Eintracht Frankfurt - Hamburger
SV |
Bundesliga 1968/1969 - 16. Spieltag
2:2 (1:0)
Termin: Sa 30.11.1968, 15:30 Uhr
Zuschauer: 20.000
Schiedsrichter: Hans-Joachim Weyland (Oberhausen)
Tore: 1:0 Friedel Lutz (18.), 1:1 Uwe Seeler (67.), 1:2 Werner Krämer (73.), 2:2 Walter Bechtold (82.)
Eintracht Frankfurt | Hamburger SV |
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Das gerechteste Unentschieden der Welt Frankfurt sah endlich wieder großen Fußball. Darin stimmten beide Seiten überein, die Eintracht-Freunde und die Freunde des HSV, die wie immer, wenn Uwe Seeler im Lande ist, mindestens die Hälfte des Publikums stellten. Wo es Differenzen gab, ging es lediglich darum, ob dies die beste Partie der Saison, des Jahres oder der Bundesligazeit überhaupt gewesen sei. Es handelte sich in der Tat um einen lange nicht mehr erlebten Glücksfall. Wenn einer sonst von einem guten Spiel spricht, dann meint er meistens, daß die Mannschaft seines Herzens gut gespielt hat. Diesmal meinte man die ganze Chose. Zuerst wurden die blauen Fähnchen der Uwe- und die schwarzweißen der Jusufi-Verehrer noch abwechselnd geschwenkt, zum Schluß wurden sie gleichzeitig gehißt. Zu Ehren des gerechtesten Unentschiedens der Welt. Für jeden Geschmack war gesorgt. In der ersten halben Stunde ergötzten sich die stillen Genießer an einer Eintracht, die man schon gar nicht mehr für möglich hielt, einer Eintracht, die gewaltlos, ausschließlich mit dem Tempo ihrer Kombinationen, mit ihren Ideen und ihrem Schwung die geballte Gewalt in der Hamburger Abwehr lahmlegte. Selbst wenn die geballte Gewalt, wie vor allem bei Kurbjuhn, in nackte Gewalt umschlug, schwofte diese Eintracht ihren herrlichen Schwof in den Strafraum hinein weiter. Die Davids hatten die Goliaths unter der Fuchtel. Dann drehte sich das Blatt. Schon vor der Pause sah man die ersten Anzeichen. Man nahm sie nicht ernst, zumal die Eintracht ihr Intelligenzspiel zu Beginn der zweiten Halbzeit noch steigerte. Doch langsam ging der Vorrat an Frische zur Neige. Die Hamburger wuchsen zuerst deshalb, weil ihr Gegner kleiner wurde. Und dann wuchsen sie überhaupt. Willi Schulz pirschte sich aus dem Hintergrund ins Mittelfeld, wo er plötzlich eine ganze Läuferreihe für sich bildete. Hans Schulz ging kaum noch hinter die Mittellinie zurück. „Ela" Krämer, und „Charly" Dörfel räkelten sich nach langem Schlaf. Die Hamburger spielten auch in den erstaunlichen zwanzig Minuten, als sie ihren 0:1- Rückstand in einen 2:1-Vorsprung umwandelten, nie so kunstvoll, dafür jedoch mindestens so gut wie die Eintracht. Die Messerspitze Esprit die Ihnen im Vergleich zu den Frankfurter der ersten halben Stunde fehlte, machten sie wett durch einen Eßlöffel Dynamik. Die Partie blieb so und so eine Delikatesse. Sogar die Trainer waren in Hochform. Trainer Koch vom HSV führte den Umschwung und zumindest einen Treffer seiner Mannschaft in aller Bescheidenheit auf den Geniestreich zurück, Dörfel von der Aufgabe des Jusufi-Verfolgers zu entlasten und ihn nach dem Wechsel hinter dem Rücken des vorstoßenden Jugoslawen auf Steilvorragen warten zu lassen. Kochs Kollege von der Eintracht hatte sich kühn über den alten Brauch hinweggesetzt, Friedel Lutz als Wachmann für Uwe Seeler zu vergattern und gewann dafür einen Friedel Lutz hoch drei, einen „Mittelfeld Libero" von hohen Graden. Das Problem Uwe Seeler war für die Eintracht ohnehin noch nie zu lösen. Sie muß den Vollstrecker- Virtuosen hinnehmen wie ein Schicksal. Wenn's trifft, trifft's. Wenn nicht, dann nicht. Es trifft so gut wie immer. Dieser Uwe hat noch keinen Nachfolger. Die Fouls von Kurbjuhn Die Noten in der Einzelkritik für die 22 Akteure bewegen sich, zwischen sehr gut und befriedigend. Lediglich der Mann in Schwarz, Schiedsrichter Weyland, erwarb sich eine Note, die gerade noch ausreichend war. So stand er beispielsweise mit der Vorteilsregel auf Kriegsfuß, zum anderen ahndete er die teilweise unverantwortlichen Fouls von Kurbjuhn an Grabowski nur mit lapidaren Pfiffen. Grabowski, Lutz und Nickel gelangen die überraschendsten Formsteigerungen. Bei „Grabbi" imponierte die Tapferkeit, mit der er dem Stahlmenschen Kurbjuhn begegnete, gepaart mit oft erfolgreichen Dribblings; Lutz löste seine Aufgabe gegen den Supertechniker Hönig glänzend. Sein ständiges Vorpreschen — vornehmlich im ersten Abschnitt — ließ das vermutete Duell Lutz gegen Hönig zum Duell Hönig gegen Lutz werden; in Nickel erkannten die Frankfurter Zuschauer wieder den jungen Mann, der sie in den ersten Spielen im Bundesligateam so begeistert hatte: schußstark und mit gradlinigem Weg zum Tor. Ein Mann mit großer Zukunft, prophezeite HSV-Trainer Koch nach dem Spiel. Bechtold war einer der Hauptträger der Eintracht- Offensive in der ersten halben Stunde, ließ dann nach (Trainer Ribbeck: Das Spiel war sicher zu schnell für ihn), rechtfertigte sich aber mit dem Ausgleich, der seine Treffsicherheit untermauerte. Der große Mann zwischen Mittelfeld und Angriff hieß Huberts, dessen Wege sich des öfteren mit denen von Willi Schulz kreuzten, doch Alpen-Cup-Willi und World- Cup-Willi machten sich das Leben gegenseitig nicht sauer, beide „schikanierten" die Abwehr des Gegners als ungedeckte Solisten, wobei die Wirkung des Frankfurters meist größer war. Daß der HSV in den mittleren Regionen so stark spielte, lag weniger an Willi Schulz oder Werner Krämer, der von Kalb bewacht wurde, sondern an Hans Schulz, einem der besten Leute auf dem Platz, mit den Eigenschaften knallharter Schuß und wilder Offensivdrang. Er riß seine Kameraden zu dem gnadenlosen Powerplay nach der Pause mit, das ganz Frankfurt zu ersticken drohte. Kunters Parade gegen Hans Scholz Die Deckung der Eintracht stand gut. Kunter zeigte Prachtparaden, wobei besondere Anerkennung eine Reaktion gegen Hans Schulz verdient, dessen Kopfball aus zwei Metern Entfernung Kunter noch über die Latte zauberte. Beim zweiten Hamburger Tor allerdings, das vielen unhaltbar schien, machte sich Frankfurts Torwart selbst Vorwürfe, als er nachher seinem Trainer gestand: „Ich glaube, den hätte ich halten müssen." Jusufis große Zeit lag in den ersten 45 Minuten; da nämlich spielte sein Widerpart Dörfel noch nicht so eindrucksvoll. Die Steigerung des Jugoslawen machte sich vor allem im Zuspiel bemerkbar. Von ihm stammte auch die Flanke zum 1:0. Nachher aber beschäftigte ihn Dörfel so sehr, daß Jusufi viel seltener Gelegenheit zu Offensivstößen fand. Trotz allem erinnerte sein Spiel an große Tage der Saison 1967/68. Hölzenbein bewies erstaunliche Improvisationskunst. Er agierte praktisch als linker Verteidiger, weil er Dringelstein beschatten mußte, der Rechtsaußen spielte. Dennoch wagte er Vorstöße zur „Front", wo die Männer um Horst ins Wanken gerieten, wenn Hölzenbein mitten im Kreuzfeuer der langen Hamburger Kerls fröhliche Soloeinlagen gab. Kalb zählte zu denen, die beim großen Eintracht- Run nicht im Mittelpunkt des Geschehens standen. Dennoch erzielte er gegen Krämer meistens Erfolge. „Er ist einer meiner wichtigsten Leute", sagte Ribbeck. „Kalb versteht es, ohne daß es besonders spektakulär wirken mag, ein Spiel herumzureißen, weil er sich ständig anbietet." Vor dem überragenden Lindner spielte sich eines der interessantesten Duelle des Tages ab: Wirth kontra Seeler. „Ich hätte nie gedacht, daß Wirth den Uwe so gut beschattet", meinte Bundestrainer Schön schon zur Pause. „Dennoch ist Uwe noch ein sehr guter Spieler." Ribbeck bestätigte diesen Eindruck: „Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß irgend jemand einen besseren Mittelstürmer spielt." Wirth tat, was er konnte. Bei hohen Flankenbällen sollte sich Lutz Seelers annehmen. „Doch wenn beim 1:1 Seeler nicht an den Ball gekommen wäre, hätte ein anderer das Tor gemacht." Ribbeck sah seine gesamte Deckung hierbei nicht im Bilde. Der Torfilm 1:0: Jusufi hebt einen Freistoß vom rechten Strafraumeck mit Effet vor Girschkowskis Tor. Über alle Köpfe hinweg schwebt der Ball auf die halblinke Position, wo Lutz, der urplötzlich aus dem Boden gewachsen schien, den Ball im Sturzflug in die lange Ecke köpfte. 1:1: Charly Dörfel kann ungehindert eine Flanke von links in die Mitte ziehen, wo sich Seeler streckt und das uralte Doppelspiel „Dörfel-Flanke-Seeler- Tor" um eine weitere herrliche Szene bereichert. 1:2: „Ela" Krämers Sternstunde kam durch einen zu kurz abgewehrten Ball zustande. 25 Meter vor dem Tor nahm er den Ball auf, lief noch drei Schritte und jagte ihn diagonal in die linke untere Ecke. Kunter warf sich nicht nach dem plaziert geschossenen Schuß, sondern er suchte hüpfend an den Ball zu Kommen. Doch drei Hopser nehmen nun einmal mehr Zeit in Anspruch als ein einziger Sprung. 2:2: Hölzenbein wird an der linken Strafraumseite
gefoult, schießt selbst den Freistoß, den Bechtold per Kopfball
um vielleicht 30 Zentimeter so variiert, daß er im äußersten
Eck landet.
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