Eintracht Frankfurt - 1860 München

Bundesliga 1969/1970 - 11. Spieltag

4:3 (0:0)

Termin: Sa 01.11.1969, 15:30 Uhr
Zuschauer: 14.000
Schiedsrichter: Gerd Hennig (Duisburg)
Tore: 1:0 Lothar Schämer (60.), 1:1 Klaus Fischer (62.), 1:2 Klaus Fischer (70.), 2:2 Horst Heese (72.), 2:3 Klaus Fischer (74.), 3:3 Horst Heese (85.), 4:3 Bernd Nickel (89.)

 


>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt 1860 München

 


  • Petar Radenkovic
  • Wolfgang Lex
  • Zeljko Perusic
  • Manfred Wagner
  • Rudolf Zeiser
  • Ferdinand Keller
  • Horst Blankenburg
  • Klaus Fischer
  • Bernd Gerstner
  • Horst Schmidt
  • Dieter Schumacher

 

Wechsel Wechsel
  • Max Reichenberger für Wolfgang Lex (60.)
  • Franz Hiller für Zeljko Perusic (86.)
Trainer Trainer
  • Fritz Langner

 

 

Feghelm im Fegefeuer

Diesen Fußball-Krimi der letzten halben Stunde gibt es in Frankfurt wohl nur mit den „Löwen“. Am Tag, nachdem Merkel 1966 weggejagt wurde, führte 1860 im Waldstadion eine Viertelstunde vor Schluß 3:0 und wurde noch eingeholt. Diesmal, nachdem gerade für Fritz Langner ein fast leidenschaftliches Vertrauensvotum abgegeben wurde, stand der Altmeister wieder näher am Sieg. Fünf Minuten vor dem Ende führten die Sechziger 3:2, und „Radi“ feierte in seinem Bereich Folklore. Vier Minuten später hätte er vor Wut das Tornetz verbrennen können. 1860 kann in Frankfurt nicht gewinnen! Wer von den Frankfurtern noch kein „Löwen“-Freund war, wurde es nach dem Pech des Tabellenletzten. Da spielte eine Mannschaft ohne Fortuna die beste Partie seit Monaten, holte das 1:0 auf, führte zweimal und mußte doch geschlagen von dannen ziehen. Trainer Langner, von diesem Thriller schwer gezeichnet, konnte nur unablässig Lobeshymen auf seine Männer singen, die in der ersten Halbzeit vor lauter Nerven nicht wußten, wo das Eintracht-Tor stand und Löcher in die Luft und den Stadionboden kickten.

Dieser erste Teil war dürftig, weil auch bei der Eintracht nicht viel zusammenlief. Erregendste Szene, als Jusufi einen zum Toreck zischenden Schuß von Wagner noch in eine andere Richtung schlug.

Mit dem ersten Tor nach einer Stunde wurden Kräfte freigelegt, die niemand vermutete. Die Frankfurter kamen aus zwei Gründen in Bedrängnis. Sie standen mit fünf Spielern in der Abwehr fast auf einer Linie. Die übrigen fünf wollten stürmen. Im Mittelfeld konnten sich die Münchner tummeln. Zeiser war der auffälligste Mann, Blankenburg die Geheimwaffe der zweiten Front. Schmidt blieb als Ballschlepper unübertroffen. Fischer und Keller traten als Torjäger in Erscheinung.

Die zweite Frankfurter Misere lag beim Torwart. Feghelms erstes Bundesligaspiel nach drei Jahren (für den knöchelverletzten Kunter) ging in der zweiten Hälfte daneben. Lutz und Trinklein konnten die Abwehr nicht formieren, weil Wirth und Schämer mäßig spielten und Huberts überall im Weg stand. Erst als Huberts weite Pässe auf die Flügel schickte, wurde das Eintracht-Spiel giftig. Nicht zuletzt durch Heese, der sich immer mehr steigert, und durch Grabowski als Wegbereiter. Von Wagner sah man nichts. Jusufi wurde nach vielen Fehlleistungen ausgetauscht.

Auch Münchens Schwäche hieß Wagner, der gegen Grabowski nur Teilerfolge feierte und Perusic vor brennende Probleme stellte. Lex wurde nach der zweiten Verwarnung ausgetauscht, „Radi“ durch drei Tore aus nächster Entfernung bezwungen. Die Unerfahrenheit der Elf kostete den Erfolg. Die Tändelei nach der 3:2-Führung bereitete den Ausgleich vor.

Die Tore

1:0 (60.) Schämer, 16-Meter-Schuß nach kurz zugespieltem Freistoß von Grabowski; 1:1 (62.) Fischer, flacher Nachschuß nach einem Eckball; 1:2 (69.) Keller, aus kurzer Entfernung, als Feghelm einen Hinterhaltschuß von Blankenburg fallen ließ; 2:2 (72.) Heese, aus fünf Meter nach einem von Hölzenbein zum Tor gelenkten Graboski-Eckball; 2:3 (74.) Fischer, Kopfball über Feghelm hinweg nach weiter Flanke von Schuhmacher; 3:3 (85.) Heese, torpedoähnlicher Kopfball als Aufsetzer ins kurze Eck auf Grabowski-Flanke; 4:3 (89.) Nickel, Bogenschuß nach einem Riesengedränge

Die Trainer

Erich Ribbeck (Frankfurt): „Natürlich sind wir froh, noch gewonnen zu haben. Aber ich denke mehr noch an die „Löwen“ und deren Lage. Eine Mannschaft, die so gut spielte und in den letzten fünf Minuten den sicheren Sieg verliert. Wir haben keine Einstellung im Mittelfeld zum Gegner gefunden. Lutz, Huberts und Trinklein sollten abwechselnd in der Verbindung spielen. Das ist schiefgegangen und wird nicht wiederholt. Es gab erst mehr Druck, als Huberts aufrückte und weite Passe über die Flügel schlug. Dann wurden wir endlich gefährlich. Vorher wollte jeder durch die Mitte stürmen. Auch Grabowski drängte zu oft nach innen. Feghelm hat beim zweiten Tor einen schweren Fehler gemacht. Wahrscheinlich wäre das dritte Tor dann gar nicht gekommen. Er sitzt in der Kabine und weint.“

Trainer Fritz Langer (1860): „So ist Fußball! Wir waren hervorragend eingestellt. Jeder hat seine Marschorder eingehalten. Unsere junge Mannschaft ist noch nicht reif genug. Die Freude über die Tore bat manche Spieler vielleicht zu sicher gemacht. Wir wollten bis zur Pause das 0:0 halten und dann kommen.“

 


 

Zu früh abgeschaltet

Für 1860 dauerte das Spiel nur 85 Minuten. Deshalb verlor es ein Spiel, das nicht mehr zu verlieren war. Für Eintracht dauerte das Spiel 91 Minuten. Deshalb riß sie ein verlorenes Spiel noch aus dem Feuer.

Die Eintracht kam mit ihrer merkwürdigen Abwehrstrategie (die einen dauernden Libero-Wechsel zwischen Lutz und Huberts vorsah) nie zurecht. 1860 schien die 3:2-Führung fünf Minuten vor Schluß zu belasten. Statt sicher zu werden, wurde es nervös. Es spielte klein-klein und noch kleiner, reizte den angeschlagenen Gegner. Gereizte sind doppelt gefährlich! Nach weiteren 240 Sekunden hatte Eintracht 4:3 gewonnen. Es war die schlechteste Eintracht, die in der Bundesliga in Frankfurt je gegen 1860 spielte — und es war umgekehrt das schwächste 1860, das hier in der Bundesliga auftrat. Die sieben Tore (innerhalb von 28 Minuten gefallen) gaukeln ein falsches Bild vor.

Eintracht lebte von Grabowski-Flanken und Grabowski-Eckbällen, von dem Mut Heeses, in diese Flanken hineinzusteigen. Nut einem Eintracht-Tor ging ein Mini-Spielzug voraus. 1860 lebte von einer Frankfurter Fehlschaltung in der zweiter Halbzeit: Jusufis Herausnahme gab Blankenburg den Spielraum, da er 45 Minuten lang eingeengt worden war. Blankenburg trieb seinen energischen, doch balltechnisch noch zu schwachen Sturm zu den ersten Toren nach über neun Stunden …

Die 60er-Abwehr wird zu schnell nervös, wenn man sie attackiert. Es fehlt der Mann mit Übersicht, den Perusic nicht spielen kann. Es fehlt ein Verteidiger von Format, mit klarem Abschlag. Es fehlt noch vieles. Trotz des Hoffnungsstrahls von Frankfurt. (Kicker)

 


 

Hier blutet Radi immer!

Den „Radi“ muß es allmählich vor Frankfurt grausen! In keiner Stadt wurde ihm in sieben Jahren Bundesliga so böse mitgespielt wie dort! Die Zahlen der sieben Spiele im Waldstadion sprechen für sich: 2:5, 1:4, 2:5, 3:3, 1:2 0:3, 3:4! 26 Tore!!

60 Minuten lang hatte Radi sein Tor am Samstagabend reingehalten. Dann haute ihm Eintracht doch noch den Laden voll. Eine Eintracht, die zudem den wahrscheinlich schwächsten Angriff besaß, der je auf 1860 traf. Noch nie aber spielte eine so konfuse 1860er Abwehr gegen die Frankfurter … Da kann auch ein Radi nichts machen.

Vor allem das sollte zu denken geben: 1860 hat keinen kopfballstarken Abwehrspieler mehr! Perusic ist ohnehin körperlich zu klein, den anderen fehlt es an der Sprungkraft. Drei Tore gegen 1860 fielen auf Flanken oder Ecken! Nr. 4 (das 1:0 im Spiel) war ein Schämer-Freistoß, den irgendein Münchner Bein unerreichbar für den in der richtigen Ecke liegenden Radenkovic abfälschte.

„Krumme Tore“ sind dem Radi in Frankfurt ins Netz gefallen. Den Münchnern fehlt einer, der die Abwehr zusammenhalten kann. Einer, der kühlen Kopf bewahrt, wenn es brenzlig wird. Die Frankfurter haben andere Sorgen — aber ganz schuldlos sind sie daran nicht. Als der in den letzten Wochen in Prachtform spielende Kunter wegen einer Knöchelverletzung ärztliches Spielverbot erhielt, stand Eintracht plötzlich vor einem Torwartproblem. Hans Tilkowski war längst nicht mehr gefragt. Frankfurts Trainer Ribbeck löste das sicherlich schwierige Generationsproblem zwischen beiden damit, daß er Tilkowski aus dem Lizenzsplelerkrels entfernte und den 39maligen Natlonalhüter auf „Eintracht-Rente" setzen ließ. Ich hielt das stets weder für einen klugen, noch menschlich vernünftigen Zug des Eintracht-Trainers. So gut. so schlecht. Eintracht mußte auf den ewigen Ersatzmann Feghelm zurückgreifen. Der Sigbert machte zwei böse Schnitzer, die Eintracht fast das Spiel gekostet hätten.

Aber Feghelm, der nach dem Spiel zerknittert in der Kabine saß, einen Vorwurf daraus machen zu wollen? Nichts von dem! Sein letztes Bundesligaspiel zuvor hatte Feghelm am 18. Februar 1967 bestritten. Kein Wunder, daß nach so langer Zelt seine Nerven flatterten...

 

 

 


 

Neuer Grabowski überzeugt Schön

Millionen vom „Libuda-Double“ begeistert

Für den hart umkämpften Rechtsaußenposten unserer Nationalelf gibt es einen neuen Anwärter: den Frankfurter Slalomläufer Jürgen Grabowski (25). Das deutete gestern Bundestrainer Helmut Schön in einem Interview mit BILD an.


Keiner narrt die Verteidiger
wie er: Jürgen Grabowski

Wie die 15.000 Zuschauer im Frankfurter Waldstadion und Millionen an den Bildschirmen, so war auch Helmut Schön von der Klasseleistung des blonden Eintrachtlers beim 4:3 über 1860 angetan. Schön: „Es scheint jetzt so, als ob Grabowski unter der Trainingsleitung von Erich Ribbeck zu einer konstanten Form gefunden hat und — was besonders zählt — er geht auf Tore aus. Heute kämpft Jürgen, wie man es nicht immer von ihm kannte. Das ist neu an ihm. Alle, die ihn kennen, wußten, daß er seit der letzten Weltmeisterschaft in England sehr unterschiedlich gespielt hat …“

Damit soll es jetzt vorbei sein. Das hat sich der wie Schön in Wiesbaden beheimatete Porschefahrer Grabowski geschworen. „Ich will es ganz genau wissen. Ich möchte, wenn die Fahrkarten für Mexiko gelöst werden, am Ausgabeschalter mit dabei sein.“ Eintracht-Trainer Ribbeck ist fast sicher, daß sein Mann die Koffer packen darf: „Ich kenne zur Zeit keinen besseren Rechtsaußen in Deutschland. Auch der gegnerische Trainer Fritz Langner von 1860 München war voll des Lobs: „Von Grabowskis Ideen lebt der Eintracht-Sturm!“

Beim Kampf um den rechten Flügel für Mexiko trifft Jürgen auf einen Mann, der sein Double sein könnte: „Stan“ Libuda, den Helden von Hamburg, der selbst den starken Bernd Dörfel aus dem Rennen warf. Schön: Ja, in Sofia bei der Generalprobe neigte ich noch zu Dörfel. Mit Libuda war es schon immer ähnlich wie mit Grabowski: Beide waren nicht beständig genug. Das scheint jetzt überwunden zu sein. Ich äußere mich ganz positiv zu Grabowski. Er wird den Konkurrenzkampf auf dem rechten Flügel beleben. Ich bin überhaupt an technisch und spielerisch versierten Typen interessiert.“

Macht mir den rechten Flügel stark ... Mit Grabowski, Libuda — oder Dörfel — kann Bundestrainer Helmut Schön diese Forderung des altpreußischen Strategen Clausewitz in Mexiko je nach Bedarfslage erfüllen.

 

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