Eintracht Frankfurt - MSV Duisburg

Bundesliga 1968/1969 - 20. Spieltag

2:1 (1:0)

Termin: Sa 25.01.1969, 15:30 Uhr
Zuschauer: 8.000
Schiedsrichter: Ewald Regely (Berlin)
Tore: 1:0 Ernst Abbé (31.), 2:0 Lothar Schämer (48.), 2:1 Horst Gecks (88.)

 

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Eintracht Frankfurt MSV Duisburg

 


  • Manfred Manglitz
  • Detlef Pirsig
  • Anton Burghardt
  • Michael Bella
  • Hartmut Heidemann
  • Rainer Budde
  • Werner Lotz
  • Horst Gecks
  • Helmut Huttary
  • Djordje Pavlic
  • Willibert Kremer

 

Wechsel Wechsel
  • Manfred Müller für Rainer Budde (78.)
Trainer Trainer
  • Robert Gebhardt



Diese Frankfurter schießen wieder

Vor einer Woche hatte die Frankfurter Eintracht nach teilweise glanzvollem Mittelfeldspiel und einem Eckenverhältnis von 24:5 gegen eine ganz auf Defensive eingestellte Aachener Alemannia 0:1 verloren — diesmal siegte sie gegen einen immer wieder gefährlich konternden MSV Duisburg bei 9:11 Ecken mit 2:1. Eines lernte die Frankfurter Mannschaft zweifellos inzwischen: Schießen! Eine Woche zuvor war sie in Schönheit gestorben. Jetzt gab es eine ganze Serie von Scharfschüssen und Kopfbällen auf das Tor des Gegners, von denen zwei gegen Manglitz ihr Ziel fanden. Die beiden Torschützen waren zum ersten Male seit langem wieder dabei: Ernst Abbé, der 20jährige Mittelstürmer, und Lothar Schämer, der Linksverteidiger mit dem Offensivdrang und den unerwarteten Schüssen aus dem Hintergrunde. Aber war die Eintracht gegen Duisburg wirklich besser als gegen Aachen?

Zunächst schien es nicht so. Zunächst pfiffen die nur spärlich erschienenen Zuschauer (eine Quittung für die fehlenden Tore der letzten Zeit!), die selbst bei diesigem Wetter bald zu erkennen vermochten, wie zögernd kombiniert, wie eng gespielt, wie immer wieder sogar der Rückwärtsgang eingeschaltet wurde. Nur Hölzenbein im Mittelfeld schlug Breschen in die Abwehr des zunächst ganz auf „Vorsicht ist die Mutter der Weisheit" eingestellten Gegners. Hölzenbeins Sturmlauf am rechten Flügel mit anschließender Flanke hoch über Manglitz hinweg brachte nach einer halben Stunde durch Abbes Kopfballtor den Stürmern die vielleicht erstaunliche Gewißheit: Wir können ja auch Tore machen!

Und dann lief es. Dann schossen und köpften sie plötzlich alle, selbst der ewige Dribbler Grabowski riskierte es. Nun bekam das Publikum etwas zu sehen für sein Geld und feuerte die eigene Mannschaft sogar an. Woran es lag, daß etwa zehn Minuten nach dem 2:0 durch Schämer Mitte der zweiten Halbzeit plötzlich wieder Unsicherheit um sich griff, ist eines der ewigen Eintracht-Rätsel. Wahrscheinlich kann die Mannschaft einfach taktisch nicht umschalten; denn nun, nach dem beruhigenden Vorsprung, galt es nur noch, den Sieg zu sichern. Doch immerhin gegen eine Mannschaft, die dann gefährlich wurde, wenn sie direkt spielte, wenn sie zu kontern begann. Das konnten die Duisburger nämlich weitaus besser. Ihr Pech, daß Mittelstürmer Budde, der in der 38. Minute nach einem Foul von Schämer verletzt ausschied, nach der Pause zwar wieder kam, aber nur ein halber Mann war und zwölf Minuten vor Schluß endgültig Müller Platz machte — daß Budde also als Partner des schnellen Gecks mehr und mehr fehlte. So erzwang allein der Wirbelwind mit der Nr. 7 zwei Minuten vor Schluß ein Tor.

Lob für Huberts

MSV-Trainer „Zapf" Gebhardt erkannte zwar den verdienten Eintracht-Sieg an, meinte aber, beide Tore hätten nicht zu fallen brauchen, wenn Manglitz jeweils auf dem richtigen Platz gestanden hätte. Dazu sei Abbés Kopfballtreffer gerade zu einem Zeitpunkt gefallen, da seine Mannschaft nach dem Abfangen der ersten Eintracht-Angriffe dabei gewesen wäre, selber die Initiative zu ergreifen. Daß die Frankfurter trotz ihres 2:0-Vorsprungs in der zweiten Halbzeit so abgefallen seien, wertete er als deutliches Zeichen der Schwäche.

Einen Zwei-Tore-Unterschied hätte dagegen Eintracht-Trainer Erich Ribbeck als verdient angesehen. Er rühmte den Vorwärtsdrang von Hölzenbein im Mittelfeld und bezog auch Kalb in das allgemeine Mittelfeldlob mit ein. Zur Leistung von Huberts: „Man soll ihn ja gar nicht so sehr loben, sonst wird er übermütig. Aber wer heute noch nicht erkannt hat, was er als freier Mann im Hintergrunde wert ist, dem ist nicht zu helfen!" (Kicker)

 


 

Eintracht auf dem Weg zur Besserung

Als Lothar Schämer unmittelbar nach der Pause mit einem enormen Schuß aus rund 30 Metern zur 2:0-Führung der Frankfurter Eintracht in den rechten oberen Winkel getroffen hatte, erlebte das Publikum so etwas wie eine Uraufführung. Erstmals seit Beginn seiner Tätigkeit am Main riß es Trainer Erich Ribbcck vom Sitz. Für den Bruchteil einer Zehntelsekunde schien er mit hoch über den Kopf ausgestreckten Armen zwischen Himmel und Erde zu verharren. Dann stand er wieder auf dem Boden und konnte sich offenbar selbst nicht begreifen. Das Sprunghafte gehört nicht zu seinem Repertoire. Aber irgendwie mußte ihn wohl das Gefühl übermannt haben, daß hier und jetzt mit einiger Wahrscheinlichkeit mehrere Entscheidungen auf einmal gefallen waren: die Entscheidung über Sieg oder Niederlage in diesem Spiel, eine Entscheidung über den Weg des Frankfurter Fußballs in den nächsten Monaten und eine Entscheidung über seine Karriere als Fußball-Lehrer. Daß dieses Tor kein gewöhnliches Tor war, sondern eines, wie es selbst der urige Schämer nur alle Jubeljahre schießt, wirkte wie der Höhepunkt eines Kolportagenromans. Unter milchigem Flutlicht drehten sich die Nebel dazu.

„Vorigen Samstag wäre der Ball von der Latte wieder herausgesprungen!", meinte Ribbeck später, „aber man kann ja nicht immer so viel Pech haben". Es lag ihm viel daran, die Szene schnellstens wieder zu entwölken. Diesem Zweck diente auch der große Satz: „Zu Huberts sage ich gar nichts mehr!". Er brauchte es auch nicht. Bevor Ribbeck kam, hatte „Zapf" Gebhardt, der Trainer der Duisburger, bereits die passenden Worte gefunden: „Ich gratuliere meinem Freund Erich — er spielte früher in Wuppertal bei mir — zu seinem Schachzug. Huberts war als Libero die überragende Figur auf dem Feld."

Seine Worte wogen um so mehr, als er im übrigen keineswegs zu Komplimenten aufgelegt war. Nach seiner Ansicht verdankte die Eintracht ihren Sieg in hohem Maße der Unfähigkeit seiner Elf, die Schwäche des Gegners nach dem Wechsel konsequent auszunutzen. Vor „Zapfs" geistigem Auge standen nur noch die verdorbenen Chancen von Gecks der auf dem Weg zum 2:1 an den Beinen des querliegenden Tilkowski hängengeblieben war, und von Lötz, dessen hinterhältiger Kopfball fast unhaltbar schien, als Tilkowski mit einem Sprung wie vor zehn Jahren doch noch die Fingerspitzen in die Flugrichtung brachte. Die Chancen der Eintracht, die länderspielreifen Reaktionen seines Torhüters Manglitz bei Schüssen von Hölzenbein, Grabowski und Wirth hatte „Zapf" längst vergessen.

Huberts vergaß er nicht. Zu oft hatte dieser Gentleman-Ausputzer das feine Gespinst der Duisburger Kombinationen mit beckenbauerischer Eleganz zerschnitten. Auch das letzte Aufgebot der Eintracht-Freunde, 8000 an der Zahl, das endlich einmal kräftiger aus sich herausging, staunte. Vor einer Woche hatte man Huberts in seiner neuen Rolle ausschließlich als „verdeckten Verbinder" kennengelernt.

Diesmal, nach der Pause, als die Eintracht plötzlich einer Übermacht gegenüberstand, als sich Gecks mehr und mehr aus der Kontrolle Schämers herausschmuggelte, als Heidemann, Pavlic und Pirsig aus dem Nebel kamen und die Übersicht in der Eintracht-Abwehr sich verdunkelte, nahm das Huberts-Bild ganz neue Züge an. Frankfurt sah erstmals den Abwehrkämpfer Huberts, den Mann der letzten Sekunde, den Zauberkünstler, der im dichtesten Gedränge mit Kanonenkugeln wie mit Christbaumkugeln umging.

„Und haben Sie gesehen, wie er in die Kopfbälle reinging?" rutschte es dem Erich Ribbeck wider Willen heraus. Jetzt war ihm doch ein Lob unterlaufen. Zu viel Lob kann diesem Huberts in der Tat nur schaden. Manches, was er tat, bewegte sich bereits auf der Grenze zwischen Souveränität und Leichtsinn.

Das Gespann Lutz-Huberts

Noch eine wichtige Erkenntnis für die Eintracht wurde gerade während der Notzeit nach dem Wechsel bekräftigt: daß Lutz and Huberts als unmittelbare Nachbarn in der Abwehrmitte ein Gespann von hohen Graden bilden. Lutz beschränkte sich nicht nur auf den schweren Zweikampf mit dem gefährlichen Duisburger Mittelstürmer Budde. Er rannte, wenn Huberts nicht schnell genug war; er köpfte, wenn Huberts nicht lang genug war. Er paßte auf, wenn sich Huberts auf Reisen befand. Zwei Gegensätze ergänzten sich zu einer Einheit, hinter der sich Tilkowski sicher wie selten fühlte.

Friedel Lutz machte nur einen einzigen krassen Fehler, als er den Ball kurz vor Schluß genau in die Laufrichtung Gecks köpfte. Gecks Direktschuß zum 2:1 aber kam bereits so spät, daß sich kein Duisburger mehr darüber freute. Ein gutes Spiel, in dem die Eintracht trotz allem einen höheren Sieg verdient hätte, war gelaufen. Es war sicher nicht die große Wende. Es war nur die verbesserte Auflage von vor einer Woche.

Diesmal klappte alles, was Ribbeck angepackt hatte. Die Rückversetzung Hölzenbeins in die Verbindung verschaffte den Frankfurtern die ausschlaggebende Machtposition im Mittelfeld. Hölzenbein war nach Huberts die zweite, nicht minder wichtige Zentralfigur im Eintrachtspiel. Bei seinen geradlinigen Dribblings sah er aus wie ein später Nachfahr des jungen Alfred Pfaff. Sein Arbeitspensum erinnerte an das von Jürgen Friedrich. Nur für die Torszenen ist er noch zu grün.

Die Neuen schossen die Tore

Schämer, der wochenlang wegen einer Verletzung gefehlt hatte, sprühte vor Frische an Leib und Seele. Annähernd eine Stunde lang beherrschte er Gecks und drang nebenbei mehr als ein Dutzendmal bedrohlich bis an die Strafraumgrenze vor. Jeder seiner Vorstöße bedeutete Alarm für die Duisburger. Schämer hatte in erster Linie das Verdienst, daß die Eintracht um gefährlich zu werden, nicht mehr ausschließlich auf ihre Sturmspitzen angewiesen war. Aber auch an der Sturmspitze regte es sich wieder. Abbe kam zwar nur selten mit dem Ball in Berührung, dafür aber um so mehr mit dem Gegner. Die Duisburger mußten ihn ernst nehmen, obwohl er rein spielerisch hoffnungslos abfiel. Allein seine Anwesenheit stiftete Verwirrung. Nur ein einzigesmal freilich winkte ihm die ganz große Gelegenheit. Prompt führte die Eintracht 1:0.

Grabowskis mutige Duelle mit Bella, Wirths verblüffende Offensiveinlagen, Kalbs Laufarbeit waren weitere wesentliche Bestandteile einer Eintracht, die im Kern gesund blieb. Daß der Außenstürmer Nickel im Schatten des Innenstürmers Nickel steht, weiß man, daß man mit Bechtold viel Geduld braucht, ebenfalls. (Frankfurter Rundschau)

 

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