Eintracht Frankfurt - Juventus
Turin |
Alpenpokal 1968 - Gruppe B, 3. Spiel
2:1 (0:0)
Termin: 22.06.1968
Zuschauer: 10.000
Schiedsrichter: Schleuwky (Schweiz)
Tore: 0:1 De Paoli (48.), 1:1 Peter Blusch (52.), 2:1 Peter Blusch (61.)
Eintracht Frankfurt | Juventus Turin |
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Schau der Techniker und Kraftmensch Blusch Spiel der schönen Künste • Eintracht Frankfurt - Juventus Turin 2:1 (0:0) Am Freitagabend hatte Eintracht-Vorstandsmitglied Jürgen Gerhardt noch skeptisch mit den Schultern gezuckt, als sein Gesprächspartner die zu erwartende Zuschauerzahl beim ersten diesjährigen Alpenpokalspiel auf Frankfurter Boden anschnitt. Die Aussichten schienen in der Tat nicht besonders rosig. Zu der allgemeinen Ferienstimmung kam die Überfütterung mit heißester Aufstiegsrunden-Dramatik, die unmittelbar vor der Nase der Frankfurter, auf dem Bieberer Berg, mitreißende Höhepunkte gebracht hatte. Aber wer kennt schon das Publikum! Noch einmal lepperte sich eine fünfstellige Zahl von Zuschauern zusammen, und wenn auch die italienischen Gastarbeiter einen beträchtlichen Anteil der Interessenten stellten, bestand Grund zur Freude darüber, daß es weiterhin genug Leute gibt, die nicht nur wegen der Sensationen zum Fußball gehen. Die Freude nahm noch zu, als sich das Gebotene mehr und mehr zu einem vergnüglichen Kontrastprogramm zu den klirrenden Waffengängen entwickelte, mit denen die Bundesligakandidaten fasziniert hatten. Darüber hinaus war das Ganze noch lehrreich. Manche Passagen enthielten mehr Feinschnitt, mehr Esprit, mehr Brillanz und mehr Artistik als viele komplette Duelle um den Platz an der Sonne. Das mag zu einem großen Teil daran gelegen haben, daß man sich gegenseitig, besonders im Mittelfeld, ein bißchen mehr Raum zur Entfaltung gönnte als in den Wochen der Hochsaison. Das lag aber mit einiger Sicherheit auch an den technischen Qualitäten der Mitwirkenden. Die herrlichen „Vogelflugpässe" Schämers diagonal über die gesamte Hauptkampfbahn, die tänzerische Eleganz des Willi Huberts, das Wiedersehen mit Grabowski, dessen Schelmenstücke freilich oft noch mit einer mißglückten Pointe endeten, die Listen des endlich frei von der Leber weg spielenden Hölzenbein. der sich vor der Pause in der Mitte fast noch mehr bewährte als späterhin nach einem Tausch mit Grabowski — das alles gelingt vielen Fußballern selbst nach dem vierten Versuch noch nicht halb so gut. Bei den Ferienspielen der Frankfurter Eintracht ist es in den Eintrittspreis mit eingeschlossen. Die Schaffensfreude des Jürgen Friedrich wurde nur im ersten Teil der Vorstellung benötigt. Späterhin, als die Italiener müder wurden, übernahmen die Techniker auf der Seite der Eintracht die Show ziemlich allein. Die Tore freilich mußte ein Kraftmensch schießen: Blusch. Auch diesen Toren gingen erquickende Doppelpaßszenen (Hölzenbein, Lotz) und eine geistesgegenwärtige Vorlage (Nickel) voraus, auch diese Tore beruhten auf viel Technik, zum Endeffekt jedoch gehörten die eruptiven Gewalten des Naturburschen Blusch, der demnächst in Köln sein Geld verdient. Was soll werden, wenn dieser Blusch die Eintracht verläßt (und Friedrich dazu)? Vielleicht spielt die Mannschaft dann technisch noch perfekter; aber vielleicht kommt auch weniger dabei heraus. Hölzenbeins Glanzrolle Selbst Lotz und Nickel machten in dem Spiel gegen die Italiener den Eindruck, als wären sie inzwischen zu fein geworden, um noch mit dem Kopf durchzugehen. Was Lotz dabei an versteckten Schönheiten präsentierte, war erstaunlich, aber davon hat die Mannschaft genug. Nickel wollte ebenfalls mitspielen. Das kostete ihm einiges von seiner Unbekümmertheit und seinem Renommee. Auf diesem Gebiet wurde er von einem anderen Eintracht-Fohlen, von Hölzenbein, klar übertrumpft. Die Italiener enttäuschten nicht. Ueber die kalte Pracht südländischen Perfektionsfußballs kamen sie jedoch nur selten hinaus. Fazit: Im Detail grandios, en gros mäßig. Daran hätte wahrscheinlich auch del Sol, ihr Größter, nichts geändert der auch in Frankfurt fehlte. Mit del Sol hätten sie vielleicht zu den vielen Feinmechanikern einen Ingenieur gehabt; sie wären aber nach wie vor ohne Vorschlaghammer gewesen. Nicht, daß sie die Partie auf die leichte Schulter nahmen. Die pedantische Pflichttreue, mit der ihr linker Verteidiger Sarti den grazilen Grabowski verfolgte, der Wechsel zwischen Zigoni und Volpi in der 77. Minute — diese Dinge allein sprachen für die Ernsthaftigkeit, mit der sie den Sieg wollten. Das Tor, mit dem sie kurz nach dem Wechsel nach einer Unaufmerksamkeit von Wirth in Führung gingen, jedoch war einfach zu wenig, auch wenn der Bogenschuß von de Paoli unter die Querlatte ein kleines Kunstwerk war, wie man es sonst nur im Handball erlebt. Dieser Führungstreffer bedeutete für Turin das Signal, den Rest ausschließlich mit der Abwehr zu machen. Diese Rechnung ging nicht auf. Sie wurde von Blusch in der Luft zerrissen. Mit Mannskerlen wie Blusch hat man in Italien nur wenig Erfahrung Daß Hölzenbein noch einmal den Pfosten traf und Lotz ein Tor schoß, das der Schiedsrichter wegen einer fragwürdigen Abseitsentscheidung nicht anerkannte, zeigt das ganze Ausmaß der Gefahren, die sich die Italiener, als sie sich vornehmlich auf die Defensive beschränkten, selbst auf den Hals luden. Lutz in ansteigender Form Andererseits konnte die Eintracht, deren Deckung diesmal nicht unverwundbar war, froh sein, gegen Ende fast jeden Gegendruck loszuwerden. Lutz, der Lindner vertrat, wird zwar von Woche zu Woche stärker. Ganz der alte ist er jedoch im Moment noch nur dann, wenn es auf die Spurtschnelligkeit ankommt. ('Frankfurter Rundschau' vom 24.06.1968)
Das glänzende Mittelfeldspiel von Huberts Die anfeuernden „.Juve-Juve-Rufe" der italienischen Gastarbeiter halfen dem vielfachen italienischen Meister im Alpenpokalspiel nichts. Im Grunde hatten die Gäste keine Chance, auch wenn der Frankfurter Sieg recht knapp ausfiel und die Italiener nach der Pause durch ihren recht beweglichen Mittelstürmer De Paoli sogar in Führung gingen. Aber die Eintracht hatte schon vor der Pause klar die Szene beherrscht und von den mindestens sechs präzisen Steilvorlagen, die der ständig aus der Abwehr hervorbrechende Schämer dem jungen Hölzenbein servierte, hätte die eine oder andere verwandelt werden müssen. Aber Hölzenbein ist kein Mann für die Spitze und kam an dem stämmigen und routinierten Castano nie vorbei. Erst als Hölzenbein nach der Pause auf den Flügel wechselte, zeigte er, was spielerisch in ihm steckt. Matt dagegen Grabowski, enttäuschend der junge Nickel. Der große Mann im Mittelfeld war wieder einmal Huberts, der sich hart einsetzende Friedrich schwach im Abspiel. Was die Eintracht an Blusch verliert, zeigte sich abermals gegen Juventus, wo er nicht nur in der Abwehr kaum zu umgehen war, sondern auch bei seinen Vorstößen stets gefährlich war und beide Treffer für seine Mannschaft schoß. Lutz kommt erst langsam und braucht noch seine Zeit. Die Italiener rissen in Frankfurt wirklich keine Bäume aus. Während Juventus-Trainer Heriberto Herera nach dem für ihn unbefriedigenden Spiel den Journalisten die kalte Schulter zeigte, meinte der scheidende Eintracht-Coach Elek Schwartz triumphierend: „Hat meine Mannschaft nicht wieder bewiesen, daß sie Kondition besitzt und daß sie jetzt am Ende der Saison noch so kämpft, als ginge es um die Meisterschaft?" Sein Eingeständnis: „Leider haben wir keinen Mann, der robust genug ist, um Spitze im Sturm spielen zu können. Sonst hätte es heute gerappelt im Tor von Juventus!" (Sport-Magazin vom 24.06.1968)
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