Borussia Dortmund - Eintracht
Frankfurt |
Bundesliga 1967/1968 - 9. Spieltag
2:1 (0:1)
Termin: Sa 14.10.1967, 16:00 Uhr
Zuschauer: 30.000
Schiedsrichter: Erwin Sturm (Hannover)
Tore: 0:1 Bernhard Wessel (11., Eigentor), 1:1 Horst Trimhold (85.), 2:1 Siegfried Held (89.)
Borussia Dortmund | Eintracht Frankfurt |
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Verflixte fünf Minuten Wolfgang Solz, der Vize-Kapitän der Frankfurter Eintracht, ist ein wahrer Pechvogel. Nach einer langwierigen Fersenverletzung sollte er am Samstag im Spiel bei Borussia Dortmund zum ersten Mal wieder eingesetzt werden, da verletzt er sich am Mittwochvormittag beim Mannschaftstraining schwer am rechten Fuß: „Ich hatte gerade unseren Torhüter Kunter umspielt, da passierte es. Ich knickte um und hatte große Schmerzen im Fuß. Im Friedrichsheim wurde ich später untersucht und das Ergebnis war für mich niederschmetternd. Mein Fuß war gebrochen.“ Das ist bitter für Eintracht-Trainer Elek Schwartz, der große Hoffnungen in die Rückkehr von Solz gesetzt hatte, aber natürlich auch für den Spieler selbst: „Ich fühlte mich gerade wieder in bester Form!“ „Das Pech regnet doch kübelweise auf uns herab“, klagt Trainer Schwartz zwei Tage später nach dem Abschluss-Training. Der Arzt hat bei Spielmacher Willi Huberts eine Schienbeinverletzung festgestellt, die einen Einsatz in Dortmund unmöglich macht. „Jetzt können wir mit lauter Abwehrspielern nach Dortmund reisen“, schüttelt der geplagte Fußballlehrer den Kopf. Ebenfalls nicht dabei ist auf der Gegenseite Dieter „Hoppy“ Kurrat. „Ich darf nicht mitmachen“, schluckt er, den Tränen nah. Trainer Murach verzichtet überraschend auf den nur 1,60 Meter großen Kämpfer, der bisher in allen Pflichtspielen dieser Saison zur Stammelf gehörte und am vorletzten Spieltag beim 6:0-Sieg gegen Neunkirchen die Hälfte der Tore vorbereitete. Für die Dortmunder, die am 9. Spieltag den Gast aus Frankfurt empfangen, ist die anstehende Partie von großer Bedeutung. Hatte man in den letzten Jahren stets um die Meisterschaft mitgespielt, läuft es in dieser Saison nicht rund. Zwar rangiert man mit aktuell 10:6 Punkten auf dem fünften Platz, allerdings hatte man in den beiden letzten Auswärtsspielen nur wenig überzeugt und mit 0:2 in Karlsruhe und mit 2:3 in Hamburg verloren. Zuhause freilich ist der BVB eine Macht: Vor drei Wochen wurde unter anderem Borussia Neunkirchen mit 6:0 abgefertigt, und am vierten Spieltag gelang das Kunststück, einen 2:3-Rückstand gegen den FC Bayern München noch in einen 6:3-Sieg zu verwandeln. Auch für die Eintracht wäre zumindest ein Pünktchen wichtig. Mit nur sechs Punkten aus den bislang acht absolvierten Ligaspielen befindet man sich in bedrohlicher Nähe zum Tabellenende. Allerdings muss Trainer Schwartz neben den verletzten Stammspielern Huberts und Solz auch noch ohne den gesperrten Bechtold auskommen, was Kräften aus der zweiten Reihe wie Abbé, Keifler oder Racky zu Einsätzen verhilft. Dieser Unbill zum Trotz präsentiert sich die Eintracht in Dortmund von Spielbeginn an vor rund 30.000 Zuschauern im Stadion Rote Erde erfreulich stabil und selbstbewusst. Sie kann das Spiel offen gestalten, die Dortmunder Goalgetter Wosab und Emmerich werden an die kurze Leine genommen. In der 11. Minute unterläuft dem Dortmunder Torhüter Wessel ein fatales Missgeschick. Einen Schuss Rackys kann er nicht festhalten und versucht, das Leder, das vor Abbé prallt, ins Aus zu schlagen. Dabei verlängert er es aber über die Torlinie ins eigene Netz, so dass die Eintracht mit 1:0 führt. Hans Tilkowski, der vier Jahre lang in Dortmund gespielt hatte, in der letzten Saison von Wessel als Stammtorhüter verdrängt wurde und zu Beginn der Saison von Dortmund an den Main gewechselt war, mag den Fehler seines alten Rivalen mit Genugtuung gesehen haben. Den nächsten Rückschlag müssen die Gastgeber nur wenig später wegstecken. Emmerich hat sich bereits in der 2. Minute in einem Zweikampf mit Keifler ohne Verschulden seines Gegenspielers eine Leistenzerrung zugezogen und muss ausgewechselt werden. Für ihn kommt Siggi Held auf den Platz. Auch in der Folge beschränkt sich die Eintracht nicht darauf, den knappen Vorsprung zu halten, sondern versucht sich selbst mit Offensivaktionen. Begünstigt werden diese durch eine hohe Fehlerquote der ansonsten als ‚Betonklotz‘ bekannten BVB-Abwehr.
Auch das Mittelfeld der Gastgeber kann kaum überzeugen. Zwar liefert der anstelle von Kurrat aufgestellte Horst Trimhold - der nach drei Jahren bei der Eintracht zu Beginn der Spielzeit 66/67 nach Dortmund gewechselt war und mit etlichen Spielern des heutigen Gegners noch zusammen aktiv war – eine überzeugende Leistung ab, sein Pendant Assauer dagegen schwächelt. Trimhold, der in der vergangenen Saison nur in neun Bundesligapartien mitwirken konnte und mit der Begegnung heute erst sein insgesamt 15 Pflichtspiel für die Borussia bestreitet, ist in bestechender Form und überschlägt sich geradezu vor Ehrgeiz. Bester Mittelfeldspieler auf dem Platz ist allerdings der junge Frankfurter Keifler, der nicht nur viel Übersicht zeigt, sondern sich auch als unerbittlicher Nahkämpfer erweist. So stellt ihn auch der Wechsel des Gegenspielers nicht vor Probleme – er bändigt Held ebenso zuverlässig wie in der Anfangsphase Emmerich. Recht souverän schafft es die Eintracht, den knappen Vorsprung mit in die Pause zu nehmen. Nach dem Seitenwechsel verstärkt Dortmund, angetrieben von Trimhold, zwar den Druck, kann aber keine zählbaren Erfolge verbuchen. In der 65. Minute hat Dortmund bei einem Pfostenschuss von Neuberger Pech, aber gleich darauf auch Glück, als ein wuchtiger Schuss Grabowskis von der Querlatte zurück ins Spiel prallt. Wessel wäre chancenlos gewesen. Die Frankfurter Innenverteidigung mit Lindner und Blusch steht recht sicher, der zum Abwehrspieler umfunktionierte Helmut Kraus liefert eine ordentliche Partie ab. Überzeugen kann auch der zweite Außenverteidiger Jusufi, wobei der Jugoslawe mit dem Faible für Flügelläufe sich bei seinen Ausflügen in die gegnerische Hälfte doch reichlich Fehlpässe erlaubt. Dennoch werden ihm von professionellen Beobachtern für seine heutige Leistung „Mailänder Fähigkeiten“ attestiert. Die Zeit verrinnt und die Eintracht spielt weiter geschlossen, wie aus einem Guss, und mit einer technischen Brillanz, die in der Liga ihresgleichen sucht und nicht findet. Eine stärkere Bundesligaelf hat sich in dieser Runde in Dortmund noch nicht vorgestellt. Die ersten Zuschauer, die es mit dem BVB halten, verlieren die Hoffnung und machen sich angesichts der enttäuschenden Leistung der Heimmannschaft bereit, das Stadion vorzeitig zu verlassen. Noch fünf Minuten sind zu spielen, die Riederwälder dem doppelten Punktgewinn auf fremden Platz nahe, was allerdings Libuda mit seiner ersten Maßflanke aus der Linksaußenposition erfolgreich zu verhindern sucht. Denn der nach innen geschlagene Ball kommt ideal für Trimhold vor das Tor, der direkt zum Ausgleich einschießt. Eine Minute vor dem Abpfiff kommt es noch schlimmer für die Gäste: Es gibt einen Eckball von rechts. Trimhold spurtet zur Ausführung, flankt, Tilkowski lässt den Ball nach vorne abprallen, Held ist am kurzen Pfosten mit dem rechten Bein zur Stelle und netzt aus nächster Entfernung ein. Wieder einmal hat sich die Eintracht in der Schlussphase einer Partie um den Lohn gebracht, wieder einmal wurden in den letzten Minuten durch individuelle Fehler wichtige Punkte verspielt – acht sind es mittlerweile. Der BVB aber ist erneut den Worten des ehemaligen BVB-Keepers und Nationaltorhüters Heinrich Kwiatkowski gerecht geworden: „Die Dortmunder kommen noch, wenn der Gegner bereits mit einem Fuß in den Duschräumen ist.“ „Wir haben eine schwache Abwehr, aber heute war sie die schwächste, die ich je sah“, schimpft Trainer Murach, der allerdings seine Defensive durch die Nichtberücksichtigung des kampfstarken Kurrat selbst geschwächt hat. „Ich weiß, ich weiß - es war saumäßig. Heute wurde nur unser Kampfgeist belohnt. Die Glücksgöttin Fortuna schenkte uns den Sieg. Jawohl, es war ein Geschenk“, gibt Murach ehrlich zu, was seinem Kollegen Schwartz aber nicht zu trösten vermag. „Ein Jammer. O weh, o weh, wie konnte das passieren?“ fragt er mit aschfahlem Gesicht, „Wir hatten sie doch richtig im Sack“, schüttelt auch Torhüter Tilkowski mit dem Kopf, „wir brauchten den Sack nur noch zuzuschnüren. Das war kein Pech, das war ein Schicksalsschlag.“ Und ein Torwartfehler, Tilkowskis Fehler. „Eine mittelmäßige Truppe. Ohne Saft und Kraft“, sei die Borussia wertet Tilkowski - ohne ein Wort über seinen eigenen Patzer zu verlieren - das Team ab, zu dem er selbst bis zum Sommer noch gehörte. Wolfgang Paul, der Mannschaftskapitän der Dortmunder, lässt sich vom ehemaligen Kameraden nicht provozieren und winkt lässig ab: „Was soll’s? Wir haben gewonnen.“ (fgo/rs)
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