VfB Stuttgart - Eintracht Frankfurt
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Freundschaftsspiel 1971/1972
4:0 (1:0)
Termin: 07.08.1971 in Mömlingen
Zuschauer: 3.000
Schiedsrichter: Nützel (Neustadt/Aisch)
Tore: 1:0 Handschuh (38.), 2:0 Weidmann (60.), 3:0 Köppel (80., Elfmeter), 4:0 Berger (86.)
VfB Stuttgart | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Eisberg und Tiefpunkt Einen letzten Härtetest vor der am nächsten Samstag beginnenden Bundesligasaison steht der Eintracht heute bevor. Mit dem VfB Stuttgart wartet ein Bundesligaverein der ersten Stunde. Doch die Schwaben werden seit Anfang des Monats von der ungeheuerlich anmutenden Missetat dreier Spieler erschüttert … Am 6. Juni 1971 hatte der Präsident des Absteigers Kickers Offenbach, Horst-Gregorio Canellas, an seinem 50. Geburtstag die Bombe platzen lassen – mit dem Druck auf die Taste seines Tonbandgerätes. Die Aufklärung des Bundesligaskandals nahm im Garten des Südfrüchtehändlers seinen Anfang. Spieler hatten sich bestechen lassen und den Ausgang von Bundesligapartien manipuliert. Nach den Enthüllungen reagierte der DFB in der Sommerpause zunächst mit Blitzurteilen gegen Canellas und die Hertha-Spieler Tasso Wild, Bernd Patzke sowie Kölns Torwart Manfred Manglitz. Doch wie sich nun herausstellt, war das nur die Spitze des Eisbergs … Uwe Klimaschefskis Aussage Anfang August brachte neue Anhaltspunkte. Der bei Arminia Bielefeld in der letzten Saison nur am ersten Spieltag zum Einsatz gekommen Jürgen Neumann, so berichtete "Klima", Neumanns ehemaliger Mannschaftskamerad aus Lauterer Zeiten, sei in den Bundesligabestechungsskandal verwickelt: "Er hat mich als Vermittler von Schmiergeldern anwerben wollen. 60 000 Mark, so sagte Neumann zu mir, stehen zur Verfügung. Damit sollte das Bundesli¬ga-Spiel Bielefeld gegen Stuttgart am 29. Mai manipuliert werden." Der Verdacht, dass Neumanns Werben am Ende erfolgreich war, richtete sich gegen die beiden VfB-Spieler Arnold und Eisele. Der Druck auf die Spieler nahm zu und Hans Arnold trat die Flucht nach vorne an. Der 29jährige Arnold legte als erster Spieler im Bundesligaskandal ein volles Geständnis ab und belastete zwei seiner Mitspieler schwer: "Hans Eisele und Hartmut Weiß waren meine Komplizen. Mit ihnen habe ich die 45.000 Mark, die ich vor dem Spiel gegen Arminia Bielefeld bekommen habe, gedrittelt." "Ich bin mir bewusst, dass ich für Hans Eisele und Hartmut Weiß jetzt der Buhmann bin. Aber ich konnte einfach nicht anders. Ich habe alles sagen müssen, denn irgendwann wäre es ja doch herausgekommen", wurde der ehemalige Libero des VFB Stuttgart in der "Bild" zitiert. Der VFB reagierte auf Arnolds Geständnis noch in den späten Abendstunden: "Der Spieler Hans Arnold wird mit sofortiger Wirkung aus dem Vertrag entlassen." Tags darauf erklärte VfB-Präsident Hans Weitpert in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz: "Die Ereignisse haben uns buchstäblich überrollt. Für uns war es ein harter Schlag, so dass wir vor der Frage standen, ob wir weitermachen sollten oder nicht." Sämtliche VfB-Spieler außer den drei Sündern müssen auf Verlangen des Vereins eine Erklärung unterschreiben, in der sie ehrenwörtlich versichern, keine Bestechungsgelder angenommen zu haben. "Endlich mal einer, der trotz allem noch soviel Sportsgeist hat und versucht, gleich reinen Tisch zu machen. Das hat mich echt gefreut bei all den Ungereimtheiten, die ich sonst gehört habe", lobte der Vorsitzende des ermittelnden DFB-Kontrollausschusses, Hans Kindermann, den geständigen Betrüger. Hans Arnold bemühte sich um einen Erklärungsversuch: "Wenn ich die Sache heute rückblickend betrachte, dann habe ich doch reichlich unüberlegt gehandelt. Aber alles ging Ruck-Zuck und schon war es passiert." "Wissen Sie, ich bin ein Waage-Mensch und denen sagt man nach, dass sie ausgeglichen sind. Ich hatte immer gute Nerven, deshalb bin ich auch jetzt nicht am Boden zerstört", lässt Arnold sein Karriereende als Profikicker nach außen ungerührt: "Als ich die Urteile gegen die Spieler Manglitz, Patzke und Wild gehört hatte, war mir das ohnehin schon klar. Ich wollte sowieso nur noch ein Jahr spielen, und mir im nächsten Frühjahr eine berufliche Existenz aufbauen. Nun fange ich eben jetzt schon damit an. Um meine Zukunft mache ich mir keine Sorgen. Ich glaube, bis dahin ist vieles vergessen. Es gibt heute schon Leute, die mich trösten und sagen, dass im Geschäftsleben soviel geschoben wird, und sie die Sache gar nicht so tragisch nehmen." Das Geständnis von Hartmut Weiß, der im verschobenen Spiel gar einen Elfmeter verschossen hatte, folgte und brachte eine weitere Überraschung: Neben den 45.000 Mark, die der Bielefelder Neumann an einer Tankstelle an der Autobahn zwischen Heilbronn und Mannheim übergeben hat, haben die drei Stuttgarter Spieler für die Niederlage in Bielefeld auch noch je 3.000 Mark aus einer anderen "Quelle" kassiert. Dieses Geld wurde bis nach dem Spiel in einem Stuttgarter Postkasten hinterlegt. Eine Woche vor Beginn der neuen Bundesligasaison fehlen dem VfB somit drei Stammspieler. Die Abwehr ist auseinandergerissen und im Sturm fehlt der mit Abstand erfolgreichste Schütze der letzten Saison: Auf 15 Treffer war Weiß gekommen, Handschuh, Haug und der abgewanderte Olsson folgen mit nur je acht Toren auf Platz 2 der internen Rangliste. Und der von Borussia Mönchengladbach im Sommer an den Neckar gewechselte Horst Köppel war mit seinen ebenfalls acht Treffern in der letzten Saison eher als Ergänzung zu Weiß gedacht, denn als Ersatz … Die Eintracht, die in den letzten beiden Testspielen 18 Tore erzielt und vor neun Tagen den Europapokalsieger Ajax Amsterdam bezwungen hat, scheint dagegen für die anstehende Runde bestens gerüstet. Eine Zittersaison wie die letzte will am Main auch keiner mehr erleben. Allerdings fehlen Trainer Ribbeck mit dem kampfstarken Heese und dem torgefährlichen Nickel ebenfalls zwei wichtige Akteure. Mit 13 Treffern ist Nickel aus der letzten Spielzeit hervorgegangen, Horst Heese folgte mit 7 Toren, und Hölzenbein reichten 5, um bei der Eintracht den dritten Rang der Torschützenkönige zu belegen. Der Eintracht ist deutlich anzumerken, dass sie ihr achtes Testspiel in nur elf Tagen austrägt. Die Frankfurter gehen, wie man so schön sagt, auf dem Zahnfleisch. Trainer Ribbeck hat auch in dieser Vorbereitung ganze Arbeit geleistet. Mit welchem Erfolg wird sich noch herausstellen müssen. Die Stuttgarter Spieler haben sich offensichtlich von den Vorgängen um ihre ehemaligen Mannschaftskameraden nicht beeindrucken lassen, in ihrem Spiel ist jedenfalls keine Beeinträchtigung auszumachen. Im Gegenteil, der VfB bestimmt vielleicht nicht das mediale Echo auf die Verfehlungen der "Sünder", dafür aber das Geschehen auf dem grünen Rasen. Die Schwaben sind deutlich lauffreudiger als ihre Gegner und haben deshalb auch keine Probleme, den Ball in den eigenen Reihen zirkulieren zu lassen. Die Führung des VfB durch Handschuh nach 38 Minuten ist folgerichtig und verdient. In der zweiten Halbzeit ändert sich an der Überlegenheit des Tabellenzwölften der letzten Saison nichts. Der Kunststoffrasen taugt dabei nicht als Entschuldigung für die matte Leistung der Frankfurter, auch wenn er nach Ansicht der meisten Akteure etwas zu stumpf ist. Handschuh, Weidmann, Ettmayer und Haug stellen die Eintrachtdeckung immer wieder vor Probleme. Nach einer Stunde kann die Abwehr der Hessen eines dieser Probleme nicht lösen und Weidmann erzielt das 2:0 für den VfB. Immerhin gelingt es Jürgen Kalb, Stuttgarts Köppel an die Kette zu legen, wenigstens vom Mittelstürmer geht keine Gefahr für das von Dr. Kunter gehütete Tor aus. Zlatko Skoric, Stuttgarts Neuzugang zwischen den Pfosten, muss dagegen vor dem gesamten Eintrachtsturm nicht bange sein. Ender Konca scheint im Moment noch Anpassungsschwierigkeiten zu haben. Zwischen ihm und Jürgen Grabowski mangelt es an Harmonie, das Zusammenspiel der beiden funktioniert nicht. Nein, das ist nicht richtig: Es findet überhaupt nicht statt, trifft die Sache schon eher. Bernd Hölzenbein im Mittelfeld und Thomas Rohrbach auf dem rechten Flügel mühen sich, aber insgesamt fehlt der Offensive der Eintracht die Bindung und damit auch die Durchschlagskraft. Unverhofft noch einmal zur Arbeit kommt zwanzig Minuten vor dem Abpfiff Klaus-Peter Stahl, der in der Halbzeit gegen Dieter Ungewitter ausgewechselt wurde, jetzt aber für den angeschlagenen Parits erneut aufs Feld muss. Zehn Minuten sind noch zu spielen und nun kommt auch Horst Köppel zu seinem Treffer. Er benötigt dazu allerdings einen Elfmeter. Sechs Minuten später trifft auch ein anderer Neuling im Kader des VfB, der 20jährige Karl Berger. Der Sieg der Stuttgarter ist verdient, wenn er auch vielleicht um einen Treffer zu hoch ausgefallen ist. "Eine Niederlage vor der Runde kann ja wie ein heilsamer Schock wirken", nimmt Eintrachttrainer Erich Ribbeck den sportlichen Tiefpunkt der Vorbereitung gelassen, "aber ich habe andere, größere Sorgen." In der Tat: Heese hat einen Innenbandschaden, es besteht der Verdacht auf einen Meniskusanriss. Sein Bein wurde eingegipst. Gegen den HSV fällt er auf alle Fälle aus. "Dagegen hoffe ich, dass Grabowski und Nickel bis zum Samstag wieder fit", erklärt der Coach, denn: "auch Reichel, Parits und Trinklein sind angeschlagen." Zudem sind vier Stammspieler von Eintracht Frankfurt sind von einer rätselhaften Viruserkrankung befallen. Lutz, Weidle, Schämer und Wirth leiden unter Magenschmerzen, Fieber und Atembeschwerden. Mediziner bemühen sich um die Spieler. "Gar nicht auszudenken, wenn noch weitere Spieler Opfer dieser Krankheit würden", fürchtet Ribbeck und schimpft: "So ein Mist. Da haben wir uns gewissenhaft vorbereitet und fuhren mit einigem Optimismus nach Hamburg, da platzt diese blöde Krankheitsgeschichte dazwischen." Zuerst klagten die vier Frankfurter über Magenschmerzen. Allgemeines Unwohlsein kam dazu, später Fieber und starke Kopfschmerzen, Stiche im Brustkorb und Atembeschwerden. Ein Professor und ein Arzt in Höchst versuchen, den Erreger dieser Krankheit aufzuspüren. Ihr Hauptaugenmerk: Sie wollen verhindern, daß sich die Krankheit weiter ausbreitet. Beim HSV, wo Vorstopper Kurbjuhn wegen einer Gehirnerschütterung Bettruhe verordnet bekommen hat und ebenfalls ausfallen wird, unkt Uwe Seeler: "Uns wäre es lieber gewesen, wenn die Frankfurter gesund nach Hamburg kommen würden. So weiß man ja nicht, ob nicht noch einige von uns angesteckt werden." Nachtrag Arnold sowie Eisele und Weiß erhielten am 23. Oktober 1971 bzw. am 22. Januar 1972 Sperren auf Lebenszeit und je 15.000 DM Geldbuße. Am 1. August 1973 wurden sie begnadigt. Eisele freilich hatte sich durch seinen Wechsel zum Donawitzer SV Alpine nach Österreich der Gerichtsbarkeit des DFB ohnehin entzogen. "Wenn die ganze Angelegenheit ausgestanden ist und
der VfB Stuttgart dazu bereit wäre, würde ich mich gerne im
Verein nützlich machen. Ich könnte beispielsweise die Jugend
trainieren oder sonst etwas tun, unentgeltlich natürlich. Denn irgendwie
hängt man ja doch an seinem Klub, für den man fast ein Jahrzehnt
gespielt hat", hatte Hans Arnold nach seinem Geständnis gesagt.
1978 kehrte er als Co-Trainer zum VfB Stuttgart zurück. 1981 führte
er die A-Jugend der Schwaben zur Deutschen Jugendmeisterschaft. Am 9.
Mai 1991 ist Hans Arnold gestorben. (rs) |