Eintracht Frankfurt - 1. FC
Nürnberg |
Bundesliga 1968/1969 - 10. Spieltag
3:0 (0:0)
Termin: Sa 19.10.1968, 15:30 Uhr
Zuschauer: 20.000
Schiedsrichter: Elmar Schäfer (Neustadt)
Tore: 1:0 Walter Bechtold (65.), 2:0 Wilhelm Huberts (84.), 3:0 Walter Bechtold (88., Foulelfmeter)
Eintracht Frankfurt | 1. FC Nürnberg |
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Trainer | Trainer
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Endlich Bechtold, endlich Tore Die Frankfurter Eintracht, an die das Publikum seit Monaten gewöhnt ist, spielt gut und schießt keine Tore. Am Samstag war es umgekehrt. Die Eintracht spielte mindestens bis zum ersten Treffer zum Gotterbarmen und schoß dann Tore, wie sie seit dem Tag, als sich Walter Bechtold krank meldete, kein Mensch mehr von dieser Mannschaft gesehen hat. Letzteres ist schnell erklärt. Bechtold war wieder dabei, schoß zwei Tore selbst und gab zum einen Huberts-Treffer die passende Vorlage. Nun weiß man es ganz genau. Ohne diesen exzellenten Stürmer hat die Eintracht ein halbes Jahr lang zwar bisweilen Spielwitz versprüht, aber dieser Spielwitz war ohne Pointe. Um so mehr frappieren die Vorgänge, die nun zum ersten Bundesliga-Heimsieg über die Nürnberger führten. Der Witz fehlte von der ersten bis zur 90. Minute; aber zu Pointen kam es trotzdem. Sie wuchsen ausnahmslos im Wirkungsbereich des Mannes, auf den die Frankfurter Fußballfreunde so lange warten mußten. Sein Wirkungsbereich war — wie konnte es nach der kurzen Anlaufzeit anders sein — noch relativ klein, sein Gegner Wenauer kannte keine Milde und zwischendurch mußte er manche Rast einlegen; aber ohne das wenige, was Walter Bechtold beisteuerte, wäre auch das fünfte Bundesligaheimspiel gegen die Nürnberger mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu gewinnen gewesen. Auf die kürzeste Formel gebracht: das Geheimnis dieses Erfolges, den selbst Eintrachttrainer Ribbeck „schmeichelhaft" nannte, hieß Bechtold. Erheblich schwerer fällt es, eine Erklärung für das permanente Geholper im Mittelfeld zu finden. Selten wirkten die Frankfurter unausgeschlafener, schwerblütiger, gehemmter als diesmal nach zwei Wochen ohne Punktspielstrapazen. Man weiß, daß Trainer Ribbeck das Training seit der deprimierenden Leistung seiner Schützlinge in Köln beträchtlich verschärfte, und man weiß auch, daß derartige Methoden erst anschlagen, nachdem sich der Allgemeinzustand vorübergehend verschlechtert hat. Man erlebt die Nachwehen der Olympianächte vor dem Bildschirm am eigenen Leib. Doch selbst beides zusammen reicht nicht aus, um sich auf das mit Ausnahme von Torhüter Kunter komplette Formtief der. Frankfurter den rechten Vers zu machen. Sogar die ewigen Lichter Jusufi und Schämer erloschen. Lutz brauchte eine ganze Halbzeit, um seinen direkten Gegner Strehl zu finden. Bellut stockte vor jedem Widerstand und drückte sich mit Rückwärtspässen um die geringste Verantwortung. Kalb erkämpfte sich in seinem Zweikampf erst nach der Pause leichte Vorteile. Grabowski, Nickel und Lotz scheiterten, jeder auf seine Art, bereits im Vorfeld der Gefahrenzone. So entstand das nahezu groteske Bild, daß ein Club, mit dem ebenfalls kein Staat zu machen war, mit wenigen Unterbrechungen im Angriff lag, daß Kunter mit waghalsigen Paraden und Lindner mit gescheitem Positionsspiel Schwerstarbeit verrichten mußten, während auf der anderen Seite Torhüter Rynio unter Langeweile litt, daß sich Popp und Leupold öfter bis auf Schußnähe an den Eintrachtstrafraum heranschlichen wie umgekehrt Jusufi und Schämer an den Strafraum des Gegners. So kam es zu einem Pfostenschuß von Zaczyk, unter dessen Wucht sich das Netz bauschte und zu mindestens drei Chancen von Strehl, Küppers und Volkert, bei den praktisch nur noch Formalitäten zu erledigen waren. Dabei hielten sich die Frankfurter strikter an die Manndeckung als in vielen andern Spielen. Keiner von ihnen wollte sich allem Anschein nach dem Vorwurf aussetzen, gegen Traineranweisungen verstoßen zu haben. Aber diese Gewissenhaftigkeit artete in Pedanterie aus. Man kümmerte sich mehr um den direkten Gegner als um die großen Gefahrenpunkte. Man markierte die Harmlosen und ließ die Gefährlichen laufen. Man versteifte sich derart auf spezielle Aufgaben, daß die Initiative von selbst an die Nürnberger überging. Daß diese so wenig damit anzufangen vermochten, lag nach Trainer Merkel daran, daß sich seine Mannschaft „in der Umstellung befindet". Wie weit die Unzufriedenheit auf beiden Seiten ging, merkte man am deutlichsten daran, daß hüben und drüben der zwölfte und dreizehnte Mann ins Gefecht geschickt wurden, obwohl keine sichtbaren Verletzungen dazu zwangen. Grabowski wich bereits in der 56. Minute Hölzenbein, Huberts, der sich bis zur 65, Minute auf der Reservebank von den Trainingsstrapazen ausruhen durfte, löste Nickel ab. Grabowski und Nickel (Trainer Ribbeck: „Ich werde nie mehr leicht angeschlagene Leute stellen") waren keine Verluste, Hölzenbein und Huberts freilich auch keine überwältigenden Gewinne. Immerhin hatten die Neuen an den beiden letzten Toren der Eintracht ihren Anteil. Huberts Schmetterschuß aus unmittelbarer Nähe und Hölzenbeins Sturz nach einem Foul Popps besänftigten viel Unmut. Ohne Bechtold jedoch ging es auch hierbei nicht. Im
Falle Huberts verrichtete er mit einem geschickt verzögerten Paßspiel
die Vorarbeit, im Fall Hölzenbein per Elfmeter die Restarbeit.
Die Hauptarbeit aber war bereits erledigt, bevor Huberts eingriff. Sie
bestand aus einem originalen Bechtold-Tor, das alles, was vorher war,
vergessen machte. Den Ball mit dem einen Fuß annehmen, den Ball
über Leupold lupfen, mit dem andern Fuß zuschlagen und in
den linken oberen Winkel treffen — das lief ab wie eine seit Jahren
einstudierte Varieténummer.
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