Eintracht Frankfurt - Karlsruher
SC |
Bundesliga 1967/1968 - 10. Spieltag
2:0 (1:0)
Termin: Sa 21.10.1967, 16:00 Uhr
Zuschauer: 18.500
Schiedsrichter: Alfred Ott (Rheinbrohl)
Tore: 1:0 Günter Keifler (45.), 2:0 Jürgen Grabowski (89.)
Eintracht Frankfurt | Karlsruher SC |
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Wechsel
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Trainer | Trainer
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Zwei wichtige Punkte, ein trostloses Spiel Geschlagen und zerzaust ist der stolze Eintrachtadler vom Messecupspiel aus England zurückgekehrt. Mit 0:4 sind sie bei Nottingham Forest unter die Räder gekommen und hatten noch Glück, dass der Unparteiische weiteren Treffer der Gastgeber die Anerkennung verweigerte. Diese empfindliche Schlappe passt so sehr in die Serie von Eintracht-Niederlagen, dass der Frankfurter Anhang gewohnt gallig kommentiert. Es heißt, dass der Eintracht-Vorstand sich entschlossen habe, einen neuen Trainer zu verpflichten. Und zwar den berühmten „Berggeist“ Luis Trenker. Trenker soll der Eintracht beim Abstieg behilflich sein ... Doch selbst angesichts der sportliche Misere gibt es Anhänger, bei denen etwas anderes im Vordergrund steht: Die Wahrung der Form und Achtung der Etikette. So fordert ein Leserbriefschreiber in diesen Tagen: „Bei einem der nächsten Spiele von Eintracht Frankfurt können Sie doch mal dem Spieler Jusufi ein paar Strumpfhalter überreichen. Denn in jedem Spiel hängen Jusufis Strümpfe unordentlich herunter. Das ist für einen Bundesliga-Spieler unwürdig!“ Der aber hat wie seine Kameraden andere Probleme. Denn allzu gut dürfte es um das Selbstbewusstsein der beiden Kontrahenten, die an diesem Samstag im Frankfurt Waldstadion aufeinandertreffen, nicht bestellt sein: Beide Mannschaften haben aus den vorangegangenen neun Spielen gerade einmal 6 Punkte geholt und sehen das Tabellenende in bedrohlicher Nähe. Zudem hat die Eintracht nicht nur an der 0:4-Klatsche bei Nottingham Forest zu knabbern, die das Aus gleich in der ersten Runde des Messepokals bedeutet, sondern auch ihre letzten drei Ligapartien durch Gegentore in den letzten Spielminuten knapp verloren. Die Gäste aus Karlsruhe wiederum konnten zwar ihr letztes Heimspiel gegen den HSV gewinnen, aus ihren Auswärtspartien bislang aber noch keinen einzigen Punkt auf dem Habenkonto verbuchen. Oder anders ausgedrückt: Es ist das Spiel des Tabellen-14. gegen den 15., die mit einem Bein in der Gefahrenzone am Tabellenende stehen und alles dransetzen, um wenigstens das zweite Bein draußen zu behalten. Trotz der Aussichten auf ein wahrscheinlich wenig erquickliches Fußballspiel sind knapp 20.000 Zuschauer in Waldstadion gekommen, denen das Motto beider Teams schnell gewahr wird: Hinten dicht, vorne soll der liebe Gott helfen. Bei der Eintracht vertraut Trainer Schwartz erstmals in dieser Bundesligasaison Kunter zwischen den Pfosten, davor steht die übliche Viererkette mit Schämer, Blusch, Lindner und Jusufi. Zur Stärkung der Defensive verzichtet der Frankfurter Trainer auf das von ihm bevorzugte 4-2-4 und lässt ein 3er-Mittelfeld agieren, den Angriff bilden Lotz, Grabowski und Racky. Noch defensiver sind die Karlsruher ausgerichtet, die Marx als Ausputzer hinter die Abwehrreihe zurückziehen und de facto nur mit zwei Spitzen agieren. Diese taktischen Ausrichtungen versprechen wenig Attraktivität, und dieses Versprechen wird gehalten. Chancenreiche Vorstöße bleiben auf beiden Seiten Mangelware, das Spiel reduziert sich oft darauf, dass man im Mittelfeld darauf wartet, dass der ballführende Gegner einen Fehler macht. Schwung in die Eintrachtoffensive bringen lediglich Keifler, der sich wiederholt mit Distanzschüssen versucht, und Jusufi, der bei seinen üblichen Flankenläufen den Ball allerdings meist zum Gegner expediert. Nach dem großen Gähnen, hervorgerufen durch das langweilige Spiel, entschlummern die Frankfurter Fans endgültig, als eine überraschend sommerliche Sonne für ein wohliges Klima auf den Rängen sorgt und der Platzlautsprecher mit fast hypnotischer Stimme aus dem Fußball-Knigge zitiert: Keine Knallfrösche! Keine fanatischen Zurufe! So beklatscht das folgsame Publikum mit feiner Zurückhaltung jede halbwegs gelungene Kombination und jeden gut gemeinten Schussversuch in Richtung Tor. Als die Zuschauer, sich schon auf eine torlose erste Hälfte eingestellt haben, passiert doch noch etwas: In der 44. Minute bleibt Torwart Rynio nach einem Zusammenprall angeschlagen liegen, was Schiedsrichter Ott veranlasst, nachspielen zu lassen. In diesen zusätzlichen Sekunden gibt Racky eine Ecke von links zu Grabowski, der sie in den Strafraum weiterleitet, wo der heranstürmende Keifler den Ball mit einem Hechtkopfball in die Maschen des von Rynio gehüteten Tores setzt. Es ist das erste Bundesligator des jungen Neuzugangs vom VfL Marburg (und es wird in seiner Karriere bei der Eintracht, die er 1971 als Sportinvalide beenden muss, auch sein einziges bleiben). Direkt nach dem Treffer bittet Ott die Spieler zur Halbzeitpause. In dieser kredenzt Eintrachts Pressebetreuer Birkholz den Journalisten Cola: „Damit keiner einschläft. Das ist das müdeste Spiel der Saison.“ Und auch die zweite Hälfte bringt wenig Sehenswertes. Zwar hat die Eintracht mehr vom Spiel, aber trotz insgesamt 11:3 Ecken schafft es die heute recht schwache Dreierspitze nicht, das KSC-Tor ernsthaft in Gefahr zu bringen. Zudem besteht stets die Gefahr, bei einem der wenigen Angriffe der zwar fleißigen, aber biederen Gäste den Ausgleich einzufangen, denn die Viererkette wirkt heute teilweise nervös und Kunter im Tor - auf der Linie überzeugend - zeigt einige Male die bei ihm bekannten Schwächen in der Strafraumbeherrschung. Begleitet wird dieses glanzlose Spiel von den Pfiffen der Zuschauer. Der KSC verdankt es in erster Linie Marx, dass das Spiel wenigstens vom Ergebnis her etwas Spannung übrig lässt. Wenn Grabowski und Jusufi, dessen Gegenspieler Dobat ihm durch sein zurückhängendes Agieren Raum zu Vorstößen gibt, mit ihren Flanken die Gästedefensive in Bedrängnis bringen, ist es meist Marx, der als letzte Instanz alle Eingaben abwehrt. An Marx’ Seite macht noch Ehmann die beste Figur, der gegen Grabowski eine brauchbare Partie spielt. Ehmann versucht sich auch als Schütze, doch sein gefährlicher Schuss findet nicht sein Ziel. Nicht besser ergeht es Christian Müller, dessen Visier von der diesmal recht scharf deckenden Eintracht-Abwehr verbogen worden sein muss. Sein Versuch streicht über Kunters Kasten. Dass die Eintrachtmannschaft samt ihrer Fans die letzten Sekunden des Spiels ohne weiteres Zittern erleben dürfen, verdanken sie Jürgen Grabowski. Nachdem ein Eckball der Eintracht vom KSC abgewehrt wird, kommt Huberts am linken Flügel an den Ball und hebt ihn gefühlvoll über die gesamte KSC-Deckung hinweg. Grabowski stürmt heran, trifft den Ball volley und versenkt ihn unhaltbar im Karlsruher Tor. Es steht 2:0 und wenig später pfeift Schiedsrichter Ott die Partie ab. Elek Schwartz fällt nach diesem Spiel ein Stein vom Herzen: "Ich behaupte nicht, dass es ein schönes Spiel war. Aber es waren zwei wichtige, zwei sehr wichtige Punkte, und die waren mir diesmal lieber als ein gutes, aber vielleicht wieder unglücklich verlorenes Spiel. Für das Pech im Spiel, das uns so lange verfolgt hat, kann ich mir bei der Endabrechnung nichts kaufen. Die beiden Punkte von heute aber werden uns hoffentlich in Zukunft mehr Selbstvertrauen geben." "Das Spiel hatte zwei schicksalhafte Minuten: Die 45. und die 90.", gibt für die Karlsruher KSC-Psychologe Prof. Paul Frantz den Kommentar zu dieser Partie ab: "Unsere Mannschaft hat wacker gekämpft. Mit Herrmann und Haußer fehlten die Leute, die ein besseres Mittelfeldspiel hätten aufziehen können, aber ich muss sagen, mich hat auch niemand enttäuscht. Jeder hat gegeben, was er hatte. Dass das zu dem einen Punkt nicht reichte, den wir holen wollten, war unser Pech oder vielmehr das Glück der Eintracht. Dass der Sieg der Eintracht etwas glücklich war, sieht auch Ex-Kapitän Hermann Höfer so: "Warum sollen wir nicht auch mal mit Glück zwei Pünktchen holen?" "Langweilig hin, langweilig her, bis zum Tor war ich mit meiner Mannschaft restlos zufrieden. Wir wollten die Frankfurter nicht zu ihrem Spiel kommen lassen, aber das Tor konnten wir nicht aufholen", weist Prof. Frantz, der wegen seiner Professur an der Straßburger Universität das Training oft seinem „Co“-Trainer Gawliczek überlassen muss, weist die Kritik an der Spielweise seiner Elf zurück. Elek Schwartz lässt sich davon nicht beeindrucken und kein gutes Haar an Karlsruhes „Zertrümmerungsfußball“: "Die hatten doch nichts anderes im Sinne, als unseren Spielfluss zu zerhacken, zerhacken, zerhacken. Schrecklich!" (fgo/rs)
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