Eintracht Frankfurt - Werder
Bremen |
Bundesliga 1967/1968 - 2. Spieltag
5:3 (4:2)
Termin: Sa 26.08.1967, 16:00 Uhr
Zuschauer: 25.000
Schiedsrichter: Oswald Fritz (Ludwigshafen)
Tore: 1:0 Heinz Steinmann (15., Eigentor), 1:1 Horst-Dieter Höttges (16.), 2:1 Walter Bechtold (21.), 3:1 Wolfgang Solz (36.), 3:2 Horst-Dieter Höttges (44., Foulelfmeter), 4:2 Wolfgang Solz (45.), 4:3 Arnold Schütz (72.), 5:3 Helmut Kraus (89.)
Eintracht Frankfurt | Werder Bremen |
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Ruppige Hansestädter Zwei klassische Fehlstarter treffen im Frankfurter Waldstadion am zweiten Bundesligaspieltag der Saison 67/68 aufeinander: Während die gastgebende Eintracht in ihrem ersten Ligaspiel mit 0:4 beim VfB Stuttgart unter die Räder kam, leistete sich der heutige Gast Werder Bremen eine 1:4-Heimniederlage gegen den Hamburger SV. „Wir werden fighten“, kündigt Frankfurts Ersatz-Kapitän Solz an und der verletzte Lindner fügt hinzu: „Wir wissen, was für uns auf dem Spiel steht.“ Bereits wenige Minuten nach dem Beginn der Partie vor 25.000 Zuschauern und einer Gedenkminute für den verstorbenen Werder-Präsidenten Ries machen die Bremer ihren Gegenspielern klar, wie sie in Frankfurt zu bestehen gedenken: Außenverteidiger Piontek und Hänel, der als letzter Mann hinter der Vierer-Abwehr für zusätzliche Sicherheit sorgen soll, fahren mit einer Härte dazwischen, die oft die Grenzen des Erlaubten überschreitet, Nationalverteidiger Höttges wird seinem Ruf als 'Eisenfuß' mehr als gerecht. Zeigen sich die Frankfurter anfangs noch beeindruckt von dieser Brachialgewalt, schaffen sie es doch schon bald, ihre überlegene Technik als adäquates Gegenmittel einzusetzen. Vollends mit dem bisherigen Spielverlauf arrangieren kann man sich dann nach einer Viertelstunde, als sich die Bremer quasi selbst bestrafen: Nach einem Pressschlag zwischen Höttges und Blusch schlägt Friedrich eine Flanke in den Strafraum der Gäste, die der Werder-Innenverteidiger Steinmann über das eigene Tor köpfen will, aber ins eigene Netz versenkt. Lange können sich die Riederwälder über dieses 1:0 aber nicht freuen. Denn schon eine Minute nach der Führung zeigt sich Schiedsrichter Oswald Fritz aus Ludwigshafen, der bei den Bremer Attacken auf die Gesundheit ihrer Gegenspieler bislang beide Augen fest geschlossen hielt und im weiteren Spielverlauf auch halten wird, von der kleinlichen Seite. Nachdem Tilkowski eine Flanke von Görts abgefangen hat, erinnert sich Fritz an die zu Saisonbeginn eingeführte "Vier-Schritte-Regel", die besagt, dass ein Torhüter nur noch vier Schritte mit dem Ball in der Hand laufen darf, bevor er den Abschlag oder Abwurf ausführt. Fünf Schritte hat jedoch Tilkowski gemacht, dabei ausgerechnet einen der wenigen wachen Momente des Herrn Fritz erwischt und sich einen indirekten Freistoß als Bestrafung eingehandelt. Rupp tippt das Leder kurz an und Höttges drischt den Ball, der einen aus der Mauer herauslaufenden Abwehrspieler touchiert, aufs Frankfurter Tor und erzielt das 1:1. Von diesem Rückschlag zeigen sich die Eintrachtler wenig beeindruckt. In der 21. Minute setzt Jusufi am Flügel zu einem seiner bekannten Soli an und bedient Lotz. Der Außenstürmer spielt zu Bechtold, der den Ball aus elf Metern Entfernung überlegt über Torhüter Loweg hinweg unter die Latte zur neuerlichen Führung hebt. Gästetrainer Brocker nimmt nicht nur diesen Gegentreffer zähneknirschend zur Kenntnis, sondern auch das weiterhin rabaukenhafte Auftreten seiner Defensivkräfte. In der 26. Minute mag er der blinden Toleranz des Schiedsrichters nicht weiter vertrauen und nimmt mit Sepp Piontek den schlimmsten Treter am heutigen Tage vom Platz. Der ehemalige Nationalverteidiger hat sich bereits zwei Ermahnungen eingehandelt. Für ihn kommt Max Lorenz aufs Feld, der vor dem Spiel erklärt hat: „Wir stehen hinter unserem Trainer.“ Eine Viertelstunde nach dem 2:1 fällt das 3:1 für die Hausherren. Bechtold spielt Solz in den Lauf, der erspäht die Lücke und versenkt das Leder mit der Fußspitze an Hänel und Loweg vorbei im Netz. Damit ist der Torreigen in der ersten Halbzeit aber noch nicht abgeschlossen. Zunächst dürfen die Bremer in der 44. Minute jubeln. Görts wird nach einem langen Sprint im Strafraum beim Schussversuch von Schämer zu Boden gestoßen und Höttges verwandelt den fälligen Elfmeter zum Anschlusstreffer, in dem er Tilkowski täuscht und in die falsche Ecke schickt. Gleich darauf bringt Steinmann gegen Bechtold den Ball nicht weg, Solz ist zur Stelle und stellt mit einem Weitschuss unmittelbar vor dem Pausenpfiff, der hoch im langen rechten Eck einschlägt, den alten Zweitoreabstand wieder her. Mit der 4:2-Führung im Rücken gehen die Adlerträger die zweite Halbzeit im vermeintlich legitimen Schongang an. Bremen nutzt die überlassenen Freiräume zu Attacken, die vor allem über Rechtsaußen Görts vorgetragen werden. Der auf dem linken Flügel aufgestellte Rupp dagegen liefert ein schwaches Spiel ab. Der 25-jährige Stürmer, der bereits ein Länderspiel absolviert hat und vor der Saison aus Mönchengladbach an die Weser gewechselt war, hätte eigentlich gut ins "Beuteschema" der Eintracht gepasst. Schließlich verdiente er seine Fußballsporen beim FC Burgsolms unweit von Wetzlar und kickte vor seinem Wechsel 1964 in den bezahlten Fußball beim SV Wiesbaden - also im Einzugsgebiet der Riederwälder. Bis weit in die zweite Hälfte hält der Aufschwung der Bremer an, die Eintracht findet nicht mehr zurück zum zielgerichteten Spiel der ersten Hälfte. Zwar kämpfen einige der Akteure wie Solz und Jusufi vorbildlich, andere wiederum wie Huberts zeigen dagegen nur wenig Engagement. Auch Grabowski, zu Spielbeginn noch ein Aktivposten, lässt merklich nach. Dem Wiesbadener ist anzumerken, dass er konditionelle Probleme hat. Die Bestrafung der Eintrachtmannschaft für ihre laxe Haltung folgt in der 72. Minute, von der ab die Frankfurter Fans wieder um den doppelten Punktgewinn zittern müssen. Arnold Schütz kann eine Flanke von Björnmose zum dritten Treffer für die Gäste nutzen – aus acht Metern trifft er mit dem linken Fuß zum 4:3. Zwei Minuten nach diesem erneuten Anschlusstreffer der Bremer hat Trainer Schwartz vom uninspirierten Auftritt Huberts' genug - für ihn kommt Istvan Sztani aufs Feld. Nun sind die Bremer bestrebt, den Ausgleich zu erzwingen. Ein Erfolg ist ihnen dabei freilich nicht vergönnt drei Mal wird Görts allerdings erst in letzter Sekunde gestoppt. Eine Minute ist noch zu spielen, da macht Helmut Kraus, der einen Ausflug in die gegnerische Hälfte unternimmt, alles klar. Aus rund 30 Metern zieht der Außenverteidiger überraschend ab, und über den verdutzten Bremer Torhüter Loweg hinweg senkt sich das Leder zum 5:3-Endstand ins Tor. „Ob Bremens Härte der richtige Weg ist, möchte ich offen lassen“, sagt Frankfurts Trainer Schwartz, nimmt aber mit der Nonchalance des Siegers nach dem Spiel die Bremer für ihre übergroße Härte sogar in Schutz: "Ich kann verstehen, dass sie hier so gespielt haben, sie wollten ja mindestens einen Punkt holen. Aber der Schiedsrichter hätte doch manches unterbinden müssen." Bei der eigenen Mannschaft sieht er durchaus Nachholbedarf: "Ich weiß, dass noch nicht alle Spieler die nötige Kondition haben. Das wird mein nächstes Ziel sein." Dem nach der Pause nachlassenden Kampfgeist seiner Spieler begegnet er indes mit Hilflosigkeit: „Ich kann sie doch nicht schlagen.“ Ein guter Schiedsrichter wird die neue Regel nicht mit mathematischer Genauigkeit befolgen, sondern danach, ob eine Verzögerungsabsicht vorliegt, meint Gästetrainer Günter Brocker zur „Vier-Schritte-Regel“. „Ich fand die Atmosphäre etwas hektisch und die Proteste ungerechtfertigt“, beschwert er sich über das Publikum. Als entscheidend für den Ausgang der Partie stuft Gästetrainer Günter Brocker das 4:2 durch Solz unmittelbar vor dem Seitenwechsel ein: "Ohne diesen Treffer hätten wir nach der Pause, als die Eintracht nachließ, wahrscheinlich noch den Ausgleich erzielt." In der Einzelkritik nimmt er sich Torwart Loweg zur Brust, dem er die Schuld am dritten und fünften Treffer zuschreibt. „Wir werden umbauen, Lorenz kommt rein, und Bernard für Loweg ins Tor.“ Auch Rupp kommt nicht ungeschoren davon: "Er konnte die Erwartungen, die an seinen großen Namen geknüpft sind, in der neuen Umgebung noch nicht erfüllen." Hinter den Erwartungen zurück blieb heute auch Frankfurts Schlussmann Tilkowski, der sich aber in mancher Hinsicht uneinsichtig zeigt und frei von Schuld glaubt. Die neue Regel, meint er, „wird zu einem Abzählspiel für Schiedsrichter und Publikum. Ich habe nichts dagegen, dass Verzögerung bestraft wird. Aber ich bin gegen das abstrakte, vom Spielverlauf unabhängige Abzählen der Schritte. Ich weiß nicht genau, ob ich fünf Schritte machte. Keinesfalls wollte ich das Spiel verzögern ...“ Dass auch gegen Bremens Torwart Loweg ein indirekter Freistoß verhängt wurde, kommentiert er mit einem Vorwurf an seine Vorderleute: „Erfolglos, die Bremer Mauer hielt, unsere nicht.“ „Wir spielten weit besser als in Stuttgart, aber 1:0 wäre mir lieber als 5:3“, antwortet er auf die Frage, ob er mit seiner Abwehr unzufrieden sei. Es war sein siebtes Spiel für die Eintracht „und keines ging zu Null aus. Was mir die Gegentore im Magen liegen, glaubt keiner. Ich kann doch keine Wunder vollbringen.“
Am Wochenende darauf unterliegt Werder Bremen zu Hause Borussia Mönchengladbach mit 0:4. Werder ist punktlos mit 4:13 Toren Tabellenletzter und die Zuschauer im Weserstadion skandieren: „Brocker raus! Brocker raus!“ Beim Weg in die Kabine muss Brocker von der Polizei vor dem aufgebrachten Publikums geschützt werden. „Am liebsten würde ich mich jetzt aufhängen“, ist Brocker mit seinem Latein am Ende und am 4.9.1967 seinen Trainerjob in Bremen los. Am 18.11.1967 übernimmt Brocker dann Schalke 04, das nach 13. Spieltagen mit nur fünf Punkten das Schlusslicht der Liga ist. Brocker führt die „Knappen“, für die er selbst von 1952 bis 1961 gespielt hat und 1958 Deutscher Meister geworden war, auf den 15. Platz und rettet Schalke vor dem Abstieg. „Warum zählen wir nicht zu den Meisterschaftsfavoriten?“, hatte Brocker zu Beginn der Saison gefragt und Kopfschütteln geerntet, weil Werder im Vorjahr als 16. nur knapp dem Abstieg entronnen war. Am Ende der Meisterschaftsrunde sollte der entlassene Trainer jedoch die Bestätigung erfahren, dass er sich im Potenzial der Elf nicht getäuscht hatte: Werder wurde trotz des miserablen Starts noch Vizemeister. (fgo/rs)
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