Eintracht Frankfurt - 1. FC
Köln |
Bundesliga 1971/1972 - 2. Spieltag
2:2 (2:1)
Termin: Sa 21.08.1971, 15:30 Uhr
Zuschauer: 26.000
Schiedsrichter: Wolfgang Dittmer (Mutterstadt)
Tore: 1:0 Bernd Nickel (3.), 2:0 Jürgen Grabowski (12.), 2:1 Bernd Rupp (36.), 2:2 Hennes Löhr (84.)
Eintracht Frankfurt | 1. FC Köln |
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Mit leerem Tank auf der Autobahn des Sieges Seit 1966 hat die Eintracht nicht mehr gegen Köln zu Hause gewonnen. Nach der bitteren Abfuhr beim HSV ist Frankfurts Trainer Ribbeck jedoch geladen und fordert: "Das Maß ist voll, diesmal muss Köln dran glauben. Der schmähliche Start in Hamburg muss wieder wettgemacht werden!" Ungeachtet der markigen Sprüche des Fußballlehrers bleibt die Frage offen, wie seine Mannschaft zum einen die derbe Auftaktniederlage verdaut und zum anderen die Ansteckung überwunden hat, die einigen Spielern zu schaffen machte. "Lutz und Nickel haben mit ihrer Viruserkrankung soviel durchgemacht, dass ich schon froh bin, wenn sie überhaupt das Spiel voll durchstehen können", räumt Ribbeck ein. Die Antwort gibt die Elf beim ersten Heimspiel gegen den 1. FC Köln im Stile der Feuerwehr: blitzschnell. Mit einem Unterschied: Die Adler löschen die Brände nicht, sondern legen diese in Windeseile im Kölner Strafraum. Die Geißböcke, die mit der Empfehlung eines 0:0 gegen die Millionentruppe von Werder Bremen angereist sind, kommen mit dem Löschen nicht nach. Lediglich Wolfgang Weber gelingt es, seinen Gegenspieler und ehemaligen Vereinskameraden Thomas Parits in Schach zu halten. Nach diesem Blitzstart ist es keine Überraschung, dass die entfesselt aufspielenden Frankfurter nach nicht einmal einer Viertelstunde mit 2:0 in Führung liegen, wobei allerdings Kalb nach sieben Minuten auf der Linie auch einen Kölner Gegentreffer verhindern muss. Die Führung erzielt Nickel in der 3. Minute aus wenigen Metern auf Flanke von Reichel, das 2:0 besorgt Grabowski in der 12. Minute nach Vorarbeit von Nickel mit einem platzierten Kopfball. Es scheint sich zu rächen, dass Trainer Lorant auf Verteidiger Thielen verzichtet hat, weil der am Freitag eine Stunde zu spät zum Training erschienen war. Thielen wollte als freiwillige Buße lediglich 20 DM zahlen, Lorant forderte 100. Als Ergebnis des Zwists machte der Trainer mit dem Spieler das, was man am Rhein auch mit dem Dom macht: Er ließ ihn in Köln. So ist das dritte Tor für die Gastgeber zum Greifen nah, denn die Eintracht stellt an diesem Tag das überlegene Mittelfeld. Wolfgang Overath ist bei seinem Comeback noch nicht wieder der überragende Dirigent, die Frankfurter Mittelfeldspieler Bernd Hölzenbein sowie vor allen Dingen Jürgen Kalb und Bernd Nickel übertreffen den Kölner Nationalspieler um Längen. Die Eintracht erspielt sich so bei brütender Hitze eine Chance nach der anderen. Das dritte Tor ist zum Greifen nah, es ist nur eine Frage der Zeit, es fällt bestimmt gleich, es ... fällt nicht! In der verunsicherten Kölner Mannschaft sorgt derweil Stürmer Rupp zumindest zeitweise für ein wenig Entlastung. Das ist um so erstaunlicher, als dass Bernd Rupp den besten Frankfurter Verteidiger Thomas Rohrbach zum Gegenspieler hat. Doch mit zunehmender Spieldauer richten sich die entzauberten Kölner an ihrem stürmischen Wirbelwind auf, dem Dr. Kunter schon in der 15. Minute im letzten Moment gerade noch den Ball vom Fuß angeln konnte. Es ist kein Zufall, dass Rupp in der 36. Minute den Kölner Anschlusstreffer markiert. Löhr hatte die Flanke in den Strafraum geschlagen, Rupp nach einem Hechtsprung mit dem Kopf vollendet. DFB-Trainer Jupp Derwall ist mit den Kölnern dennoch unzufrieden: „Overath macht nach seiner Verletzung erst einmal ein Aufwärmspiel. Und Simmet und Flohe bekommen ihre Gegenspieler Nickel und Kalb nicht richtig in Griff.“ Nach dem Spiel pflichtet Kölns Trainer Lorant der Halbzeitkritik Derwalls bei: „Overath hat noch verhalten gespielt und noch nicht zweite Spitze, wie ich es plane.“ Nur drei Minuten sind in der zweiten Halbzeit gespielt, als wieder Kalb in höchster Not retten muss, in dem er den freigespielten Rupp in letzter Sekunde noch vom Ball trennt. Keine Frage, die Eintracht-Spieler bezahlen nach und nach den Preis für ihr hohes Anfangstempo. Das Frankfurter Feuerwerk ist endgültig abgebrannt. Die Abwehrrecken Gert Trinklein und Peter Reichel stellen ihre Ausflüge in die gegnerische Hälfte ein. Danach zollen zuerst Jürgen Grabowski und später auch der ebenfalls ausgelaugte Bernd Nickel der großen Hitze Tribut. Der verspielte Ender Konca kann sich zudem gegen den zur zweiten Halbzeit eingewechselten Jupp Kapellmann nicht mehr entscheidend durchsetzen und fällt nur noch durch überhartes Spiel auf. Im Zentrum ist der agile Parits anspielbereit, hängt aber durch den Mangel an Zuspielen in der Luft. Der Frankfurter Sturmlauf kommt so zwangsläufig zum Erliegen und die Kölner reißen das Spiel an sich. Trotz schwindender Kräfte versuchen die Adler, den knappen Vorsprung über die Zeit zu retten. Die turbulenten Szenen im Frankfurter Strafraum häufen sich nun, auch weil der Libero der Eintracht, Friedel Lutz, mit den Nachwirkungen seiner gerade überstandenen Darminfektion zu kämpfen hat. Die Kölner dagegen überzeugen jetzt mit ihrer Kondition und ihrer Cleverness. Weniger clever verhält sich dagegen der junge Eintracht-Trainer Ribbeck, der seiner nachlassenden Mannschaft mit einer Auswechslung vielleicht etwas Luft verschaffen könnte. Reichel oder Trinklein durch Wirth oder Konca durch Weidle zu ersetzen, wäre jetzt eine Maßnahme. Doch aus welchen Gründen auch immer, Ribbeck verzichtet auf sie. Und so kommt es, wie befürchtet: Sechs Minuten vor dem Ende der Spielzeit wird die Eintracht für das Auslassen der Torchancen in den ersten dreißig Minuten bitter bestraft. Hennes Löhr kann sich nach einem Eckball gegen Reichel und Dr. Kunter durchsetzen und trifft für die Kölner aus kurzer Distanz zum letztlich nicht unverdienten 2:2-Endstand. Nach dem Spiel stehen besonders Schiedsrichter Dittmer, der trotz verwarnungswürdiger Fouls von Heinz Simmet und Ender Konca die Karte steckenließ, sowie der Frankfurter Konca in der Kritik. Auf Konca hatte es besonders der neue Kölner Trainer Gyula Lorant abgesehen, der einen Platzverweis für Konca fordert und dem Frankfurter Neuzugang prophezeit: "Der wird mit solchen Fouls nicht lange in der Bundesliga spielen. Ein Mann, der immer mit gestrecktem Bein einsteigt, muss vom Platz!" "Ender hat mir fünf Spieler verletzt. Das sieht man die Stollenabdrücke auf den Beinen", tobt Lorant, dem man raten möchte, sich einmal so intensiv mit seinem Spieler Simmet zu beschäftigen, der die weitaus gröberen Fouls an den Mann brachte. Ob Ender Konca tatsächlich so überhart zu Werke ging, wie von Lorant behauptet, mag dahingestellt bleiben. Die Antwort auf die Frage, ob sich der unbestritten technisch versierte jedoch bisher wenig zielstrebige Konca in der Bundesliga durchsetzen wird, beschäftigt die Frankfurter viel mehr. "Er rechnet offenbar nicht damit, dass er wieder eingeholt wird, wenn er einmal durch ist, rechnet nicht mit dem Stoß des Gegners bei der Ballannahme", glaubt Ribbeck den Grund für Koncas schwachen Auftritt erkannt zu haben. HSV-Keepr Özcan macht seinem Landsmann Mut: "Auf Anhieb kann es nicht klappen, aber er wird seinen Weg machen, denn er bringt alles mit, was ein erstklassiger Fußballer braucht." Jürgen Grabowski, der Konca der Eintracht empfohlen hat, sieht sich und seine Kameraden in der Pflicht: "Wir müssen Ender helfen, in unserem Rhythmus hineinzufinden. Am Ball kann er alles, das andere wird kommen." Ihren Rhythmus finden muss jedoch auch die Eintracht, die nach dem zweiten Spieltag nur auf dem 16. Tabellenplatz steht. "Es ist natürlich schade, wenn man nach einem 2:0 noch ein 2:2 hinnehmen muss", bemüht sich Trainer Ribbeck um Sachlichkeit, während Dr. Kunter aus seinem Gefühlszustand kein Geheimnis macht: "Das ist doch zum Heulen! Da ist man auf der Autobahn des Sieges. Und dann wird man doch noch eingeholt." Der Frankfurter Keeper ist sichtlich angefressen: "Wie konnten wir uns so zurückdrängen lassen? Wir hätten beinahe noch verloren!" Sein Trainer stimmt ihm zu: "Nach dem 2:0 spielten wir schon nicht mehr konsequent genug." Ribbeck lässt bei allem Ärger aber auch den positiven Aspekt nicht unerwähnt: "Gegenüber Hamburg war eine Steigerung unverkennbar, wenn wir die Abwehr festigen, sind wir allgemein stärker." Jürgen Grabowski lässt dagegen die Art und Weise, wie die Tore zustande gekommen sind, keine Ruhe: "Alle vermeidbar. Sie wurden nach krassen Deckungsfehlern erzielt." Gyula Lorant geht noch weiter und kennt in seinem Urteil wie gewohnt keine Freunde und keine Zurückhaltung: "Diese Abwehrfehler würde ich nicht einmal einer Amateurmannschaft verzeihen." Einmal in Fahrt schimpft Lorant weiter und gefällt sich als düsteres Orakel: "Erste zwanzig Minuten miserabel. Frankfurt und Köln müssen gegen Abstieg kämpfen!" Jupp Derwalls Sicht der Dinge gibt wohl einen klareren Ausblick auf die Zukunft: "Beide Teams suchen noch nach der richtigen Formation." (rs)
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