Eintracht Frankfurt - Schalke
04 |
Bundesliga 1971/1972 - 5. Spieltag
2:0 (1:0)
Termin: Sa 04.09.1971, 15:30 Uhr
Zuschauer: 44.000
Schiedsrichter: Elmar Schäfer (Neustadt)
Tore: 1:0 Thomas Parits (25.), 2:0 Jürgen Kalb (79., Foulelfmeter)
Eintracht Frankfurt | Schalke 04 |
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Die Diva duckt sich nicht Der ungeschlagene Tabellenführer aus Gelsenkirchen, der in der laufenden Saison alle Spiele gewonnen hat, kommt mit der zusätzlichen Empfehlung eines Kantersieges gegen den 1. FC Köln ins Waldstadion: 6:2 haben die Schalker am letzten Mittwoch die Geißböcke geschlagen. Die Eintracht dagegen konnte auf fremden Platz wieder einmal nicht an die überzeugenden Leistungen der Heimspiele anknüpfen und verlor beim bis dahin sieglosen Tabellenletzten BVB mit 1:3. Trainer Ribbeck stellt seine Mannschaft gegenüber der Niederlage in Dortmund um. Horst Heese, der nach seiner Verletzung wieder in der Verfassung ist, um von Beginn an zu spielen, steht in der Startelf. Neuzugang Ender Konca ist dafür nach seinen enttäuschenden Leistungen nicht dabei. Nickel rückt anstelle von Konca in den Sturm, Hesse spielt anstelle von Dr. Hammer im Mittelfeld. Doch weder diese Änderung noch die gleißende Sommersonne und schon gar nicht die Tatsache, dass Schalke in der Bundesliga noch nie in Frankfurt gewinnen konnte, hinterlassen bei den Gästen aus dem Ruhrpott Eindruck: Das Selbstbewusstsein der Knappen, die seit dem 22. Mai kein Spiel mehr verloren haben, wird auf dem Platz sofort deutlich. In der 4. und 6. Minute hat das junge Schalker Talent Huhse zwei großartige Chancen, die er freilich nicht verwerten kann. Dr. Kunter im Tor der Frankfurter ist an diesem Tag wieder einmal in fantastischer Form und macht die besten Schalker Chancen zunichte. In Folge erweist sich jedoch ein Schachzug des Schalker Trainers Ivica Horvat als Fehlschlag. Eben jener Huhse, der mit seinen energischen Offensivaktionen durchaus zu gefallen weiß, ist als Sonderbewacher des erneut überragenden Grabowski schlicht überfordert. Horvat, der für die Riederwälder Ende der 50er als Spieler und in den Anfangsjahren der Bundesliga auch als Trainer tätig war, hätte es besser wissen müssen: Huhse ist für diese Aufgabe zu grün und Grabowski nicht gewachsen.
Auf der anderen Seite wirken die Schalker Angriffsbemühungen nach der furiosen Anfangsviertelstunde nicht zwingend, auch weil Spielmacher van Haaren nicht entscheidend ins Spiel eingreifen kann. Sein Gegenspieler Horst Heese, der für den heute stürmischen Nickel die vakante Position im Mittelfeld der Hessen übernommen hat, lässt van Haaren keinen Augenblick aus den Augen. Im Sturm der Schalker wird der fünfmalige Torschütze gegen die Kölner, Klaus Scheer, von Trinklein an die Kette gelegt. Stan Libuda kann sich nur sehr selten der Bewachung von Thomas Rohrbach entziehen, der wie eine Klette an "Sir" Stan hängt. Übrig bleibt allein Linksaußen Erwin Kremers, der noch der wirkungsvollste Schalker Stürmer ist. Mit – manchmal übergroßer – Härte verhindert Peter Reichel jedoch, dass Kremers zählbaren Schaden anrichten kann. Man kennt sich: In der letzten Saison haben Erwin und sein Zwillingsbruder noch für Offenbach in der Bundesliga gespielt und sind – nicht zuletzt dank der 0:2-Niederlage gegen die Eintracht am vorletzten Spieltag – mit dem Vizemeister von 1959 abgestiegen.
Der Frankfurter Sturm ist dagegen stets gefährlich. Bernd Nickel spielt heute für Ender Konca in der Angriffsreihe der Eintracht und macht seine Sache ausgesprochen gut. Grabowskis Vorstellung ist über jeden Zweifel erhaben und Parits ist glänzend aufgelegt. Parits gelingt auch in der 25. Minute der verdiente Führungstreffer für die Eintracht. Es ist ein nicht unhaltbar scheinender Aufsetzer, der Nigbur auf den falschen Fuß erwischt und zum Entsetzen seiner Kameraden bezwingt. Sollten die Schalker darauf gehofft haben, dass die Eintracht in der zweiten Halbzeit wie am 2. Spieltag gegen Köln einen konditionellen Einbruch erleidet, werden sie bitter enttäuscht. Die Gastgeber bestimmen das Geschehen auf dem Platz und lassen in der Defensive nichts anbrennen. Jürgen Grabowski ist überall zu finden, befreit von taktischen Zwängen und einer zugewiesenen Position ist er Ideengeber und Antreiber zugleich, das Frankfurter Sturmspiel stürzt die Schalker unter seiner Führung von einer Verlegenheit in die nächste, ohne dass es den Gästen gelingen würde, ihrerseits ähnliche überzeugende Angriffszüge vorzutragen. Die Einwechslung von Paul Holz für van Haaren nach 68 Minuten bringt ihnen keinen Vorteil. Bei der Eintracht ist eine Minute zuvor Aust für den ausgepumpten Heese ins Spiel gekommen, so wie Wirth 120 Sekunden vorher schon Reichel ersetzte, der mit Kremers immer noch größte Mühe hat. An der Verteilung der Spielanteile ändern die Auswechslungen aber hüben wie drüben nichts. Nickel und Hölzenbein haben für die Gastgeber das 2:0 auf dem Fuß, doch dort bleibt es vorerst auch. Der Ball will kein zweites Mal ins Tor, obwohl die Eintracht deutlich überlegen ist. So müssen die Anhänger der Frankfurter bis zur 79. Minute warten, dann geht der Schalker Keeper Nigbur den für Heese eingewechselten Aust im Strafraum an und besorgt den Hessen auf diese Weise einen Strafstoß. Die Entstehung des Elfmeters ist tatsächlich kurios: Frankfurts Auswechselspieler Amt war einer weiten Vorlage aus der Abwehr nachgestürmt, doch der aus seinem Kasten herauseilende Nigbur konnte sich gerade noch vor Aust den Ball am Elfmeterpunkt greifen. Aust schlitterte mit vorgestrecktem Bein Nigbur entgegen, und als der Schalker noch einmal nachfassen musste, setzte Aust nach, was Nigbur sichtlich erboste. Der Keeper warf sich herum, und schlug dem noch am Boden knienden Aust den Ball mit beiden Händen auf die Brust. Was soll Schiedsrichter Schäfer anderes tun, als auf Elfmeter entscheiden?
Kalb lässt sich von den Diskussionen um die Entscheidung des Referees nicht beeindrucken und verwandelt den Strafstoß, obwohl Nigbur sich für die richtige Ecke entschieden hat. Der Schalker Schlussmann ist immer noch wütend, er sucht sich nur leider nicht den passenden Adressaten für seine Gefühlswallungen. Dabei trägt er sogar die Hosen desjenigen, gegen den sich seine Wut richten sollte … Die Begegnung ist entschieden. Die Eintracht zeigt auch zum Ende des Spiels keinen Mangel an Kraft, während Horvats Mannen sich über die letzten Minuten quälen. Der Tabellenführer ist besiegt, gestürzt ist er indes nicht. Die Schalker bleiben trotz der Niederlage an der Spitze. "Wäre Huhse etwas erfahrener, hätten wir wahrscheinlich 1:0 oder 2:0 geführt", klagt Schalkes Trainer Horvat nach dem Schlusspfiff. "Ich glaube, wenn wir in Schalke so spielen, dann gewinnen wir nicht. Deine Mannschaft war wirklich sehr stark", lobt der siegreiche Erich Ribbeck seinen Kollegen, der das Kompliment zurückgibt: "Der Sieg der Eintracht ist verdient." Der sichtlich angefressene Horvat schränkt jedoch sofort ein: "Die Frankfurter haben allerdings zu Anfang sehr hart gespielt. Das hat meine Jungs böse gemacht. Das ist zwar verständlich, aber sie müssen es noch lernen, sich auch nach den Fouls des Gegners zu beherrschen. Die Folge der Unbeherrschtheit waren die Verwarnungen gegen uns und auch der Elfmeter, der die Entscheidung brachte." Und damit ist Horvat beim Thema der Verlierer: dem Schiedsrichter. Ivica Horvat zeigt sich noch lange nach Spielende erbost über die Leistung von Schäfer. Erregt rechnet er den Journalisten vier Fouls in fünf Minuten vor: "Und nicht einmal gab es eine Verwarnung!" Dass Schiedsrichter Schäfer Nigburs Foul an Aust nicht mit einem durchaus regelkonformen Platzverweis geahndet hat, kann Horvat nicht besänftigen "Das hätte ich dem auch noch zugetraut, nach dieser Dummheit von Nigbur", antwortet er mit einem Spott, der fehl am Platze ist. Die Enttäuschung über die erste Saisonniederlage sitzt tief eben beim Coach der Schalker ... Dabei bleiben die Gelsenkirchener trotz der Niederlage auf dem ersten Platz, den sich die Gelsenkirchener allerdings mit den Münchner Bayern teilen müssen. "In zwei Wochen - nach den beiden Heimspielen gegen Dortmund und Bremen - werden wir unsere Position an der Tabellenspitze wieder gut ausgebaut haben", findet der Weltklassestopper der Meistermannschaft von 1959 dann mit Blick auf die nächsten Aufgaben seiner Elf auch wieder zu einer positiven Grundhaltung zurück. Die Eintracht verbessert sich indes vom 15. auf den 10. Tabellenplatz. Parits und Grabowski stehen zudem im "Kicker" in der "Elf des Tages", Grabi nach seinem Galaauftritt gegen Bremen bereits zum zweiten Mal. Der Eintrachtkapitän, dem der Löwenanteil an der Steigerung seiner Elf in der zweiten Halbzeit zukommt, geht auch nach der Partie mit breiter Brust voran: "Wir brauchen uns vor keinem Gegner zu ducken!"
"Scheer ist auch mehr ein Mann der zweiten Linie" lautet kurz und knapp das Urteil von Friedl Lutz über den fünffachen Torschützen des letzten Spieltages, während Dr. Kunter allgemein feststellt: "Die Schalker sind nicht so stark, wie sie eingeschätzt wurden." Sein Gegenüber Norbert Nigbur hat dazu verständlicherweise eine andere Meinung: "Wir gaben beim 6:2 gegen Köln alles, jetzt fehlte die Kraft." Buhmann ist natürlich auch bei ihm der Mann in schwarz. "Und die Nerven raubte uns der Schiedsrichter", hat der Keeper den Schuldigen ausgemacht und stellt dem Unparteiischen ein schlechtes Zeugnis aus: "Der hatte seinen schwachen Tag." Na ja, Herr Nigbur, den hatte er wenn ganz sicher nicht allein … "Allerdings, dass Frankfurt verdient gewann, daran gibt’s keinen Zweifel", ringt sich der Schlussmann doch noch zu einem sportlich-fairen Fazit durch. "Parits und Ender bedeuten zweifellos eine echte Stärkung unseres Sturms, wenn auch der Türke noch eine gewisse Zeit zur Akklimatisierung braucht", sieht Trainer Ribbeck sein eigenes Team in einem Mannschaftsteil verbessert, kritisiert jedoch gleichzeitig einen anderen: "Aber in der Abwehr hapert es, obwohl sich Rohrbach als Verteidiger gut angelassen hat. Im vergangenen Jahr mussten wir in acht Spielen nur fünf Gegentreffer kassieren. Jetzt sind es schon zehn in fünf Spielen." Ribbeck, der bei diesem Vergleich vergessen zu haben scheint, dass die Eintracht aktuell schon nach fünf Spieltagen ein Tor mehr erzielt hat, als in der gesamten letzten Vorrunde, meint den Grund für die Gegentore erkannt zu haben: "Wir spielen auswärts einfach zu offensiv, bedingt durch das Spielermaterial, das mir zur Verfügung steht. Wenn ich zwei Reihen mit Grabowski, Parits und Ender als Spitze und Kalb, Hölzenbein, Nickel als Mittelachse wie beispielsweise in Dortmund aufstelle, dann habe ich einfach sechs Spieler, die nach vorn rennen." Hier will der Trainer den Hebel ansetzen: "Ich werde in Zukunft in Auswärtsspielen einen oder auch zwei ausgesprochene Abwehrspezialisten mehr in die Mannschaft einbauen müssen, um mehr auf Sicherheit zu gehen." Das Saisonziel ist dementsprechend unverändert: "Normalerweise müsste ein Mittelplatz für uns drin sein. Wir sind kampfstärker geworden, und das ist vielleicht das größte Plus." Ribbeck ist bei seinem Lieblingsthema und erklärt den Journalisten den Fußball, wie er in der höchsten deutschen Spielklasse praktiziert werden muss: "Ich meine, es kommt nicht von ungefähr, dass nur drei süddeutsche Mannschaften in der Bundesliga spielen", versucht er mit einer Tatsache seine These zu untermauern, die wie immer lautet: "Schönes Spiel allein genügt nicht. Kampf gehört dazu." In einer Woche darf dann am Rhein weitergekämpft werden. Die Fortuna wartet in Düsseldorf auf den Bezwinger des Tabellenführers. (rs)
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