Eintracht Frankfurt - Bayern
München |
Bundesliga 1967/1968 - 8. Spieltag
2:3 (2:2)
Termin: Sa 30.09.1967, 15:30 Uhr
Zuschauer: 40.000
Schiedsrichter: Helmut Fritz (Ludwigshafen)
Tore: 1:0 Wilhelm Huberts (1.), 1:1 Gerd Müller (21., Foulelfmeter), 2:1 Lothar Schämer (36.), 2:2 Rainer Ohlhauser (43.), 2:3 Franz Roth (80.)
Eintracht Frankfurt | Bayern München |
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Traumstart in die Niederlage Wenn die Bayern kommen, kommen die Zuschauer. Einerseits konnte sich der Aufsteiger der Saison 65/66 in seinen bislang zwei absolvierten Bundesligaspielzeiten jeweils im vorderen Tabellendrittel platzieren und zählt auch diese Saison zum erweiterten Kreis der Meisterschaftsaspiranten. Andererseits ist die Mannschaft der 'Roten' gespickt mit Nationalspielern, darunter der zukunftsträchtige zentrale Block des DFB-Teams mit Maier, Beckenbauer und Müller. Franz Beckenbauer ist neben seiner Bedeutung für das Spiel der Bayern auch abseits des Platzes ein „Star“, an dessen Befindlichkeit der Boulevard ausgiebig Anteil nimmt. Aktuell ist es eine Zehenverletzung, die sich Beckenbauer vor wenigen Tagen beim Länderspiel gegen Frankreich zugezogen hat. Der befürchtete Bruch der vierten Zehe bestätigt sich nicht, seine Teilnahme am Spiel gegen Frankfurt hält er selbst aber für fraglich, zumal er auch unter angegriffenen Bronchien leidet. Als dann im Waldstadion bei der Verlesung der Aufstellungen über Lautsprecher Beckenbauers Namen doch genannt wird, werden unter den Zuschauern Sprechchöre laut: „Wir brauchen keinen Beckenbauer, wir haben einen Jusufi!“
Ob sich der Bayernspieler dadurch beeindrucken und nervös machen lassen wird? Glücklich können sich jedenfalls diejenigen der rund 40.000 Zuschauer schätzen, die Eintrachtfans und zudem pünktlich sind. Denn der Eintracht gelingt ein Traumstart in diese Partie. Es ist noch keine halbe Minute gespielt, da versucht sich Friedrich mit einem Steilpass auf Willy Huberts. Der Österreicher im schwarzroten Dress profitiert von einem Schnitzer Beckenbauers, der diesen Ball unter der Sohle durchrutschen lässt, und verwandelt kaltblütig aus 16 Metern zum 1:0 für die Hausherren. Die Zuschauer quittieren den Treffer schadenfroh: „Beckenbauer, Beckenbauer - ha, ha, ha!"
Das Tor verleiht den Riederwäldern eine ordentliche Portion Selbstvertrauen, das sie in Offensivaktionen zu demonstrieren gedenken. Allerdings zeigt es sich schnell, dass der Ausfall von Solz im Sturm nur schwer zu verkraften ist. So finden die Vorlagen von Huberts oft keine Abnehmer, da sich Grabowski heute ein ums andere Mal verzettelt, Lotz sich gleichsam energievoll wie erfolglos als Sturmtank versucht und beim jungen Abbé, der noch die meisten Chancen hat, Pech und Übereifer an den Schussstiefeln kleben. Glück fehlt auf der anderen Seite aber auch Ohlhauser, dessen Kopfball am bereits geschlagenen Tilkowski vorbei ans Gebälk donnert. Auch die Viererabwehrreihe mit dem in der ersten Hälfte unsicher wirkenden Tilkowski im Tor hat ihre Probleme. Da Schwartz auf einen freien Mann hinter der Abwehr verzichtet, hat Bayern-Trainer 'Tschik' Cajkovski seinen Spielern aufgetragen, die beiden zentralen Stürmer Müller und Ohlhauser steil anzuspielen. Dieses Konzept geht auf, ein ums andere Mal werden Jusufi, Blusch, Schämer und Kraus von Steilvorlagen düpiert - während des gesamten Spiels bleibt die Eintracht-Defensive bei den schnellen Kontern der Bayern äußerst anfällig. Rund 20 Minuten hat die Führung der Eintracht Bestand. Dann wird Ohlhauser von Blusch und Kraus in die Zange genommen und zu Fall gebracht. Da das Ganze im Strafraum stattfindet, bedeutet der Pfiff des Schiedsrichters Helmut Fritz aus Ludwigshafen: Elfmeter. Diese Chance lässt sich Gerd Müller - der in der letzten Bundesligasaison immerhin 28 Mal traf und sich die Krone des Torschützenkönigs mit Lothar Emmerich von Borussia Dortmund teilte, diese Spielzeit aber bislang ohne Treffer geblieben ist - nicht entgehen und verwandelt den Strafstoß mit seiner Trefferpremiere für 67/68 zum 1:1: Tilkowski springt in die linke, Müller schießt in die rechte Ecke. „Endlich“, jubelt der Torjäger, „endlich hat es in einem Bundesligaspiel wieder einmal gebumst. War ja auch langsam Zeit!“ Trotz des Ausgleichs lässt die Eintracht in ihren Bemühungen nicht nach, das Tor von Sepp Maier zu bedrängen. Aber nicht die Stürmer, sondern der Innenverteidiger Lothar Schämer ist es, der Zählbares schafft. Nach einem Foul von Roth an Jusufi legt sich der Scharfschütze vom Dienst den Ball rund 30 Meter vor dem Tor zum Freistoß zurecht, zieht vehement ab und kann sich zusammen mit seinen Mannschaftskameraden über das 2:1 und damit die neuerliche Führung freuen: Der Ball zischt in den Torwinkel, Sepp Maier streckt sich vergebens. Kurz vor der Pause ereilt die Eintracht das Schicksal in Form des Ausgleichs, als sich Ohlhauser bei einem Konter gegen drei Mann durchsetzen kann. Am Ende lässt er auch Schämer aussteigen, bekommt dadurch freie Schussbahn und der Ball fliegt zum 2:2 in die lange Ecke. Trotz zweimaliger Führung müssen sich die Riederwälder so mit einem unentschiedenen Zwischenstand in die Kabine begeben. Bayern-Trainer Cajkovski schimpft dennoch, als er mit seinem Kollegen Elek Schwartz Arm in Arm in die Kabinen marschiert: „Hast du diese Tore gesehen? So etwas darf nicht passieren.“ Zu Beginn der zweiten Hälfte erleben die Zuschauer, wie die Bayern das Heft mehr und mehr in die Hand nehmen. Zwar kann die Eintracht spielerisch und technisch gut mithalten, aber in puncto Kraft und Schnelligkeit - ideale Voraussetzung für das präsentierte Steilpassspiel - sind die Gäste aus dem Süden der Republik klar überlegen. Insbesondere der junge Außenläufer Roth, ein U-18-Auswahlspieler des DFB, dessen Chancen gut stehen, beim Länderspiel in drei Wochen gegen Jugoslawien sein erstes A-Länderspiele zu absolvieren, trumpft auf und bewältig die ihm zugeteilte Doppelaufgabe eines Deckungs- und Angriffsspielers aufgrund seiner Kraft hervorragend. In der Spitze übertrifft Ohlhauser seinen Sturmpartner Müller heute deutlich und fordert dem in der zweiten Hälfte sehr guten Tilkowski im Tor der Eintracht ein ums andere Mal Glanzleistungen ab. In der 56. Minute scheint Ohlhauser den Torhüter bezwungen zu haben, doch er trifft für die Gäste erneut nur den Pfosten. Müller, Brenninger und vor allem Ohlhauser spazieren nun durch die Eintracht-Abwehr, wie es vorher Huberts, Grabowski und Lotz getan haben. Zudem bringt der wiedergenesene Koulmann Ruhe in die Münchener Hintermannschaft und füttert im selben Atemzug seine Stürmer mit genauen Pässen. Die 70. Minute nutzen beiden Trainer für einen Wechsel: Während Cajkovski den angeschlagenen Beckenbauer durch Nowak ersetzt, bringt Schwartz den jungen Günter Keifler für den heute glücklosen Abbé. In der 80. Minute schlägt dann mit Franz Roth der beste Spieler auf dem Platz zu. Der wird von seinen Mitspielern bei einem Kontervorstoß bestens in Szene gesetzt, erhält von Nafziger das Leder und zieht so kraftvoll und platziert ab, dass Tilkowski im Tor der Eintracht keine Chance bleibt. Hätte Tilkowski, so kundige Beobachter, hier überhaupt die Chance zum Eingreifen gehabt, wäre er wahrscheinlich mit ins Netz gerissen worden. Recht locker spielen die Bayern nun diesen Auswärtssieg ein, die Eintrachtspieler wirken ausgelaugt. In den Gesichtern der beiden Trainer ist nach dem Spiel klar zu erkennen, wer der Sieger und wer der Unterlegene war. Vergrätzt präsentiert sich Elek Schwartz und weist auf die vielen Chancen hin, die Talent Abbé in der ersten Hälfte hatte und die er versiebte: "Mit einem Müller oder einem Ohlhauser anstelle von Abbé hätten wir das Spiel schon vor der Pause gewonnen - aber ich kann eben nur mit den Leuten spielen, die ich habe. Die Bayern sind erfahrene Spieler. Wenn sie eine Chance haben, dann machen sie was draus." Strahlend zeigt sich dagegen Cajkovski: "Vor der Pause hatte die Eintracht mehr vom Spiel, dann aber setzte sich unsere größere Kraft, unsere bessere Kondition durch. Das war entscheidend." Besonders angetan äußert er sich über seinen Nachwuchsspieler Franz Roth: "Der Junge ist unersetzlich für unsere Mannschaft." (fgo/rs)
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