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Eintracht Frankfurt - Hamburger
SV |
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Bundesliga 1969/1970 - 17. Spieltag
2:2 (0:0)
Termin: Sa 20.12.1969, 15:30 Uhr
Zuschauer: 10.000
Schiedsrichter: Karl-Heinz Fork (Unna)
Tore: 0:1 Klaus Zaczyk (62.), 0:2 Klaus Zaczyk (70.), 1:2 Jürgen Grabowski (73.), 2:2 Horst Heese (75.)
Eintracht Frankfurt | Hamburger SV |
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Trainer | Trainer
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Ein glücklicher Punkt Das dritte Unentschieden hintereinander im Frankfurter Stadion! Aber das erste der drei, bei dem das Glück bei der Eintracht war. Gegen Hertha und Köln hätte sie zwei Punkte verdient gehabt — diesmal war der eine ein Weihnachtsgeschenk. Der HSV dominierte vor 10.000 fröstelnden Zuschauern, war von Anfang an überlegen, hatte dreimal so viele Chancen, führte durch Zaczyk 2:0 (61. und 68.) - aber innerhalb von zwei Minuten trafen zwei Kopfbälle von Grabowski (73.) und Heese (75.) zum 2:2 ins Hamburger Netz. Der beste Mann der Eintracht war Peter Kunter: Das sagt alles... Die Eintrachtler, mit schwarzen Strumpfhosen zum schwarz-roten Traditionsdreß, sahen aus wie kleine Teufelchen. Aber sie waren es nicht. Auf dem völlig geräumten Platz, wo gar das Grüne durchschimmerte, der aber so glatt war wie nebenan die Eisbahn, schlitterte die Eintracht weit mehr durch die Gegend als der HSV. Sein Spiel war sauber, klar, hatte Ziel und Richtung. Die Hamburger standen besser, liefen besser, schossen besser. Und bis zur Pause war es Glück für die Frankfurter, daß es beim 0:0 blieb. Ehe man den ersten sauberen Eintracht-Angriff, von Willi Huberts aufgezogen, registrieren konnte, hatte der HSV schon drei große Chancen gehabt. Kalb, der ungelenk und unsicher auf dem glatten Platz wirkte, rettete vor Zaczyk. Ein Schuß, im Fallen von Uwe Seeler hatte genau Richtung Kunter, und nach der ersten Ecke in der neunten Minute hätte es gleich dreimal einschlagen können. Uwes Kopfball ging an die Querlatte, beim Nachschuß von Zaczyk stand Huberts im Weg, und der zweite Nachschuß von Uwe Seeler brauste dann knapp am Tor vorbei. Kunter und Huberts — das waren die Stützen der Eintracht, die sich zwar sachte befreite, aber doch niemals ähnliche Chancen hatte wie die Hamburger. Und wie Kunter im Tor dann noch einen 20-Meter-Freistoß von Hönig reaktionsschnell wegboxte, nachdem Friedel Lutz, der im großen und ganzen mit Uwe Seeler zurechtkam, ein Handspiel fabriziert hatte, und wie der Zahnarzt dann sogar dem einsam anstürmenden Hönig entgegenstürmte und den gerade noch abblockte, das war meisterhaft. Peter Kunter war der große Star. Willi Huberts hatte von den anderen den besten Stand. Er hätte auch in der HSV-Elf spielen können, in der Willi Schulz, Hans Schulz, der Grabowski zu mancher Rutschpartie brachte, Hönig und auch Charly Dörfel, der dem ebenfalls unsicheren „Kalla“ Wirth einige Probleme servierte, überragten. Optisch änderte sich das Bild zwar nach der ersten Viertelstunde. Die Eintracht hatte ihre Ausgeglichenheit, aber ihr Sturm hatte längst nicht so viel Dampf wie der des HSV. Auch Heese kam auf dem Platz kaum zurecht. Von ihm sah man nur zwei Kopfbälle. Grabowskis beste Tat, eine flache Flanke zum freien Hölzenbein, schnappte sich Torwart Özcan im Fluge. Die Sache wurde dramatisch. Der HSV hielt Ernte für all das, was er in der ersten Halbzeit gesät hatte. Als Dringelstein in der 58. Minute nach einem Paß von Uwe Seeler aus spitzem Winkel schoß, da hatte die Eintracht noch gewaltiges Glück. Der Ball sprang an den Innenpfosten und lief dann sanft die Torlinie entlang. Aber nach zwei dicken Fehlern von Kalb, dem unsichersten von allen unsicheren Eintracht-Spielern, kam das Tandem Hönig— Zaczyk ins Spiel. Einmal wehrte Kunter ab, aber als sie wieder zusammen paßten, kam der Frankfurter Schlußmann an den Kopfball von Zaczyk nicht mehr heran (61. Minute). Zaczyk war es auch, der prächtig in eine Laufbahn startete, wo Dörfel den Ball hinzirkelte, und aus 20 Metern zum 2:0 einbombte (68.). Es schien, als würde die Eintracht nun auseinandergerupft. Der HSV hatte weiter große Szenen, beherrschte das Spiel wie er wollte, und bei Schwarzrot schien sich die Resignation breitzumachen. Aber da kam wieder einmal einer der ganz seltenen Eintracht-Angriffe: Schämer zirkelte einfach einmal hoch vors Tor, Özcan verpaßte, und Grabowski nickte per Aufsetzer ins Toreck (73. Minute). Das gab Auftrieb, das spornte noch einmal an. Zu einer imponierenden Figur wurde der junge Trinklein. Der neunte Eckball der Eintracht segelte herein, Heese stand richtig und traf endlich einmal mit dem Kopf an Özcan vorbei. Innerhalb von drei Minuten war eine völlig geschlagene Eintracht wenigstens noch wieder auf ein Unentschieden herangekommen, aber umsorgt, war es dann bis zum Schlußpfiff. Denn von nun an sah man das bessere Fußballspiel wieder in den Reihen der Hamburger. Die Trainer-Meinung Erich Ribbeck (Eintracht Frankfurt): „Es wäre besser gewesen, den Platz nicht restlos vom Schnee zu räumen. Mit den schwierigen Bodenverhältnissen sind die Hamburger besser fertig geworden als wir. Mit dem 2:2 bin ich sehr zufrieden. Der HSV hatte die klareren Chancen…“ Georg Knöpfle (HSV): „Ich war überrascht, daß beide Mannschaften auf dieser Rutschbahn den Ball so gut führen konnten. Nach unserer 2:0-Führung habe ich selbstverständlich an einen Sieg geglaubt. Den Chancen nach wäre ein doppelter Punktgewinn für uns auch verdient gewesen!“
In Galaform: Dr. Kunter Der Torwart auf der einen Seite, der im Programmheft der Eintracht zum erstenmal unter dem Titel „Doktor“ angekündigte Zahnarzt Peter Kunter, rettete seiner Mannschaft durch Glanzparaden einen Punkt — der Torwart auf der anderen Seite, der Türke Özcan, verscherzte der spielerisch überlegenen HSV-Truppe den verdienten zweiten Punkt, denn beide Kopfbälle zum Frankfurter Ausgleich waren haltbar. Kurios, daß die Eintracht, die vor 14 Tagen dem 1. FC Köln zeigte, wie auf Schneeboden gespielt werden muß, diesmal gegen den HSV dasselbe Lehrgeld zu zahlen hatte. Vielleicht lag es daran, daß die Verantwortlichen im Frankfurter Stadion zum Vorrundenschluß mit einer Glanzleistung aufwarten wollten und den Schnee restlos abkratzen ließen. Die Folge war ein Eisparkett, mit dem die Gäste aus dem Norden viel besser zurechtkamen, während die Riederwälder über den tückischen Boden tanzten und schlitterten wie die Clowns bei einer Eisrevue. Dazu kam, daß vom Frankfurter Mittelfeld diesmal nichts zu sehen war. Kalb fand von der ersten bis zur letzten Minute keine Bande, und Trinklein hatte mit Hönig soviel Mühe, daß für den weiteren Aufbau keine Zeit blieb. Weit überlegter lief der Ball bei den Hamburgern von Station zu Station, aus der Abwehr heraus durch einen Willi Schulz schon präzise zugespielt, dann über die Dreierreihe in der Mitte, wo sein Namensvetter Hans (trotz Grabowski-Beschattung) ebenso gut anspielbar war wie ein Hönig oder Zaczyk, die beide dazu noch ohne Zögern aus der zweiten Reihe schossen. Vorne lauerte Uwe Seeler auf seine Chance und war mit seinen Schüssen aus der Drehung heraus immer noch eminent gefährlich, während „Polizist“ Friedel Lutz ihm die Kopfbälle reihenweise wegschnappte. (Kicker)
Der einzige Akademiker der Bundesliga spielt mit der Nummer 1 bei der Frankfurter „Eintracht“. Peter Kunter hat seine Doktorarbeit geschrieben, hat promoviert und darf sich seit zwei Wochen Dr. Peter Kunter nennen. Doch er will gern noch zwei Jahre im Tor der Eintracht stehen, ehe er darangeht, eine eigene Zahnarztpraxis aufzubauen. „Das Fußballspielen macht noch viel zuviel Spaß“, gesteht der Doktor. Vertreter für Kapitän Dieter Lindner ist seit zwei Wochen Jürgen Grabowski. Lothar Schämer legte das Amt freiwillig nieder, die Mannschaft wählte Grabowski als Nachfolger. Helmut Schön interessiert sich endlich wieder für Jürgen Grabowski. Nach dem Bundesligaspiel gegen den 1. FC Köln gestand der Bundestrainer: „In dieser Form ist Grabowski für jede Mannschaft interessant.“
Zwischenbilanz: Sorgenkind Angriff Bei Frankfurt hat nur Heese eingeschlagen Daß die Spielerdecke bei der Frankfurter Eintracht zu kurz ist, wußte Trainer Erich Ribbeck schon zu Beginn der Saison. Inzwischen haben sich seine Befürchtungen bestätigt. Was hinter dem ersten Glied steht, ist einfach zu wenig. Deshalb würde es der jüngste Trainer der Bundesliga nicht nur grundsätzlich, sondern aus seiner eigenen prekären Lage heraus begrüßen, wenn die Vereine bei Halbzeit die Möglichkeit hätten, ihre Truppe zu überprüfen und bei Bedarf zu ergänzen: „Man weiß doch schon nach ein paar Wochen, wie der Hase läuft, und spätestens nach ein paar Monaten würde man gern manches ändern, wenn es nur möglich wäre.“ Es ist kein Geheimnis, daß die Sorge Nr.
1 am Frankfurter Riederwald der Angriff ist. In dieser Richtung
zielten ja auch bereits die Einkäufe vor Beginn der Saison,
doch leider haben sich die Erwartungen nur in geringem Maße
erfüllt. Lediglich der Ex-Wuppertaler Horst Heese ist dabei,
sich nach Überwindung der ärgsten technischen Mängel
einen Stammplatz in der Angriffsmitte zu erobern, während
Wachsmann und Wagner nach dem Auskurieren früher Verletzungen
noch immer nicht Tritt gefaßt haben. Freilich, Namen zur
Behebung der Angriffsmisere hat Ribbeck nicht parat: „Ein
Typ Netzer oder Overath als Mittelfeldregisseur und Torschütze
in einer Person wäre ideal — aber solche Leute sind
ja im ‚freien Handel‘ nicht zu haben.“ Dabei
weist der Frankfurter Trainer auf etwas hin, was nach seiner Meinung
ein Mangel im Statut ist: „Für diese Spieler müßte
die Begrenzung in der Ablösesumme ganz aufgehoben werden,
denn sie sind für ihre Vereine doch gut und gern eine halbe
Million wert, also praktisch in der Bundesrepublik unverkäuflich
— oder nur unter dem Tisch zu bezahlen.“
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