Eintracht Frankfurt - Eintracht
Braunschweig |
Bundesliga 1968/1969 - 4. Spieltag
0:1 (0:0)
Termin: Mi 04.09.1968, 20:00 Uhr
Zuschauer: 25.000
Schiedsrichter: Schiedsrichter: Paul Kindervater (Köln)
Tore: 0:1 Hartmut Weiß (79.)
Eintracht Frankfurt | Eintracht Braunschweig |
|
|
Wechsel |
Wechsel
|
Trainer | Trainer
|
Tolle Eintracht scheiterte am Wundertorwart Wolter Die Tragödie der Frankfurter Eintracht gegen ihren Namensvetter aus Brannschweg lief wie eine Neuauflage von vor zwei Jahren ab. Wie an jenem Mittwoch im September bei der 0:l-Niederlage stürmten die Riederwälder vergeblich gegen einen mächtigen Gegner und einen Wundertorwart an. Die Niedersachsen brauchten diesen Wundermann namens Wolter im Tor, um zu den glücklichen Punkten zu kommen, die ein Nachschuß von Weiß in der 79. Minute brachte. Selbst Trainer Helmut Johannsen sprach zwar von einem großartigen Spiel, mußte aber das Glück seiner Elf zugeben, das in Frankfurt schon Braunschweiger Tradition besitzt Er kam, wie jeder der 25.000 Zuschauer an diesem Abend im Stadion, an den Wundertaten von Horst Wolter nicht vorbei. Dieser Mann allein verdarb der Eintracht den möglichen Sieg, wobei ein verschossener Elfmeter nach 55 Minuten durch Schämer so etwas wie Schicksal für die Frankfurter Elf bedeutete. Die Steigerung der Gastgeber gegenüber den letzten Wochen war geradezu frappierend, und der Beifall gilt der Elf selbst nach dieser unverdienten Niederlage, gegen eine Braunschweiger Elf, die wie aus Stahl und Eisen wirkte und noch reifer und spielerisch besser geworden ist. Seit Mittwochabend wissen die Frankfurter, wer mit zu den heißen Favoriten auf den Meistertitel dieser Saison zu zählen ist. Um so mehr deprimiert war der Riederwälder Trainer Erich Ribbeck, der keinem seiner Spieler einen Vorwurf machen konnte und besonders auf den Leistungsanstieg von Huberts und Hölzenbein hinwies. „Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, besser dürfte Huberts aus der Deckung heraus selten gespielt haben wie heute", meinte der jüngste Bundesligatrainer, den die Niederlage so hart traf wie seine jungen Spieler. Noch eindrucksvoller als Huberts und Hölzenbein wirkte vielleicht Nickel, der nach mäßigen Wochen eine tolle Wiedergeburt erlebte und mit am meisten auf das Tor schoß, wenn auch ohne Glück. Eine junge und deprimierte Elf saß in der Kabine und konnte dieses 0:1 nicht fassen. „Vielleicht rollt es ein anderesmal für uns besser, wenn wir es weniger verdient habe als heute", fügte Erich Ribbek wie ein Trost für eine große Leistung ohne Lohn an. Vom Start weg erreichte Braunschweig zwar eine Ecke, doch die Frankfurter Eintracht erzeugte die ersten brisanten Höhepunkte. Bereits nach fünf Minuten war die Stimmung prächtig angeheizt, denn Braunschweig war um diese Zeit einem Rückstand recht nahe. Ein Freistoß von Huberts knallte in dieser frühen Phase auf den Leiberwall der norddeutschen Abwehrkette, und den Nachschuß Grabowskis brachte Wolter nur mit Mühe auf der Torlinie unter Kontrolle. Noch raunte es auf den Rängen ob dieser tollen Möglichkeit, da setzte Schämer zu einem seiner gefürchteten Weitschüsse an. Aber zum Glück für den Gast zischte das Leder knapp am Pfosten vorbei. Das Spiel blieb schnell und feurig wie die furiose Einleitung. Schon in der 11. Minute nahten neue Höhepunkte. Hölzenbein zielte kraftvoll und genau. Für Wolter gab es keine Chance, doch Verteidiger Grzyb stand auf dem Kreidestrich und klärte in allerhöchster Not. Das abprallende Leder kam zu Nickel, der ohne zu zögern erneut abfeuerte. Inzwischen war Wolter aber wieder, auf dem Posten und erntete Sonderbeifall für seine große Parade, die Nickels Staatsschuß zunichte machte. Die Riederwälder profitierten von ihrer forschen Gangart und wurden immer eindeutiger Herr im eigenen Hause. Nur selten befreiten sich die Norddeutschen aus der eisernen Klammer. So brauchten sie viele Anleihe von Fortuna, um die erste halbe Stunde ohne Verlusttreffer zu überstehen. Wolter kam In solche Schwierigkeiten, daß er bei einem weiten Flankenball von Schämer die Übersicht verlor und den Ball aus den fangbereiten Händen gleiten ließ. Doch die ihn umringenden Lotz und Hölzenbein verpaßten die Gunst dieser Sekunde und verträumten ihre günstige Einschußmöglichkeit. Zum erstenmal brandgefährlich für die Frankfurter wurde eine Flanke von Maas aus vollem Lauf, die sein Kollege Gerwien am rechten Flügel direkt nehmen wollte, doch sich dabei verhaspelte. Das Tempo und der Schwung: der ersten halben Stunde ließ im letzten Teil der ersten Hälfte nach. Die Braunschweiger holten im Feld mächtig auf. Auch Ihre Möglichkeiten wuchsen, die größte verdarb Tilkowski den Norddeutschen bei einem überraschenden Dörfel-Schuß, den er mit guter Parade übers Tor schlug. Nach 38 Minuten verpaßten zwei Niedersachsen — frei vor Tilkowski — eine Hereingabe von Gerwien. Daß die Frankfurter Eintracht nach diesem Braunschweiger Zwischenspurt wieder auf die Beine kam, war in erster Linie Nickels Verdienst, der sich oft um zwei Gegner herumschlängelte, aber mit seinen Schüssen wenig Glück hatte. In den letzten Minuten vor dem Wechsel wiederholte sich« der Anfangsspurt der Gastgeber, und der Zweikampf des Riederwälder Sturms gegen Torwart Wolter erlebte seine' Neuauflage. Doch es blieb bei der Pause beim 0:0. Wolter und der Elfmeter Der Beginn des zweiten Aktes übertraf den glorreichen Anfang der ersten Hälfte an Dramatik noch deutlich. Und wieder war Eintracht Frankfurt die gefeierte Elf dieser stürmischen Minuten. An Wolter aber scheiterten der Riederwälder große Taten. Zunächst endete ein begeisternder Alleingang Nickels mit krachendem Torschuß an der Klasse des Braunschweiger Hüters. Dann scheiterte ein fast sicherer Kopfstoß von Lotz an der unwahrscheinlichen Reaktionsfähigkeit dieses Wolter. Und dennoch sollte Wolter sein Meisterstück erst in der 55. Minute vollbringen. Im Zweikampf mit Nickel war Polywka ein Handspiel unterlaufen, und Herr Kindervater entschied auf Elfmeter. Schämer hieß der unglückliche Schütze, der im Duell mit dem bestaunten Wolter unterlag. Seinen abgewehrten Schuß erwischte zwar Bellut, aber dieser zweite Versuch landete neben dem Pfosten. Dieses Dilemma riß Lutz so an den Nerven, daß er kurze Zeit später gegen Grzyb so derb wurde, daß er eine Verwarnung kassieren mußte. Doch bald hatte die Eintracht ihren Schock überwunden und nahm einen neuen Anlauf. Aber immer wieder war der phantastische Wolter letzte Station. Das Spiel kam zeitweise in eine so hektische" Sphäre, daß Herr Kindervater unsicher wurde. Mitten in der Bedrängnis hatten die Braunschweiger Berg gegen Schmidt ausgetauscht, ohne jedoch dadurch ihre Chancen wesentlich zu verbessern. Erst als die Frankfurter an Ihrem ständigen Unglück verzweifelten und ihr enormes Tempo nicht mehr halten konnten, kamen allmählich wieder bessere Zeiten für die Niedersachsen. Sie starteten gefährliche Konterstöße und machten sich im Mittelfeld breit. Dennoch überraschte die Entscheidung in der 79. Minute alle. Von Gerwien schwebte eine Flanke zur Mitte, die Ulsaß im Direktschuß aus nächster Nähe auf Tilkowskis Leib schmetterte. Das Leder sprang Weiß vor die Füße, und der lange Mittelstürmer setzte den Ball eiskalt in die Maschen. Der Schlußspurt der Riederwälder war wild, aber diese Aktionen hatten nicht mehr das Format vorangegangener Szenen. Zu viel Kraft war verloren. Als dann vier Minuten vor dem Ende Wolter seine letzte große Parade gegen Nickel vollführte, war alles verloren. Ein großes Spiel und 14:5 Ecken hatten den Frankfurtern .nichts gebracht. Die bärenstarken Braunschweiger aber feierten ihren glücklichen Sieg in ausgelassener Freude. Bundestrainer Helmut Schön sagte zum Schluß: „Ich bin begeistert, es war eines der schönsten und interessantesten Bundesligaspiele, die ich bisher gesehen habe. Braunschweig erwies sich gegen einen sehr, sehr starken und technisch guten Gegner als eine hervorragend eingestellte und clevere Mannschaft. Wolter und auch Ulsaß haben mir sehr gut gefallen." ('Frankfurter Rundschau' vom 05.09.1968)
|