. Der Start der Olympiaauswahl des DFB ist in der Tat vielversprechend, denn bereits nach 70 Sekunden liegt der Ball erstmals im Netz der Gäste. Rudi Seliger hat eine Vorlage von Uli Hoeneß, der sich am rechten Flügel durchsetzten konnte, verwertet. Gegen die mit einer Raumdeckung operierenden Luxemburger kombinieren die Deutschen gefällig, doch in der 19. Minute erzielt Jean-Paul Martin für die Gäste nach einer zu kurzen Abwehr von Kapitän Bleidick den überraschenden Ausgleich. Drei Minuten später könnten die Luxemburger gar führen, doch Gilbert Dussier trifft nur die Latte. Die DFB-Auswahl ist dem Gegner in der Folge zwar deutlich überlegen, kommt auch zu einer Reihe von Chancen, doch das nächste Tor erzielen wieder die Gäste: Nach einer Stunde trifft Dussier aus 18 Metern besser als in der 22. Minute. Es ist Dussiers fünftes Tor für die Nationalmannschaft von Luxemburg, die ersten beiden erzielte er in seinem 2. Länderspiel vor 11 Monaten beim eingangs erwähnten 4:2-Sieg gegen Derwalls Truppe. Die anderen beiden Treffer gelangen Dussier gegen Österreich und die DDR – deutschsprachige Mannschaften scheinen ihm zu liegen. Es ist Bernd Nickel, der die DFB-Auswahl vor einer erneuten Blamage bewahrt. In der 65. Minute wird sein Schuss aus etwa 20 Metern Entfernung abgefälscht und landet zum 2:2 im Tor der Luxemburger. Derwalls Mannen schrauben in der letzten Viertelstunde zwar das Eckenverhältnis auf 14:1, doch am Ergebnis ändern sie nichts mehr. Während nicht wenige der 5.000 Zuschauer deutlich machen, dass sie mit dem Einsatz und dem Ergebnis nicht einverstanden sind, ist Jupp Derwall seinem Team wegen des verpassten Sieges gegen den Außenseiter nicht böse: "Wir haben doch eine gute Leistung gezeigt. Die Spielanlage konnte zufriedenstellen." Kalb und Nickel können sich auf ihren guten Leistungen indes nicht ausruhen. Schon einen Tag nach dem Länderspiel müssen sie – wie ihr Olympiaauswahl-Kapitän Kapitän Hartwig Bleidick - erneut antreten, dieses Mal für ihren Verein im Hinspiel des DFB-Pokals auf dem Bökelberg. Die Heimspielstätte des amtierenden Deutschen Meisters war für die Frankfurter in den ersten fünf Spielzeiten nach dem Aufstieg der Gladbacher immer eine Reise wert. Nicht eine Partie ging dort verloren, zwei Heimspiele der Borussen sahen die Eintracht als Sieger vom Platz gehen. Dieses Bild hat sich jedoch bei den letzten beiden Gastspielen der Hessen am Niederrhein völlig verändert. In der letzten Saison erlebte die Eintracht am Bökelberg ein 0:5-Debakel und in der laufenden Spielzeit bekam man von den Gladbachern gar ein halbes Dutzend eingeschenkt – 2:6 ging die Eintracht trotz einer 1:0-Führung durch Ender Koncas erstes Pflichtspieltor nach nicht einmal 60 Sekunden unter. Hinzu kommt die eklatante Auswärtsschwäche der Frankfurter, die in dieser Spielzeit lediglich in Bielefeld gewinnen und beim VfB Stuttgart ein Remis erzwingen konnten. Bei den Gladbachern fehlt – wie schon beim 1:1 im Nachholspiel gegen den VfL Bochum – Berti Vogts, der am Meniskus operiert wurde. Auf dem Platz steht dagegen Kapitän Günter Netzer, der bei seinem Autounfall gestern mit dem Schrecken davon gekommen ist. Trainer Ribbeck lässt die Eintracht in der Aufstellung beginnen, mit der er zuletzt in Bremen eine 1:3-Niederlage bezogen hat. Die Partie vor nur 6.000 Zuschauern beginnt nicht nach dem Geschmack der Gäste. Die Gladbacher sind feldüberlegen und gehen nach etwas mehr als einer Viertelstunde in Front. Ulrik le Fevre, der dänische Nationalspieler Ulrik Le Fevre, der beim mühevollen Unentschieden gegen den VfL Bochum nicht dabei war, erzielt in der 16. Minute das 1:0. Fünf Minuten später ereilt die Eintracht der nächste Schlag: Außenverteidiger "Kalla" Wirth, der schon in Bremen nur etwas länger als eine halbe Stunde zur Verfügung gestanden hat, muss auch heute den Platz vorzeitig verlassen. Er wird von Thomas Rohrbach ersetzt. Auf der Gegenseite ist mit le Fevre weiterhin der "Torschütze des Jahres" 1971 der gefährlichste Stürmer auf dem Platz. Sein Gegenspieler Weidle hat seine liebe Not, dem Entlaufenen nachzueilen, wenn der den Schwaben wieder einmal hat stehen lassen, wie eine unerwünschte Straßenbekanntschaft. Wenn man den Hausherren in dieser Phase des Spiels einen Vorwurf machen möchte, dann den, die Überlegenheit nicht in eine komfortablere Führung umzumünzen. So geht es mit dem 1:0 in die Pause. Beim Wiederanpfiff durch Schiedsrichter Biwersi stehen sich beide Teams unverändert gegenüber, doch die Eintracht erwischt den deutlich besseren Start in die zweite Hälfte. Es sind keine zwei Minuten gespielt, als Bernd Nickel sich den Ball zu einem Freistoß zurecht legen kann. Und gleich darauf bekommen die Zuschauer eine Kostprobe der Spezialität aus dem Hause "Dr. Hammer", einer unverdauliche für Torhüter Kleff allerdings, der bei diesem Geschoss Nickels ohne Abwehrchance ist. In der 49. Minute kommt es für die Gäste noch besser. Ender Konca, nicht eben groß von Wuchs, fühlt sich auf dem etwas höher gelegenen Bökelberg offensichtlich wohl, denn wie im Bundesligaspiel trifft er auch heute. Aus kurzer Distanz drückt Konca das Leder zum 2:l für die Eintracht ins Netz. Borussia Mönchengladbachs Trainer Weisweiler ist sich zu diesem Zeitpunkt sicher: "Jetzt ist das Spiel für uns verloren. Unsere Jungs sind zu nervös geworden." Anmerken lässt er sich das allerdings nicht. Im Gegenteil, er springt von seinem Platz auf und läuft an den Spielfeldrand, um seiner Mannschaft neue Anweisungen zu geben. Sein Kapitän Netzer, obgleich nicht in bester Verfassung, tut es ihm gleich. Er feuert seine Kameraden lautstark an: "Das haben wir noch nicht verloren." Wer Netzer vorwirft, der Mann könne nicht kämpfen, sollte heute dabei sein.
Angetrieben von ihrem Mannschaftsführer kommen die Gladbacher ins Spiel zurück und nach 62 Minuten auch zum 2:2-Ausgleich. Rainer Bonhof ist der Torschütze. Nun ist er Doppelschlag der Eintracht endgültig verdaut und einmal im Schwung legen die Borussen sieben Minuten später nach. Es ist der zu Saisonbeginn von Schalke an den Bökelberg gewechselte Hans-Jürgen Wittkamp, der vollstreckt und die Gastgeber erneut in Führung bringt. Erich Ribbeck hat genug gesehen und erlöst Roland Weidle. Außenverteidiger Peter Reichel kommt für den Schwaben nach 73 Minuten in die Partie. In der folgende Minute reagiert auch Weisweiler und wechselt Christian Kulik für den erschöpften Hartwig Bleidick ein. Obwohl die Eintracht ihre Führung aus der Hand gegeben hat, könnte sie mit der knappen Niederlage ganz gut leben: Das 3:2 ist für die Gladbacher kein allzu komfortables Polster für das Rückspiel im Frankfurt Waldstadion. Kein Wunder also, dass die Gastgeber auf ein viertes Tor spielen. Und sie haben kurz nach Kuliks Einwechslung Erfolg. Nickel, der gestern noch bei der Olympiaauswahl von einem abgefälschten Schuss profitierte, ist heute der Unglückselige, der einem Ball von Bonhof für Dr. Kunter unerreichbar ins eigene Tor platziert. 4:2 – diesen Vorsprung gilt es zu verteidigen und das tun die Gladbacher nun auch, allen voran Günter Netzer, der die letzten Minuten angeschlagen über das Spielfeld humpelt. Keine Frage, diesen Sieg hat sich Weisweilers Elf nach dem Rückstand mit großartigem Einsatz verdient. "Wenn es in der Meisterschaft nicht klappt, werden wir ganz bestimmt im Vereinspokal noch mitmischen", verspricht der zufriedene Gladbacher Trainer denn auch unter dem Eindruck der letzten 40 Spielminuten. Frankfurts Trainer Erich Ribbeck findet lobende Worte nur für den Gegner, vor allem für Ulrik le Fevre: "Der alleine hat unsere Hintermannschaft durcheinandergewirbelt." Ribbeck ist angesichts der Niederlage fassungslos und sucht sein seelisches Gleichgewicht durch eine Flucht in die Ironie wiederherzustellen. "Ich habe da nicht mit einem Sieg gerechnet, ich kenne doch meine Jungs", antwortet er mit Blick auf die vergebene 2:1-Führung seiner Mannschaft. Ribbeck, der sich eine knappe Niederlage als Ausgangssituation für das Rückspiel gewünscht hatte, ist wieder einmal angefressen und zeigt das der Öffentlichkeit deutlich, in dem er seiner Mannschaft wieder einmal verbale Hiebe verpasst: "Da spielen sie schon jahrelang Fußball, aber gelernt haben sie es immer noch nicht. Wie Anfänger haben sie manchmal ausgesehen", lästert der Fußballlehrer über seine Spieler. Die haben nun in kurzer Zeit in drei Spielen Gelegenheit, auf ihren Trainer wie Profis zu wirken: Dem Freundschaftsspiel gegen Kiew folgt am nächsten Wochenende das Heimspiel gegen Dortmund und in zehn Tagen das Rückspiel gegen die Gladbacher.
Gilbert Dussier, der Luxemburger, der gegen deutschsprachige Mannschaften so gut trifft, kommt zwei Jahre nach dem Länderspiel gegen die Olympiaauswahl nach Deutschland. Er spielt in der in der Saison 1974/75 für den Aufsteiger Röchling Völklingen in der 2. Bundesliga Süd. Mit seinen 17 Toren trägt er als erfolgreichster Torschütze der Völklinger entscheidend zum Klassenerhalt bei, obwohl er nur in 27 der 38 Punktspiele dabei sein kann. Danach spielt Dussier in Frankreich zwei Jahre für
den Erstligaaufsteiger AS Nancy und eine Saison für den OSC Lille.
Für den belgischen Klub THOR Waterschei kann Gilbert Dussier 1978/79
nur noch in drei Pflichtspielen auflaufen: Am 3. Januar 1979 stirbt er
an Leukämie - nicht einmal 14 Tage nach seinem 29. Geburtstag. (rs) |