1. FC Kaiserslautern - Eintracht
Frankfurt |
Bundesliga 1967/1968 - 3. Spieltag
1:1 (1:0)
Termin: Sa 02.09.1967, 16:00 Uhr
Zuschauer: 26.000
Schiedsrichter: Gerd Hennig (Duisburg)
Tore: 1:0 Helmut Kapitulski (29.Foulelfmeter), 1:1 Oskar Lotz (88.)
1. FC Kaiserslautern | Eintracht Frankfurt |
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Trainer | Trainer |
Ein Reißer fehlt Es ist noch keine fünf Monate her, da war das Aufeinandertreffen des gastgebenden 1. FC Kaiserslautern und der Eintracht aus Frankfurt ein echtes Bundesligaspitzenspiel. Denn im April '67 traf am 29. Spieltag der Tabellenzweite aus Frankfurt, der zu dieser Zeit noch berechtigte Meisterschaftshoffnungen hegte, auf den Fünften aus Kaiserslautern. 1:1 endete diese Partie schließlich, bei der Bechtold für die Gäste und Kentschke für die Heimmannschaft die Tore schossen und Willy Reitgaßl durch einen verschossenen Elfmeter die Siegchance für die gastgebende Elf vergab. Ob die beiden Mannschaften auch in der aktuellen Saison im oberen Tabellendrittel mitspielen werden, steht an diesem dritten Spieltag naturgemäß noch in den Sternen. Mit einem Sieg heute zumindest vorübergehend oben einnisten könnten sich die Pfälzer, die am ersten Spieltag Neunkirchen knapp mit 2:1 schlagen konnten, um sich eine Woche später beim 1:1 gegen den HSV einen Punkt in der Fremde zu ergattern. Für die Eintracht gilt es, nach dem misslungenen Saisonauftakt mit dem 0:4 beim VfB Stuttgart und dem anschließenden 5:3-Heimsieg gegen Werder Bremen einen positiven Trend aufzuzeigen. Ein Pünktchen nach Hause mitzunehmen ist das Minimalziel. Die Marschroute der Lauterer für dieses Spiel wird bald klar: Mit schnellen Kombinationen im Mittelfeld will man Räume für den Einsatz der Stürmer schaffen, die die Frankfurter Viererkette mit Kraus, Schämer Blusch und Jusufi in Verlegenheit bringen sollen. Und dieses Konzept geht auch auf, der Gastgeber bestimmt das Spiel, während sich die Gäste vornehmlich auf die Deckungsarbeit konzentrieren. Wenig geschickt zeigt sich dabei allerdings in der 29. Minute Schämer, als er Roggensack im Strafraum umrempelt und so den Elfmeterpfiff des Unparteiischen provoziert. Kapitulski lässt sich die Chance nicht entgehen, lässt Tilkowski keine Chance und versenkt das Leder zum 1:0 für den Gastgeber in die Maschen des Tornetzes. „Das war doch nie und nimmer ein Elfmeter“, schimpft Eintracht-Trainer Schwartz. Auch in der Folge gelingt es den Lauterer Stürmern, die von ihren gut aufgelegten Mittelfeldarbeitern Kapitulski und Rehhagel bedient werden, immer wieder, die Frankfurter Deckung zu durchbrechen. Doch Kentschke, Klimaschefski und Hasebrink können gegen den heute starken Tilkowski selbst klare Torgelegenheit nicht zu einem zweiten Erfolg nutzen. So geht es mit der 1:0-Führung für den FCK in die Pause. „Trainer Knefler hat doch die richtige Besetzung gewählt“, freut sich Kaiserslauterns Spielausschuss-Obmann Klee. Zwar bietet sich den rund 25.000 Zuschauern in der zweiten Hälfte zunächst das gleiche Bild wie in der ersten, doch mit zunehmender Spieldauer wandelt sich das Kräfteverhältnis mehr und mehr. Die Frankfurter sind den Lauterern konditionell überlegen und dominieren das Spiel deutlich. Schneider und Koppenhöfer in der Defensive des FCK leisten sich zunehmend Fehlzündungen, doch zum Torerfolg fehlt der Eintracht trotz eines glänzend aufgelegten Wolfgang Solz und schönen Kombinationen die Durchsetzungsfähigkeit eines kraftvollen Mittelstürmers, der die herausgespielten Chancen konsequent ausnutzt. So wirkt das Sturmspiel der Riederwälder oft unkonzentriert, und wenn ein Ball aufs Pfälzer Tor kommt, ist der heute bestens aufgelegte Torhüter Schnarr zur Stelle und bereinigt die Situation. Nach vorne klappt bei den Pfälzern nun wenig. Nur Roggensack gelingt es ab und an, sich gegen die clevere Frankfurter Deckung zu behaupten, während Windhausen und Kentschke mehr und mehr abbauen. In der 85. Minute hat Kaiserslautern trotz der Überlegenheit der Eintracht die Chance, alles klar zu machen, als Schiedsrichter Gerd Hennig aus Duisburg einen zweiten Elfmeter für die Gastgeber pfeift, nachdem Kentschke an Blusch vorbei läuft und zu Boden geht. Einem Anhänger der Frankfurter Eintracht gehen die Nerven durch und er läuft auf den Rasen, wo er von ebenso aufgebrachten Ordnern wie ein Hase gejagt und mit großer Härte zu Boden gebracht wird. Tritte und Schläge gegen den Mann werden dem Ordnungsdienst vorgeworfen, was einer der Ordner so verteidigt: „So einer brockt uns hinterher noch eine Platzsperre ein. Das darf nicht sein.“ Endlich kann der Strafstoß ausgeführt werden, dieses Mal tritt Uwe Klimaschefski zur Exekution an. Sein Schuss findet den Weg in Tilkowskis Kasten jedoch nicht, was der nie mundfaule „Klima“ so erklärt: „Als der Ball loszischte, fiel mir ein, wir haben ja gar keine runden Torpfosten. Um dreiviertel Zentimeter hatte ich mich deshalb verrechnet.“ Dass die Eintracht mit zumindest einem Punkt im Gepäck die Heimreise an den Main antritt, verdankt sie Lotz, der zwei Minuten vor dem Abpfiff nach Vorarbeit von Jusufi und des in der 71. Minute für den wenig überzeugenden Abbé eingewechselten Bronnert zum verdienten 1:1 trifft. Eintracht-Präsident Gramlich ist nach dem Spiel mit der Einsatzfreude und der spielerischen Substanz seiner Mannschaft zufrieden, äußert aber deutliche Worte der Kritik an der Leistung der Stürmer: "Man muss heute schon verlangen können, dass eine Vollprofi-Elf nicht leichtfertig, wenn es um Punkte und um Geld geht, so viele gute Chancen auslässt". Trainer Elek Schwartz stimmt dem zu und geht davon aus, dass das Spiel seiner Mannschaft erst dann voll zum Tragen kommen wird, wenn neben seinen Technikern Solz und Grabowski auch ein Reißer steht, der Platz für die Nebenleute zu schaffen vermag. Letztlich einverstanden mit der Punkteteilung zeigen sich Kaiserslauterns Präsidiumsmitglied Weistenhagen und der Spielausschussvorsitzende der Pfälzer Heinz Klee: "Unsere Elf hätte zweifellos in der ersten und auch in der zweiten Spielhälfte gut und gern ein zweites und drittes Tor erzielen können. Aber unseren jungen Stürmern fehlte einfach der Nerv, als sie plötzlich allein vor Tilkowski standen. Die Frankfurter haben insbesondere in der zweiten Halbzeit ein glänzendes Spiel geliefert, denn als sie erkannten, dass wir im Mittelfeld stark nachließen, gingen sie aufs Ganze. Wie der Spielverlauf zeigt, hatten sie zu guter Letzt das Glück des Tüchtigen." „Frankfurt hatte technische Vorteile, wir die größeren Chancen“, bringt Lauterns Trainer Otto Knefler die Begegnung auf den Punkt.
Für den Boulevard an diesem Tag fast noch wichtiger als das eigentlich Spiel: Es gibt Schwerverletzte unter den Zuschauern zu beklagen. So stürzte ein 45-jähriger Mann aus Kaiserslautern vor dem Anpfiff von einer steilen Zugangstreppe in der Westkurve und zog sich dabei einen Schädelbruch zu. Die Polizei ermittelt gegen einen 23-Jährigen aus Frankfurt, der den Pfälzer die Treppe hinuntergestoßen haben soll. Ebenfalls eine Schädelverletzung erlitt ein 26-jähriger Frankfurter, der unbeteiligt in eine Prügelei geraten sein will. Der spektakulärste Fall aber betrifft Gustav Lohmann. Dem 36-jährigen Rodenbacher Monteur, der in Frankfurt arbeitet, entfernten die Ärzte im Städtischen Krankenhaus Kaiserslautern ein Geschoß des Kalibers 22 lang aus seinem rechten Knöchel. „Es war in der ersten Halbzeit. Ich stand in der Westkurve mitten unter Frankfurtern. Es knallte mehrmals. Wahrscheinlich Raketen oder Knallfrösche. Deshalb registrierte ich keinen Schuss. Ich spürte nur einen Schmerz im rechten Bein, dachte, mich hätte jemand getreten, aber als der Schmerz nicht aufhörte und ich Blut sah, humpelte ich zur Ambulanz“, berichtet Lohmann seine Version des Tathergangs der „Bild“: „Es muss ein Frankfurter geschossen haben, denn ich stand unter lauter Frankfurtern.“ Kurz darauf wartet die „Bild“ mit einer Überraschung auf, denn der 27-jährige Maurer Karl Glaser aus Dorsheim bei Bingen will Lohmann anhand des Fotos im Boulevardblatt erkannt haben und erzählt eine völlig andere Geschichte: „Die Frankfurter Zuschauer standen in der andern Ecke der Westkurve. Ich stand etwa auf der sechsten Stufe von unten, der Mann im rotkarierten hochgekrempelten Hemd etwa drei Stufen unter mir. Er fummelte mit einer altertümlichen Pistole in der Luft herum. Der knapp zehn Zentimeter lange Lauf glänzte messingfarben und war außen eckig. Offensichtlich wollte er nur ballern, um Lärm zu machen. Aber es ging kein Schuss los. Dann führte er die Pistole vor sich nach unten. Ich dachte, wenn jetzt ein Schuss losgeht, dann erschießt er ja den Mann vor sich. Dann versuchte er die Pistole in die Hosentasche zu stecken. Da löste sich der Schuss. Der Mann besah sich sofort sein Bein, während die Umstehenden über sein Missgeschick laut lachten. Ich habe drei Zeugen, wir fahren immer zusammen zum Spiel.“ (fgo/rs)
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