Eintracht Frankfurt - 1. FC
Kaiserslautern |
Bundesliga 1970/1971 - 21. Spieltag
3:2 (1:1)
Termin: Sa 13.02.1971, 15:30 Uhr
Zuschauer: 20.000
Schiedsrichter: Dietrich Basedow (Hamburg)
Tore: 0:1 Josef Pirrung (31.), 1:1 Horst Heese (40.), 2:1 Horst Heese (50.), 3:1 Jürgen Papies (56.), 3:2 Dieter Krafczyk (60.)
Eintracht Frankfurt | 1. FC Kaiserslautern |
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Das große Zittern „Ich habe die Wohnung des ehemaligen Eintracht-Trainers Elek Schwartz. Da muss man ja auf den Gedanken kommen, später mal Trainer zu werden“, berichtet Jürgen Papies, der zu Saisonbeginn aus der Regionalliga West von Fortuna Düsseldorf zur Eintracht stieß, über die inspirierende Wirkung seiner Unterkunft: „Leider geht's im Moment nicht. Ich müsste zum Lehrgang, aber im Moment kann bei uns keiner Sonderwünsche haben.“ Über die Schattenseiten von Papies’ Berufswunsch kann zurzeit sein Trainer Erich Ribbeck ausgiebig berichten. „Eineinhalb Torchancen“ hat Ribbeck bei der 0:1-Niederlage in Bielefeld gezählt, wo die Eintracht mit dem Tabellenletzten die Plätze getaucht hat. Dabei hatte man am Riederwald gehofft, die Angriffschwäche aus der Hinrunde zu den Akten gelegt zu haben, nachdem man sich nach dem 17. Spieltag ebenfalls mit der „roten Laterne“ wiedergefunden und insgesamt nur 9 Tore erzielt hatte. Negativer Höhepunkt war dabei die Zeit ab dem 4. Spieltag, denn in acht aufeinanderfolgenden Partien glückte der Eintracht nur ein einziges Tor, das Nickel gegen Schalke erzielte. Mit Kaiserslautern kommt an diesem Samstag zudem so etwas wie die Mannschaft der Stunde ins Waldstadion. Drei Spiele infolge wurden zuletzt von der Elf Gyula Lorants gewonnen, der zur letzten Saison an seine alte Wirkungsstätte in der Pfalz zurück gekehrt ist. Nach einem 2:0 gegen Hertha BSC und dem 2:0 beim BVB schickten die heimstarken „roten Teufel“ am letzten Wochenende Rot-Weiss Essen mit 5:2 vom Betzenberg heim an die Hafenstraße. „Wenn unser Form so bleibt, dann kann uns nichts passieren“, freute sich Lorant über das Geschenk, das ihm seine Elf zu seinem 48. Geburtstag gemacht hat. Der Tabellensiebte ist also keine leichte Aufgabe für Ribbecks Truppe, die wegen ihrer Auswärtsschwäche – nur am 2. Spieltag gelang ein 2:1-Sieg bei Hannover 96 – dazu verdammt ist, die zum Klassenerhalt notwendigen Punkte im heimischen Waldstadion zu sammeln. „Es wird sehr schwer“, sagt denn auch Erich Ribbeck: „Und nur, wenn wir Glück haben, dann kommen wir ein oder zwei Punkte höher in der Tabelle. Aber dann kommt das nächste Auswärtsspiel für uns und dann werden wir vielleicht wieder unten sein. Das Spiel mit der Schaukel wird vielleicht bis zum Schluss der Punktrunde gehen.“ Immerhin kann der Trainer wieder auf Bernd Hölzenbein zurück greifen, der in Bielefeld fehlte. Durch einen strammen Schuss seines Mitspielers Lothar Schämer hatte er eine Gehirnerschütterung erlitten. Den Trainingsversuch nach seinem Krankenhausaufenthalt musste er vorzeitig abbrechen, doch nun ist er wieder dabei. Besonders aufpassen muss die Eintracht auf Karl-Heinz Vogt, genannt „der Hexer“. 18 Tore – also 4 mehr als die Eintracht insgesamt - hat Vogt bislang in dieser Runde erzielt, 7 der letzten 9 Lauterer Treffer gehen auf sein Konto. Scharf geschossen wird in Frankfurt aber leider bereits am Mittwoch vor dem Spiel. Zwei Mitglieder der Bader-Meinhof-Gruppe, Manfred Grashof und Astrid Proll, greifen bei einer Überprüfung ihrer Personalien zu den Waffen und entziehen sich so ihrer Festnahme. Ein für alle Beteiligten weitaus ungefährlicheres Feuerwerk veranstaltet die Eintracht in der ersten halben Stunde gegen die Lauterer, die sich bei ihrem Schlussmann Elting bedanken können, dass die Gastgeber nicht schnell mit eins, zwei Toren vorne liegen. Die Frankfurter brennen ein wahres Feuerwerk ab, doch die Glanzlichter in Form von Toren fehlen, weil Elting alle auf sein Tor abgegebenen Böllerschüsse rechtzeitig entschärfen kann. Im letzten Sommer nach fünf Jahren bei Schalke 04 an den Betzenberg gewechselt, hat „Jacco“ Elting nach der 0:5-Niederlage in Gladbach am 5. Spieltag Bratislav Dordevic, der als Nachfolger von Wolfgang Schnarr verpflichtet worden war, als Stammtorwart abgelöst. Elting fliegt von einer Ecke in die andere und bringt die Eintracht um die Früchte ihres sonst so großartigen Spiels. Wie so oft, wenn eine Mannschaft ihre Chancen nicht zu nutzen versteht, fällt das Tor auf der anderen Seite. Ein Konter, der aus dem Fußballlehrbuch stammen könnte, schließt der kleine Wirbelwind Pirrung nach Vorarbeit von Diehl und Hosic in der 31. Minute mit der Führung für Kaiserslautern ab. Eine Minute später donnert der Pfälzer, den Schämer einfach nicht unter Kontrolle bekommt, aus spitzem Winkel gegen die Latte. Siegbert Feghelm, der den seit Mitte November nach einem schweren Autounfall außer Gefecht gesetzten Dr. Kunter im Tor der Eintracht vertritt, wäre auch hier ohne Abwehrmöglichkeit gewesen.
Statt des wahrscheinlich vorentscheidenden 0:2 trifft in der 40. Minute der eifrige, aber auch besonders ruppige Heese nach Vorlage von Trinklein zum verdienten Ausgleich, als er den Ball über Elting, der sich ihm vor die Füße geworfen hat, hinweg ins Tor bugsiert. Es ist Heeses erster Saisontreffer und gleich ein ganz wichtiger. Er bringt die Welt der meisten der 20.000 Zuschauer wieder ins Gleichgewicht und macht neue Hoffnung für den zweiten Durchgang. „Das ist eine Eintracht mit Pfeffer. So viel und so gut haben die Frankfurter selten geschossen“, zeigt sich Bundestrainer Schön in der Halbzeitpause so überrascht wie angetan, lobt aber auch die Gäste: „Das ist geschickt, wie die Kaiserslauterer aus der Defensive kontern. Und Pirrung ist ja wirklich ein Pfiffikus. Er hat es verdient, ins Junioren-Aufgebot zu kommen.“
Nach dem Wiederanpfiff des Hamburger Schiedsrichters Basedow drückt die Eintracht die Gäste in deren Hälfte und will mit Macht die Führung erzwingen. Tatsächlich gelingt ihr das auch in der 50. Minute. Es ist ein sehenswertes Tor, bei dem Heese einen Freistoß von Papies, den dieser von der Mittellinie in den Pfälzer Strafraum schlägt, in der Luft liegend ins Tor verlängert. Papies, der heute sein bisher bestes Spiel für die Eintracht macht, überzeugt als Regisseur und deutet zum ersten Mal seit seinem Wechsel an, wie er in der Regionalliga West zu seinem ausgezeichneten Ruf gekommen ist. In der 56. Minute kann er sich sogar in die Torschützenliste eintragen, nachdem er von Hölzenbein bedient wird. Der Vorlagengeber scheidet nach diesem Treffer aus, Thomas Rohrbach kommt für ihn in die Partie, die nun gelaufen scheint. Doch dieser Eindruck täuscht, denn nur vier Minuten später verkürzt der zur zweiten Halbzeit für Hosic eingewechselte Dieter Krafczyk nach einem Abpraller aus sechs Metern Entfernung auf 3:2. Die Eintracht-Abwehr, bis dahin von Lindner mit sicherem Stellungsspiel gut organisiert, wirkt in dieser Szene indisponiert bis verwirrt. Doch was weitaus schlimmer am Tor des Spielers ist, der sich in der Saison 1966/67 nicht bei der Eintracht hat durchsetzen können und lediglich auf vier Bundesligaeinsätze gekommen war: Ribbecks Elf scheint mit einem Schlag am Ende ihrer Kräfte zu sein, wobei nicht zu sagen ist, ob das nun einsetzende Nervenflattern die schweren Beine verursacht. Die Deckung ist ohnehin gehandicapt, weil der angeschlagene Friedl Lutz ohne Training ins Spiel gegangenen ist und nur von einer Spritze auf den Beinen gehaltenen wird. Papies taucht nun ab und Nickel ist von der Form der letzten Wochen ohnehin weit entfernt. Zuschauer und Journalisten beginnen zu murren, denn viele sehen Nickel als Angriffsspitze, den ausgewechselten Hölzenbein aber in der zweiten Linie. Ribbeck jedoch hält sich an die Worte des DFB-Trainers und Assistenten von Helmut Schön, „Jupp“ Derwall, der bei der Länderspielreise in Afrika Nickel für das Mittelfeld entdeckt hat. Wie auch immer - Nickel bleibt wie Hölzenbein und dessen Nachfolger Rohrbach in dieser Partie nur eine Randfigur. Für die Eintracht gerät diese letzte halbe Stunde zu einem Zitterspiel, während die Gäste zu einem lang gezogenen Endspurt ansetzen. Abwehrmann Fuchs versucht sich im Sturm und Mittelfeldspieler Rehhagel sucht Lücken für Schüsse aus der zweiten Reihe. Friedrich, neben Krafczyk der andere Eintrachtspieler im Dress der Pfälzer, steigert sich und Pirrung ist am rechten Flügel weiterhin der schlimmste Dorn im Fleisch der Frankfurter Defensive. Die Partie wird immer ruppiger, was auch daran liegt, das Schiedsrichter Basedow schon früh seine Linie verloren hat, nachdem Heese und Rehhagel sich in die Wolle und in die Beine geraten sind und ihre Abneigung mit bissigem Ernst pflegen. Es mangelt dem Schiedsrichter nicht an der Gelegenheit, seinen Ermahnungen Verwarnungen folgen zu lassen, doch lediglich Rehhagel und Reinders, der sich als Handballer versucht, bekommen den gelben Karton unter die Nase gehalten. Bei Heese greift Basedow dann doch nach der Karte, zieht sie aber nicht heraus. Diehl und Fuchs, die Grabowski abwechselnd zu Boden schicken, erhalten vom schwachen Schiedsrichter nicht einmal eine Ermahnung. Grabowski muss ohne den Schutz des Unparteiischen auskommen. Zweimal machen sich schon Spieler von der Frankfurter Ersatzbank bereit, als Grabowski jeweils am Spielfeldrand behandelt werden muss. Doch der Nationalspieler zeigt vor den Augen von Bundestrainer Schön erstaunliche Nehmerqualitäten und kehrt immer wieder unerschrocken aufs Feld zurück. Grabowski ist mit fairen Mitteln heute nicht zu halten und er lässt sich trotz seiner beiden harten Gegenspielers nicht vom Dribbeln abhalten, das er bisweilen jedoch auch übertreibt und so den rechten Moment zum Abspiel verpasst. . Die Eintracht wirkt in der letzten halben Stunde wie ein Boxer, der Knockout geschlagen ist, aber dem die Kraft zum Umfallen fehlt. Während die Lauterer unaufhörlichdrängen, versucht Ribbecks Elf in der Schlussviertelstunde mit allen noch verbleibenden Mitteln, den knappen Vorsprung über die Zeit zu bringen. Und es gelingt! „Es war ein schwer erkämpfter Sieg“, atmet Ribbeck auf. „Durch das unnötige zweite Gegentor kamen wir aus dem Spielfluss und mussten noch gehörig um den Erfolg bangen.“ Beide Trainer werfen der gegnerischen Mannschaft vor, unnötige Härte ins Spiel gebracht zu haben. „Was der Heese in der ersten Halbzeit gemacht hat, das hat doch mit Fußball nichts mehr zu tun“, erregt sich beispielsweise Lorant über die bekannt harte Gangart des Frankfurters. Die Eintracht überlässt nach diesem Sieg Rot-Weiß Oberhausen die „rote Laterne“ des Schlusslichts. Bielefeld kann aber nicht wie erhofft überholt werden, denn die Arminia hat überraschend beim Tabellenführer in Gladbach mit 2:0 gewonnen. „Das ist ärgerlich“, meint Trainer Ribbeck, „aber es lässt ja wohl auch unsere 0:1-Niederlage acht Tage vorher in Bielefeld im anderen Licht erscheinen.“ „Ich bin zufrieden mit der Leistung meiner Mannschaft“, sagt sein Kollege Lorant derweil gelassen: „Ich glaube, wir sind gesichert.“
In der Tat sind nur die Lauterer gesichert, ihr Trainer aber nicht. Die Pfälzer beenden die Saison auf Platz 8, allerdings nicht unter Lorant, sondern dessen Nachfolger Dietrich Weise. Nach einer 0:1-Heimniederlage gegen Gladbach und einem 2:5 beim Hamburger SV wird Lorant am 9.3.1971 beim 1. FC Kaiserslautern entlassen. (rs)
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