Eintracht Frankfurt - Borussia Dortmund

Bundesliga 1966/1967 - 33. Spieltag

3:3 (1:0)

Termin: Sa 27.05.1967, 16:00 Uhr
Zuschauer: 41.000
Schiedsrichter: Oswald Fritz (Ludwigshafen)
Tore: 1:0 Walter Bechtold (28.), 1:1 Reinhold Wosab (46.), 1:2 Lothar Emmerich (50.), 2:2 Jürgen Grabowski (65.), 2:3 Lothar Emmerich (68.), 3:3 Oskar Lotz (90.)

 


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Eintracht Frankfurt Borussia Dortmund

 


  • Bernhard Wessel
  • Gerhard Cyliax
  • Wolfgang Paul
  • Dieter Kurrat
  • Gerd Peehs
  • Willi Neuberger
  • Reinhold Wosab
  • Lothar Emmerich
  • Wilhelm Sturm
  • Reinhard Libuda
  • Siegfried Held

 

Trainer Trainer
  • Heinz Murach

 

 

Wiederholungstäter und ein Gummimann

Wenn die Frankfurter das Rennen um die Deutsche Meisterschaft bis zum letzten Spieltag spannend halten wollen, müssen sie heute ihr Heimspiel gegen den BVB gewinnen und darauf hoffen, dass Spitzenreiter Braunschweig beim Tabellenvorletzten Rot-Weiss Essen nicht nur Federn, sondern auch Punkte lässt. Mit den Dortmundern haben die Schützlinge von Trainer Elek Schwartz jedoch einen harten Brocken vor der Brust. Der Vizemeister des letzten Jahres hat seine Titelchancen zwar ab Mitte Februar durch eine Serie von sieben sieglosen Spielen eingebüßt, sich mit zuletzt vier Siegen in Folge aber wieder auf Platz vier geschoben. 17:3 Treffer lautet die Ausbeute der Truppe von Trainer Murach aus diesen letzten vier Partien, wobei der Hamburger SV vor einer Woche gar mit sage und schreibe 7:0 zurück an die Elbe geschickt wurde. Höher hat der HSV, der nach dem 16. Spieltag Tabellenführer war, doch in der Rückrunde fast bis auf die Abstiegsränge abgestürzt ist, in der Bundesliga noch nie verloren …

In bestechender Form ist vor allem Lothar „Emma“ Emmerich, auf dessen Konto allein 6 der letzten 17 Dortmunder Treffer gehen. Der Torschützenkönig der letzten Saison liefert sich mit Gerd Müller, dem 21-jährigen Stürmer von Bayern München, ein spannendes Duell um die diesjährige Krone des besten Schützen. Aktuell hat Müller, der die zwei letzten Bundesligaspiele nach seinem Anfang Mai bei der 0:1-Niederlage der DFB-Auswahl in Jugoslawien erlittenen Unterarmbruch verpasste, 28 Treffer auf dem Konto, bei Emmerich stehen 24 zu Buche. Und am nächsten Wochenende begegnen sich beide Stürmer, wenn der BVB am letzten Spieltag die Bayern empfängt.

Eine mit aller Macht geführte Auseinandersetzung darf man auch heute erwarten. In den bisherigen Vergleichen haben sich die Mannschaften kaum etwas geschenkt. Beide Teams treten im Vergleich zum letzten Wochenende in unveränderter Aufstellung an. Das überrascht beim BVB nach dem Kantersieg nicht, bei der Eintracht dagegen nach dem 0:3 in Bremen schon eher.

Das Konzept von BVB-Trainer Murach ist allerdings bereits nach wenigen Minuten außer Kraft gesetzt: Nationalspieler Held zieht sich eine Leistenzerrung zu und fristet fortan auf dem linken Flügel das Dasein eines Statisten. In die für Held vorgesehene Rolle schlüpft mit schnellen, energischen Läufen zunächst Neuberger. Der agiert deutlich mannschaftsdienlicher als Flügelmann Libuda, der am Spiel nur teilnimmt, wenn er den Ball hat. Da er dann jedoch allzu oft über den Besitz des Leders seine Nebenleute vergisst und sich in seinen Dribblings verliert, wird er seltener angespielt, als es möglich wäre.

Auf Anspiele wartet Emmerich noch sehnlicher, doch er tut zu wenig, um sich dafür in Position zu bringen. Am Kombinationsspiel seiner Elf, die ja nur noch aus zehn spielfähigen Teilnehmern besteht, nimmt der Torjäger nicht teil. Dass die Gäste zu zwei guten Gelegenheiten kommen, ist somit eher der bekannten Frankfurter Abwehrschwäche als der Klasse der Gäste zuzuschreiben. Doch Libuda nach zehn und Neuberger nach zwanzig Minuten haben nicht die Nervenstärke, um Kunter im Tor der Eintracht zu überwinden.

Die ist dem BVB spielerisch überlegen und hat Pech, als in der 21. Minute ein Schuss von Solz an die Latte des von Wessel erstklassig gehüteten Kastens klatscht. Sieben Minuten später ist der Schlussmann erneut machtlos und dieses Mal schlägt es hinter ihm ein: Der von Huberts eingesetzte Grabowski legt auf den besser postierten Bechtold zurück und der junge Mittelstürmer trifft halbhoch ins Eck zur Frankfurter Führung.


Wessel in Aktion gegen Grabowski

Die müsste deutlich höher ausfallen, aber Wessel, der einen anderen Bechtold-Schuss in glänzender Manier mit einer Blitzreaktion aus der unteren Torecke fischt, hält seine Elf mit tollen Paraden im Spiel und verhindert einen höheren Rückstand. Seine Vorderleute haben derweil ihre liebe Not mit dem Angriffswirbel der Hessen. Bei denen agieren Solz am linken und Lotz am rechten Flügel, während der etatmäßige Rechtsaußen Grabowski nach innen gerückt ist, um den starken Paul auf sich zu ziehen. Dem BVB das Leben schwer macht zusätzlich Verteidiger Jusufi mit seinen unentwegten Vorstößen, die kaschieren helfen, dass Spielmacher Huberts nicht seinen besten Tag erwischt hat. Seine ins Zentrum gepassten Bälle finden nicht die Mitspieler, sie werden die Beute von Paul, dessen Stellungsspiel von Eintracht-Trainer Schwartz später ausdrücklich gelobt werden wird.

Der einseitigen Partie, die die Eintracht nach Eckbällen mit 10:3 in Führung sieht, gibt Blusch die Wendung. Er gerät mit den für seine Provokationen bekannten Emmerich aneinander und stößt den Linksaußen zu Boden, ohne dass der Ball in der Nähe ist. Schiedsrichter Oswald Fritz steht nur wenige Schritte vom Ort des Geschehens entfernt, winkt jedoch ab und lässt die Partie weiterlaufen, bevor er kurz darauf zum Pausentee bittet. Auf dem Weg in die Kabine eilt jedoch einer seiner beiden Linienrichter auf Fritz zu, um den Oggersheimer über die Tätlichkeit zu unterrichten. „Blusch ist vom Platz gestellt!“, erklärt Fritz daraufhin den verblüfften Eintracht-Spielern.

Es ist bereits Blusch zweiter Platzverweis in dieser Saison und auch für den Schiedsrichter ist es keine Premiere, obwohl er zum ersten Mal in der Bundesliga einen Spieler vorzeitig zum Duschen schickt. Kurioserweise sprach Fritz am selben Ort schon einmal einen Platzverweis aus, und zwar am 28.7.1962, als die Eintracht im DFB-Pokal auf Tasmania Berlin traf. Auch damals ließ Fritz das Spiel zu Unrecht weiterlaufen, weil er eine Regelwidrigkeit – eine Abseitsstellung von Solz – nicht bemerkt hatte. Dem folgenden Treffer von Solz erkannte er zunächst sogar an, bis hier gleichsam einer seiner Linienrichter intervenierte. Fritz annullierte den Treffer, dem Frankfurter Eigenbrodt ging daraufhin der Gaul durch und derart auf den unschuldigen Mann an der Seitenlinie los, dass er von seinen Kameraden nur schwer gebändigt werden konnte und einen ebenso berechtigten Platzverweis erhielt wie Blusch.

Nachdem Blusch die Nerven verloren hat, droht der Eintracht nun der Verlust der im Kampf um die Meisterschaft dringend benötigten Punkte. Innerhalb von fünf Minuten wendet sich das Blatt und die Frankfurter liegen in Rückstand. „Ihr müsst das Mittelfeld schneller überbrücken, sonst verhungern unsere Sturmspitzen“, hat Murach seiner Elf mit auf den Weg gegeben und gleich nach Wiederanpfiff netzt Wosab nach einem Pfostenschuss von Held den Abpraller aus zehn Metern Torentfernung ein. Schwartz‘ Schützlinge sind mit ihren Gedanken offensichtlich noch in der Kabine und lassen sich in der 50. Minute gleichfalls ablenken, als ein gefoulter Gegner in der Nähe des Frankfurter Strafraumes liegen bleibt. Für den interessieren sich die Gastgeber mehr als seine Mitspieler, die über Libuda Neuberger einsetzen. Der bedient den sträflich allein gelassenen Emmerich und der Torjäger verrichtet humorlos seinen Dienst.


2:2 durch Grabowski

Die Eintracht beweist nun Moral, stürmt und wird in der 65. Minute belohnt. Wieder ist es Jusufi, der auch in zahlenmäßiger Unterlegenheit nicht von seinen Vorstößen lässt, und zu einem Flankenlauf ansetzt. Seine Hereingabe kommt zu Grabowski, der sich weder von Peehs‘ Rettungsversuch noch vom sich ihm entgegen stürzenden Wessel beeindrucken lässt. Aus kurzer Distanz jagt er den Ball in die Maschen.

Doch der Jubel des Teils der 41.000 Zuschauer, die es mit der Eintracht halten, weicht keine 180 Sekunden später erneuter Ernüchterung: Lindner will es trotz der reduzierten Hintermannschaft Jusufi offensichtlich gleich tun und prescht weit über die Mittellinie. Doch Lindner verfügt weder über die Schnelligkeit noch die Ballfertigkeit seines jugoslawischen Mitspielers und verliert das Leder. Gegen die vollends entblößte Abwehr haben die Gäste nun leichtes Spiel. Sturm, der im zweiten Durchgang den starken Neuberger noch übertrifft, passt auf Emmerich und der schlägt zum zweiten Mal zu. „Ja, ja“, kommentiert DFB-Trainer Helmut Schön auf der Tribüne, „Emmerich ist immer noch gefährlich – besonders, wenn man ihm so viel Platz lässt wie die Frankfurter Raumdecker.“

Die Eintracht steckt jedoch auch diesen Treffer weg und gibt nicht auf. Fast schon scheint das Bemühen vergebens, doch Sekunden vor dem Schlusspfiff kommt der Ball über Grabowski zu Huberts, der mit seiner besten Aktion am heutigen Nachmittag die Lücke für Lotz findet. Der lässt sich diese Chance nicht nehmen und trifft zum 3:3-Endstand.

Diese Partie hat keinen Verlierer verdient, doch wie BVB-Trainer Murach lächelnd feststellt, kann keine der beiden Mannschaften aus diesem gerechten Unentschieden einen Vorteil ziehen. „Nun ist für beide Mannschaften das Spiel aus“, kommentiert er das torlose Remis von Spitzenreiter Braunschweig in Essen, das dem BVB auch die letzte theoretische Möglichkeit zum Titelgewinn genommen hat und den Frankfurter nur noch eine solche, doch höchst unwahrscheinliche lässt. Nach Punkten könnte man die Niedersachsen am letzten Spieltag wohl noch einholen, doch das Torverhältnis spricht zu deutlich für den Tabellenführer. Der müsste im Heimspiel gegen Nürnberg schon ein gutes halbes Dutzend Treffer kassieren, um bei einem Sieg der Frankfurter bei 1860 München noch abgefangen werden zu können. Doch wer will angesichts der nur 26 Gegentore, die die Elf von Trainer Johannsen bislang kassiert hat, darauf hoffen?

„Bei diesem 3:3 haben wir doch bewiesen, dass auch wir einen würdigen Meister abgegeben hätten“, tröstet sich Willi Huberts und weiß: „Jetzt ist es vorbei. Die Braunschweiger haben den Titel gewonnen, wir haben ihn verloren. Trotzdem, Glückwunsch für die Niedersachsen!“ Trainer Schwartz, der der Presse so verschwitzt und abgekämpft gegenübertritt, als hätte er selber mitgespielt, ist über den verpassten Titel enttäuscht, gibt jedoch gleichzeitig zu bedenken, „… dass die Eintracht mehr erreicht hat, als man ihr nach dem Weggang von Lutz, Trimhold und Lechner voraussagte.“

In der Tat gibt es in den Reihen der Frankfurter Spieler, die Hoffnung für die Zukunft machen. „Mir gefiel besonders der junge Bechtold“, lobt Murach: „Das ist ein Mann, der kämpft und der auch entschlossen in die gegnerische Deckung geht. Er ist zwar nicht schnell, aber was er macht, hat Hand und Fuß.“ Für den Fußballfachmann Murach ist übrigens nicht der auffällige Jusufi der gefährlichste Frankfurter Defensivakteur, sondern der ehemalige Stürmer Schämer, „… denn der hat sofort geschossen.“ Daran, findet der ägyptische Fußball-Experte Mohammed (Ghomess) Shemais, der sich wieder einmal auf Europareise befindet, mangelt es bei aller spielerischen Klasse der Eintracht am meisten: „Im Angriff zu umständlich und kein Mann, der entschlossen schießt. Da hatten die Dortmunder mit Emmerich und Neuberger schon gefährlichere Leute.“

Die Westfalen haben dafür den Connaisseur Schwartz spielerisch enttäuscht: „Dass sie nicht vor der Pause schon restlos geschlagen waren, verdankten sie nur ihrem Gummimann Wessel. Wenn ich nur an den Bechtold-Schuss ins Eck denke, dann muss ich schon sagen, es war die reinste Zauberei, dass Wessel diesen Ball noch vor der Linie erwischte.“ „Wessel war großartig, er bewahrte uns vor höherem Rückstand“, stimmt Murach in die Lobeshymnen ein, an denen sich auch der frühere Eintracht-Trainer Adolf „Dolfi“ Patek beteiligt, der wie Murach ebenfalls am unermüdlich rackernden Sturm Gefallen gefunden hat. Wessels großartige Vorstellung im Waldstadion findet natürlich in der Presse ebenso ihre Anerkennung: Zum ersten Mal in dieser Saison taucht er in der von der „Bild“ aufgestellten „Nationalelf der Woche“ auf.

„Ein Tor nach dieser haushohen Überlegenheit – das war zu wenig“, meint Bundestrainer Helmut Schön: „So wie in dieser ersten Halbzeit habe ich die Frankfurter lange nicht gesehen. Dass es dann doch noch anders kam, haben sie vor allem der Unsportlichkeit Bluschs zuzuschreiben.“ „Ich habe nur den Ball weggetreten, aber ‚Emma‘ mimte den sterbenden Schwan. Der Junge müsste eine Schauspielerlizenz bekommen“, versucht sich Blusch zu verteidigen, doch Eintrachts Spielausschuss-Obmann Ludwig Kolb hält dem Heißsporn vor: „Du warst ja ganz außer Rand und Band. Beinahe hättest du mich ja noch geschlagen …“ „Diesen Platzverweis“, sagt Kolb den anwesenden Pressevertretern, „hat er sich ganz alleine zuzuschreiben.“ „Ich selbst habe es nicht gesehen, aber meine Spieler sagten mir: Der Emmerich hat vorher gespuckt. Seltsam finde ich es, dass der Schiedsrichter, der auch nichts gesehen hatte, uns in der Pause mit der Bestrafung Bluschs überraschte“, sagt Schwartz, nachdem ihn Journalisten auf den kuriosen Platzverweis ansprechen: „Es sind schon Spieler wie Blusch wegen ganz anderer Fouls nicht einmal ermahnt worden.“

„Bei uns fiel Held durch eine Zerrung praktisch aus, so war es also praktisch ein Spiel 10 gegen 10“, weist Murach auf den früh angeschlagenen Nationalspieler hin und meint: „Mit Held hätten wir die Partie sicher gewonnen, denn nach der Pause hatten wir das Heft lange Zeit in der Hand.“ „Frankfurts Art des Abwehrspieles irritiert zunächst jede Mannschaft“, führt er weiter aus: „Mit einem intakten Held hätten wir sicher mehr Kapital daraus geschlagen, dass hier die Schwäche Frankfurts lag.“

„Natürlich musste die Eintracht schon in der ersten Halbzeit das Spiel gewinnen“, wollen weder Patek noch Schwartz den verpassten Sieg an Bluschs Hinausstellung festmachen: „Das allein war es nicht, was unser Spiel kaputtmachte“, erklärt Schwartz und beginnt seine Aufzählung der Gründe: „Erstens: die großen Wessel-Paraden, der unseren möglichen 3:0-Vorsprung vor der Pause verhinderte. Zweitens: Lindners Fehler vor dem 2:3. Drittens glaube ich, dass einige Spieler unserer Mannschaft nie richtig daran geglaubt haben, dass wir Meister werden könnten. Und glauben muss man, wenn man Berge versetzen will.“

Nachtrag

Gerd Müller, der nach seinem Bruch mit einer Ledermanschette spielt, hat gegen den HSV nicht getroffen. Auch am letzten Spieltag geht er erneut leer aus, während Emmerich beim 4:0-Sieg des BVB gegen Müllers Bayern erneut zwei Treffer landet. Mit je 28 Toren teilen sich Müller und Emmerich die Torjägerkrone dieser Saison.

Am 14.6.1967 verhängt das Sportgericht des Deutschen Fußballbundes aufgrund des Platzverweises vom 27.5. gegen Peter Blusch eine Sperre von acht Wochen. Die Sperre erstreckt sich bis zum Beginn der Sommerpause am 30.6. und setzt sich danach vom 29.7. bis 19.8. einschließlich fort. Nachdem Blusch nach seiner Unbeherrschtheit das Finale dieser Saison verpasst hat, wird nun also auch der Auftakt der neuen Spielzeit ohne ihn stattfinden. Ab dem 2. Spieltag kann das Raubein allerdings wieder mit von der Partie sein. (rs)

 

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