Fortuna Düsseldorf - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1971/1972 - 6. Spieltag

1:0 (0:0)

Termin: Sa 11.09.1971, 15:30 Uhr
Zuschauer: 22.000
Schiedsrichter: Gerhard Schulenburg (Hamburg)
Tore: 1:0 Klaus Budde (85.)

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Fortuna Düsseldorf Eintracht Frankfurt

  • Wilfried Woyke
  • Heiner Baltes
  • Werner Lungwitz
  • Werner Kriegler
  • Egon Köhnen
  • Reiner Geye
  • Hans Schulz
  • Dieter Herzog
  • Fred Hesse
  • Klaus Budde
  • Peter Biesenkamp

 


 

Wechsel
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Trainer
  • Heinz Lucas
Trainer

Auch der defensive Auswärtsanzug passt nicht

Die Fortuna ist zurück in der Bundesliga. Nachdem sie im Gründungsjahr gemeinsam mit Aachen und Herne gegenüber dem MSV das Nachsehen hatte und ihr Gastspiel nach dem ersten Aufstieg 1966 nach nur einer Saison wieder beendet war, hat sich der Verein aus Flingern in der Aufstiegsrunde souverän und ohne Niederlage durchgesetzt.

Viele trauen der Rückkehrerin nicht mehr zu, als eine Wiederholung der einjährigen Tournee durch die Stadien der 1. Liga, doch die Ergebnisse der ersten Spieltage lassen die Fans der Düsseldorfer hoffen. Nach der erwarteten Auftaktniederlage bei den Bayern haben die Fortunen Hannover geschlagen, in Duisburg und gegen den HSV Unentschieden gespielt, sowie am letzten Wochenende bei den schwächelnden Kölner mit 2:1 gewonnen. Der Lohn für diese Leistungen ist ein unerwarteter 6. Platz.

Dabei haben die Düsseldorfer ihren letztjährigen Stammtorwart Bernd Franke an Eintracht Braunschweig verloren sowie den kurzfristigen Ausfall Robert Begeraus verkraften müssen. Bei der ärztlichen Untersuchung vor der Bundesligasaison wurde diagnostiziert, dass bei weiterem Leistungssport Begeraus linkes Knie schwer geschädigt werden und versteifen könnte. Die bereits erlittenen Verschleißerscheinungen machen eine Fortsetzung der Profikarriere unmöglich. Robert Begerau ist für die Fortuna spielerisch nicht zu ersetzen, für einen adäquaten Ersatz fehlt dem Verein jedoch das Geld.

Die Frankfurter sind finanziell auch nicht auf Rosen gebettet, haben jedoch zurzeit mit einem anderen Problem zu kämpfen: den zwei Gesichtern der Eintracht in dieser Saison. Die sehen so aus: zu Hause eine Macht, die es mit den stärksten Teams der Liga scheinbar mühelos aufnimmt, auf fremden Plätzen jedoch ein williger Punktelieferant. Die Ursache für die Auswärtsschwäche der Frankfurter hat Trainer Ribbeck in der Defensive der Eintracht ausgemacht. Zehn Gegentore in fünf Spielen - davon allein neun auswärts - sprechen für ihn eine eindeutige Sprache. Ribbeck setzt deswegen auf Kosten der dritten Spitze auf ein verstärktes Mittelfeld und zieht Nickel aus dem Sturm wieder in den dahinter postierten Mannschaftsteil zurück. Den vierten Mittelfeldspieler muss zudem Horst Heese defensiv interpretieren. Der in den letzten Wochen schwächste Frankfurter Angreifer Ender Konca nimmt erneut auf der Ersatzbank Platz, während Parits und Grabowski den Sturm der Gäste bilden. Fortunatrainer Lucas wählt dieselbe Variante: Vor einem Vierermittelfeld mit Schulz, Hesse und Biesenkamp stürmen Geye und Herzog.

Der Offensive der Eintracht bekommt die taktische Umstellung ihres Trainers jedoch überhaupt nicht. Die Frankfurter erspielen sich zunächst keine Torchance. Ganz anders die Fortuna, die mit einem Selbstbewusstsein auftritt, das ihrem aktuellen Tabellenplatz entspricht. Während bei der Eintracht Parits auf sich allein gestellt ist, unterstützt Düsseldorf seine beiden Spitzen durch Nachschub aus den hinteren Regionen: Köhnen, der Bewacher von Grabowski, und Vorstopper Kriegler, der Nickel beschatten soll, haben immer wieder die Gelegenheit, sich in den Angriff ihrer Elf einzuschalten, weil ihre Gegenspieler defensiv ausgerichtet sind und oft weit zurückhängend agieren.

In der 35. Minute scheint dann die verdiente Führung für die Düsseldorfer unausweichlich. Herzog hechtet in eine Flanke von Biesenkamp und der Ball ist auf dem Weg ins Tor, als Trinklein den Treffer der Gastgeber im Stile eines Torwarts vereitelt. Selbst auf der Tribüne ist das Handspiel des Frankfurter Liberos gut zu erkennen, Schiedsrichter Schulenburg jedoch kann keine Regelwidrigkeit erkennen. Des Schiedsrichters Pfeife bleibt tatsächlich stumm, den lautstarken Protesten der Fortunen zum Trotz.

Im Gegenzug kommt die Eintracht durch ihren besten Spieler Jürgen Grabowski zur ersten eigenen Chance: Grabi taucht plötzlich frei vor dem Düsseldorfer Gehäuse auf. Keeper Woyke wirft sich ihm mutig entgegen und verhindert mit seiner Parade die mögliche Frankfurter Führung. Diese hätte den Spielverlauf auch auf den Kopf gestellt.

Keine Frage, selbst das Unentschieden zur Halbzeit ist schmeichelhaft für die Gäste. Neuzugang Parits hängt im Sturm in der Luft und sieht gegen den Olympia-Amateur Baltes kein Land. Trainer Ribbeck nimmt seinen einzigen Angreifer, der auch von der mit Defensivaufgaben beschäftigten anderen nominellen Spitze, Grabowski, kaum Unterstützung erwarten darf, in Schutz. Ribbeck hofft offensichtlich auf einen Geniestreich: „Baltes ist zwar sehr gut, aber wehe, wenn er Parits einmal aus den Augen lässt …"

Doch auch in der zweiten Halbzeit setzt sich das aus dem ersten Abschnitt gewohnte Bild fort: Die Fortuna ist im Angriff und die Eintracht hat dem kaum etwas entgegenzusetzen. Die deutliche Überlegenheit des Aufsteigers wird zunächst jedoch nicht belohnt.
Dafür wird in der 68. Minute Thomas Parits erlöst. Auch sein Trainer hat nun erkannt, dass der österreichische Nationalspieler, der in den letzten Wochen fast immer überzeugen konnte, an diesem Tag gegen seinen Gegenspieler Baltes keinen Stich mehr machen wird und wechselt wie gegen Schalke Aust ein. Baltes beherrschte nicht nur Parits sicher, er entwickelt sich darüber hinaus zum besten Spieler auf dem Platz.

Die Fortuna dominiert ihren ungefährlichen Gegner nach Belieben. Das erlösende Tor bleibt den Düsseldorfern jedoch weiterhin versagt. Reiner Geye, der Sturmführer der Rheinländer, der den Neuling mit seinen Toren den Weg zurück in die Bundesliga geebnet hat, bleibt auch im sechsten Spiel ohne Treffer.

Überraschend hat Hölzenbein in der 67. Minute die Führung für die Hessen auf dem Fuß, aber er scheitert ebenso an Torhüter Woyke wie kurz vorher die Düsseldorfer, als Dr. Kunter zwei tolle Schüsse abfangen konnte. In der Schlussphase des Spiels wird die Eintracht dann ein bisschen offensiver, in der Hoffnung hier vielleicht sogar zwei Punkte mitnehmen zu können. Belohnt wird das späte Engagement aber nicht mehr, im Gegenteil.


Kunter geschlagen -
Budde bejubelt das 1:0

Ob es nun daran liegt, dass die Eintracht offensiver agiert oder zu spät mit dem Mitspielen angefangen hat, wird ungeklärt bleiben, eindeutig ist nur, dass Fortunas Gunst sich zu der Mannschaft wendet, die ihren Namen trägt. 85 Minuten sind gespielt, als Kriegler eine Flanke in den Fünfmeterraum bringt. Filigrantechniker Klaus Budde ist zur Stelle und aus kurzer Distanz schiebt er den Ball am machtlosen Dr. Kunter vorbei. Hier kommt selbst der ausgezeichnete Frankfurter Schlussmann zu spät.

Die Geduld der 22.000 Zuschauer und der unermüdliche Einsatz der Hausherren werden belohnt, denn auf diesen Treffer haben die Hessen in den letzten fünf Minuten keine Antwort mehr. Zum ersten Mal seit dem 27. März bleibt die Eintracht ohne Torerfolg und verliert das Spiel. Ein ungewohntes Gefühl für Hesse, Köhnen und Lungwitz in Punktspielen gegen die Eintracht – 66/67 waren die drei Düsseldorfer bereits dabei, als mit der Fortuna gegen Grabowski und Dr. Kunter auf der Gegenseite beide Begegnungen verloren gingen.

Durch diese Niederlage verlieren die Frankfurter zwei Plätze und stehen nach dem 6. Spieltag auf Rang 12, die Fortuna schiebt sich vom 6. auf den 4. Platz. Der Düsseldorfer Heiner Baltes steht nach seiner starken Leistung selbstverständlich im „Kicker" in der „Elf des Tages". Dass Jürgen Grabowski schon zum dritten Mal diese Wertschätzung zuteil wird, kann den Schmerz der Frankfurter über die erneute Auswärtsniederlage nicht lindern.

"Ich hätte ein Tor schießen können", erklärt der Kapitän der Eintracht nach dem Spiel fast entschuldigend, "aber Woyke lag mit seinem Kopf genau vor meinen Füßen. Und ich bin im Nachhinein glücklich, nicht zugetreten zu haben. Es wäre zwar ein Tor geworden, aber Woyke wäre mit Sicherheit auch verletzt worden." Und der Zweck heiligt eben nicht immer die Mittel.

Für Grabi geht eine abwechslungsreiche Woche zu Ende. Vor der Niederlage heute siegte er mit der DFB-Auswahl in Hannover gegen Mexiko mit 5:0. Beim Kantersieg widerfuhr dem Frankfurter jedoch das Schicksal, das er in Helmut Schöns Elf zur Genüge kennt: Auf Rechtsaußen taktisch angeleint, ist er von den Anspielen abhängig, die ihn auf dem Flügel erreichen. Das waren am Mittwoch nicht allzu viele, das Spiel wurde in der Mitte von Beckenbauer und Netzer dominiert. Grabi mag es aber ein Trost sein, dass er nach einer Viertelstunde das 3:0 durch einen Drehschuss von Gerd Müller mit einer Flanke maßgerecht vorbereitete. Der herrliche Treffer war nicht nur Müllers 40. Länderspieltor, sondern auch der 900. in der Geschichte der DFB-Auswahl. Und Geschichte schreibt man ja auch nicht alle Tage.


Nachtrag

Der Aufsteiger bleibt nach dem Erfolg gegen die Eintracht in der Bundesliga acht Spiele in Folge sieglos und verliert davon sechs Partien. Erst gegen den späteren Absteiger Bielefeld gelingt am 15. Spieltag wieder ein doppelter Punktgewinn.

Robert Begeraus Traum von der Bundesliga erfüllt sich im Jahr 1974 doch noch. Am 29. Spieltag der Saison 1973/74 wird er beim 3:1-Sieg der Fortuna in Hamburg nach 69 Minuten eingewechselt. In der folgenden Saison bestreitet er dann am 16. Spieltag bei Bayern München noch eine Halbzeit.

Später engagiert sich der Lehrer in der Kommunalpolitik und bewirbt sich 2009 für die Grünen um das Bürgermeisteramt in Kaarst: Er belegt mit 9,2 Prozent hinter der SPD-Kandidatin (13,5 Prozent) den dritten Platz. (rs)


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