Alemannia Aachen - Eintracht
Frankfurt |
Bundesliga 1968/1969 - 2. Spieltag
4:2 (3:1)
Termin: Sa 24.08.1968, 15:30 Uhr
Zuschauer: 25.000
Schiedsrichter: Walter Horstmann (Hildesheim)
Tore: 0:1 Wilhelm Huberts (12.), 1:1 Roger Claessen (16.), 2:1 Ion Ionescu (18.), 3:1 Ion Ionescu (45.), 3:2 Hermann-Dieter Bellut (68.), 4:2 Roger Claessen (73.)
Alemannia Aachen | Eintracht Frankfurt |
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Der letzte Mann war keine Eintracht-Stütze Hans Tilkowski versagte beim Spiel auf dem Tivoli • Hohes Lob ersetzte nicht die Punkte „Eintracht Frankfurt Ist eine Klassemannschaft". Das war das erste, was Aachens Trainer Michel Pfeiffer nach dem Spiel den Journalisten sagte, und es bedeutete keineswegs ein leeres Kompliment für Erich Ribbeck und seine Pechvögel. Dieser Satz galt als Definition. Mit traurigem Lächeln schüttelte Ribbeck seinem Kollegen die Hand und gratulierte ihm zu einem Bieg, den 13 glückliche Aachener gegen 13 technisch, spielerisch und taktisch versiertere Riederwälder errungen hatten. Die Frankfurter Hundertschaft, die Zeuge der absurden Ereignisse im Tivoli-Hexenkessel war, wird lange überlegt haben, um einen Parallelfall für diese großartige Leistung der Frankfurter in den Gedächtnisannalen zu finden. Doch das Schicksal hatte seine ironischen 90 Minuten, weil es einen unfreiwilligen Helfer in Hans Tilkowski fand, der wohl eines der schwächsten Spiele seiner Laufbahn lieferte. Der Eintracht-Torwart hätte sich am liebsten vor lauter Unglück über seine Fehler in die Erde vergraben. Tilkowski teilte sich mit Lutz die Schuld am ersten Tor, als Lutz einen Zweikampf gegen lonescu verlor und der Rumäne einen Paß schlug, der sich unmittelbar an Frankfurts Torhüter vorbei zu Ciaessen schlich. Ein einziger Schritt nach vorne hätte genügt, den Belgier auszuschalten. Beim zweiten Aachener Tor Heß Tilkowski den Ball durch die Hände gleiten. Ueberdies stand Torschütze lonescu klar im Abseits bei dieser Szene. Ebenso kraß der Fehler, der zum dritten Treffer führte. Tilkowski lief zuerst richtigerweise aus dem Tor, um vor lonescu den Ball abzufangen. Warum er plötzlich abstoppte, wieder ins Tor eilte und dem Rumänen „kampflos" das Feld räumte, wird er selbst nicht erklären können. Tor Nummer vier erschien manchem ebenfalls nicht unhaltbar. Kaum erklärlich dieser Formabfall Tilkowskis nach seiner großen Partie gegen Hertha BSC. Hinzu kam die psychologisch ungünstige Zeit- Konstellation, in der die Tore fielen: die Tordoublette innerhalb einer Minute, nachdem Huberts mit seinem prächtigen Freistoßtor zunächst die Führung herausgeschossen hatte; dann das 3:1 fast mit dem Pausenpfiff; schließlich das 4:2, das wie ein Blitz aus dem Sonnenhimmel In die energischen Ausgleichsbemühungen der im zweiten Abschnitt klar dominierenden und stark offensiven Eintracht platzte. Und um das Maß voll zu machen: drei Pfosten- und Lattenschüsse, die wie Bomben am Aachener Torgebälk explodierten. Bewundernswert war, daß sich die Feldspieler von Tilkowskis spielentscheidenden Fehlern nicht entmutigen ließen und bis zum bitteren Ende in selten demonstrierter Manier fighteten. Allen voran Jusufi, dergrößte Mann auf dem kleinen Platz. Er entlockte, zusammen mit Grabowski und Huberts dem begeisterten Publikum bewundernde „Ah"- und „Oh"-Laute. Von Grabowski sagte Trainer Ribbeck sogar, viel besser könne man kaum noch spielen. Dabei hatte Grabowski mit Hermandung den härtesten aller Aachener Brocken zu verdauen. Er tat es mit Heißhunger, obwohl dieser Hermandung ihm des öfteren Schluckbeschwerden bereitete und sich wie Pawellek und Thelen im Ringerstil übte. Der neue Trikotsatz aber — die Eintracht spielte ganz in Weiß — war von guter Qualität und hielt trotz der Klammergriffe. Nickel gefiel bis auf seine mißglückten Doppelpässe, mit denen er Grabowski einsetzen wollte. Lutz, Lindner und Schämer waren souveräne Abwehrrecken, Keifler und Bellut produzierten sich in zeitweise gekonntem und verbessertem Offensivstil. Lediglich Hölzenbeim fiel etwas ab. Sein Nachfolger, Oskar Lotz, war jedenfalls ein gutes Stück stärker und hätte sicherlich von Anfang an bessere Kooperation mit Grabowski und Nickel garantiert. Daß Abbe, der wenige Minuten vor dem Ende für Keifler erschien, nicht mehr ins Spiel kommen würde, war klar. Trainer Ribbeck wollte ihn als zusätzlichen Stürmer beim letzten Aufbäumen dabei haben. Der Spielverlauf hatte Seltenheitswert. Jeder zweite Angriff einer Mannschaft führte zu prickelnden Torszenen, die, vornehmlich in der ersten Halbzeit, im Computer-Tempo herausgearbeitet wurden. In der letzten Saison verteilten sich die eleganten und blitzsauberen Frankfurter Angriffe auf vielleicht zehn Heimspiele. In Aachen packte die Eintracht alles in die 90 Minuten. Die ersten Takte der furiosen Ouvertüre spielten die Aachener. Gronen und Hoffmann prüften den in den Anfangsminuten guten Tilkowski mit harten Schüssen. Lediglich Walter, Ciaessen und Gronen, der in der 87. Min. den Pfosten traf, hatten im weiteren Verlauf noch reife Torchancen. Anders die Eintracht, deren Gelegenheiten an Quantität und Qualität die der Alemannen übertrafen: Grabowski allein vor dem Tor (6.), Tolle Bombe Grabowskis gehalten (10.), Flankenlauf Grabowskis findet keinen Abnehmer (14.), Nickel-Schuß Zentimeter übers Tor (28.), Grabowski-Freistoß an die Latte (29.), Huberts-Nachschuß knapp vorbei (29.), 20-Meter-Pfostenschuß Nickels (50.), Hölzenbein allein vor Scholz (54.), Pfostenschuß Nickels (62.), Lutz-Granate knapp darüber (68.), Lotz — völlig frei — köpft daneben (79.), Bellut —völlig frei — zielt vorbei (82.). Daß Michel Pfeiffer mit dem Ergebnis, weniger mit dem Spiel seiner Mannschaft zufrieden war, lag auf der Hand. Denn die Aachener Abwehr hatte wohl selten eine solche Vielzahl herausgespielter Torszenen über sich ergehen lassen müssen. Eintracht- Präsident Rudi Grämlich: „Die holen auswärts nicht mehr viel Punkte." Auch Scholz machte einen Fehler, als er sich beim zweiten Tor durch Belluts Direktschuß überraschen ließ. ('Frankfurter Rundschau' vom 26.08.1968)
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