Eintracht Frankfurt - 1. FC
Köln |
Bundesliga 1966/1967 - 2. Spieltag
4:0 (2:0)
Termin: Sa 27.08.1966, 16:00 Uhr
Zuschauer: 45.000
Schiedsrichter: Gerhard Schulenburg (Hamburg)
Tore: 1:0 Siegfried Bronnert (14.), 2:0 Siegfried Bronnert (45.), 3:0 Siegfried Bronnert (58.), 4:0 Wolfgang Solz (78.)
Eintracht Frankfurt | 1. FC Köln |
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Trainer | Trainer
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1. FC Köln ausgespielt Das Ergebnis wirkt wie ein Donnerschlag! Aber das Fest im Waldstadion wurde nur ein halbes. Zehn Kölner wehrten sich achtzig Minuten gegen eine glänzend disponierte Eintracht, der zum ersten Male seit Bundesligabestehen der Marsch zur Tabellenspitze glückte. Thielen war verletzt ausgeschieden, und die Eintracht feierte das Fest fast allein. Sie steigerte ihre Münchner Leistung spielerisch um ein ganzes Stück. Kämpfen musste sie kaum; sie spielte den glücklosen Gegner aus, von dem man weiß, dass er mehr kann, als er diesmal zu zeigen vermochte. Die Wunder von Magnusson und Hornig aus dem Spiel gegen 1860 wiederholten sich nicht, als die Kölner Außen auf Schämer und Jusufi trafen. Lindner, von dem Trainer Schwartz sagte, dass er nach dem Abgang von Lutz zur Spielerpersönlichkeit in der Deckung geworden sei, regierte in der eigenen Hälfte. Solz und Huberts ließen ihre Künste spielen, und der junge Bronnert schoss seine drei ersten Bundesligatore wie am Fließband. Man zählte elf große Paraden des Jugoslawen Soskic im Kölner Tor gegen zwei mittlere von Kunter, einen Lattenschuss von Solz kurz vor Schluss und noch einige Chancen mittlerer und kleinerer Güte. Es war ein Tag, der wie geschaffen für die Eintracht schien, wenn nicht Willi Huberts kurz nach der Pause einen schlimmen Tritt auf den linken Fuß erwischt hätte. Ob er am Samstag in Düsseldorf dabei sein kann, ist vorerst noch ungewiss. Die meisten Verletzungen kassierten freilich die Kölner, doch die wenigsten im Kampf Mann gegen Mann, obwohl der Schiedsrichter sehr mäßig war. Die Vorstellung vom großen Schlager riss im Waldstadion nach einer Viertelstunde ab. Der Favorit aus dem Westen hatte Thielen verloren und damit wohl auch die Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang. Im Moment, da die Massen in der 14. Minute das erste Bundesligator des jungen Bronnert bejubelten, wurde Kölns Spielführer auf der Trage unter die Kabine gebracht. Die Multhaup-Truppe war das größte Risiko eingegangen und musste es bitter bezahlen. Nach neun Minuten sank Thielen im Mittelfeld nach einem Abspiel ins Gras, ohne dass nur ein Gegner ihn berührte. Man hatte zwar auf Wolfgang Weber verzichtet, aber Thielen mit einer Innenbandverletzung aufs Feld geschickt. Die Eintracht zielte auf eine klare Entscheidung hin, und es war gut so, dass ihr Sieg hoch genug ausfiel. Damit hat sie viele der Einschränkungen „gegen zehn Mann" eingedämmt. Schließlich erinnerten sich manche, dass die Riederwälder vor einem Jahr gegen die gleichen Kölner (0:0) durch Höfers Ausfall eine Halbzeit lang und ein Jahr zuvor in Köln (4:3), als Solz verletzt wurde, eine Stunde lang das gleiche Schicksal erlitten, nur glücklicher abschnitten. Die derart gute und schwungvolle Eintracht-Vorstellung ließ sogar in der Kölner Kabine die Behauptung unwidersprochen. dass die „Adlerträger“ auch gegen eine Kölner Elf, mit Thielen und mit Weber, gewonnen hätten. „Alles nicht so schlimm“, meinte Hans Schäfer. „Wenn nur die Verletzten schnell wieder auf dem Damm sind.“ Und „Fischken“ Multhaup, den Schäfer laufend aufzumuntern versuchte, stellte fest: „Wir haben nur ein Spiel verloren, andere werden auch noch verlieren. Durch die Verletzungen haben wir etwas unglücklich ausgesehen. Die Eintracht war stark. Aber das 4:0 zu hoch.“ Elek Schwartz strahlte natürlich: „Ich möchte einmal keinen Spieler herausheben. Sie haben alle großartig gespielt. Aber dann durchbrach der Eintracht-Trainer doch seine Absicht: „Vielleicht sollte man doch erwähnen, dass Lindner nach dem Abgang von Lutz eine Persönlichkeit geworden ist. Jetzt ist er Chef der Abwehr und nicht mehr Wasserträger." Und Rudi Gramlich im feierlichen Schwarz (er hatte sich für zwei Stunden von der Hochzeit seines jüngsten Sohnes weggeschlichen) meinte: „Man hat geglaubt, wir seien in diesem Jahr schwächer. Eins ist bestimmt stärker bei uns geworden, das ist der Geist.“ Immer wieder Grabowski Was die Eintracht so gut machte, war das Neue an ihr, das Neue und die Neuen. Jürgen Grabowski spielt zwar nicht zum erstenmal im Innensturm; aber noch bis in die jüngste Zeit hinein hielt ihn selbst Trainer Elek Schwartz auf Rechtsaußen besser aufgehoben. Mit Grabowskis Innenstürmer-Partie gegen Köln ist diese Ansicht endgültig widerlegt. Nicht dass der virtuose Gaukler in der Mitte wesentlich stärker gewesen wäre als an seinen anderen großen Tagen: in der Mitte wirkten seine Künste nur noch verheerender. Während sich im Eckfahnenbereich ein Gegner auf ihn stürzt, fielen in der Strafraumzone gleich drei über den Papiergewichtler aus Biebrich her, den die Frankfurter an diesem Tag für Magnusson, Hornig und Thielen zusammen nicht eingetauscht hätten. Fast jeder der Drei-Mann-Überfälle auf Grabowski, die meistens erfolglos verliefen, beschwor ein kleines Chaos in der Kölner Abwehr herauf und am Rande dieses Chaos wurde für die Nebenleute Grabowskis alles viel leichter. Das erste und das letzte Tor leitete Grabowski unmittelbar ein, das erste mit einem Eckball, den Bronnert einköpfte, und das letzte durch eine Art Quickstep, mit dem er mehr als die halbe gegnerische Hintermannschaft lahmlegte. Was er den Kölnern indirekt mit seinen zahllosen, mitten ins Mark gezielten Nadelstichen antat, war sogar das Schlimmere, Den Platz, der für ihn geschaffen ist, fand auch Willi Huberts, der in der Verbinderrolle seine eigenen verschütteten Möglichkeiten wieder freilegte. Ganz vorn war er früher oft nur ein, wenn auch gut geöltes Rädchen im Getriebe, im Eintracht-Modell 66/67 ist Huberts die Kardanwelle. Wenn Grabowski den Zuschauern das bot, was sie von Magnusson erwartet hatten, dann bot ihnen Huberts bis zu seiner Verletzung kurz nach der Pause, was eigentlich Overath bieten sollte. Overath enttäuschte keineswegs. Einige seiner Einlagen erinnerten sogar stark an seine größten Auftritte in England; an konstruktiver Kraft, an geistesgegenwärtigem Erfassen der Situation, an Ehrgeiz und Akkuratesse aber stach Huberts den World-Cup-Kölner auf die Dauer aus. Selbst nach seiner Verletzung. hinkend und knurrend, ließ ihm der Spielteufel keine Ruhe. Der sanfte Willi hatte sich derart in seine Aufgabe verbissen, dass er auch jetzt noch jeden Zweikampf annahm. Als Halbinvalide schlenzte er den Ball in den Rücken der Kölner Abwehr, den Bronnert zum dritten Treffer verwertete. Huberts Werk war zu drei Vierteln auch der zweite Treffer, als er die von Torhüter Soskic zurückprallende Lederkugel wie einen Federwisch auf die Torlinie lupfte, wo sie Bronnert in das Gehäuse mitnahm. Bronnert immer zur Stelle Zu dem Neuen, das die Eintracht so gut machte, gehörte auch dieser Bronnert, den die andern mit Ihrer Vorarbeit wachrüttelten. Bronnert brauchte weiter nichts, als im rechten Augenblick zur Stelle zu sein. Das war er, und ein solcher Stürmer fehlte den Riederwaldern bisher wie das tägliche Brot. In technischer Hinsicht mangelt ihm noch ein gutes Jährchen der Frankfurter Schule; aber an Technikern fehlt‘s ja nicht. In dieser Beziehung lebten die Riederwälder nun, nach dem Einkauf von Jusufi, vollends im Überfluss Jusufi kultivierte seinen Verteidigerpart zu einem ästhetischen Genuss. Er schaltete Nationalspieler Hornig aus, ohne diesem ein Härchen zu krümmen, und er ritt zusammen mit Grabowski nebenbei die klassischsten Stürmerattacken der zweiten Halbzeit. Unter diesen Umständen wurden selbst die Alten wie neu. Dieter Lindner. der bis zum Ende der vorigen Saison an der Seite von Lutz eine Nebenrolle spielte. übernahm neben dem nervösen Blusch kurzerhand die Hauptrolle in der Deckungsmitte. Was er an Schnelligkeit nicht in den Beinen hatte, hatte er an Schnelligkeit im Kopf, und was Overath, Löhr und Sturm wollten, schien Lindner früher zu wissen als diese selbst. Als Solz, dessen Hammerschlag zum vierten Treffer einem Eusebio Ehre gemacht hätte, nachließ, kam Friedrich: wenn Schämer den vielgerühmten Magnusson nicht beim ersten Versuch bremste, was selten passierte, dann wurde der Schwede von Blusch gebremst. Das Ganze war ein seltener Fall von Teamwork der Könige. Die Kölner dagegen blieben nach den ersten blitzenden fünf Minuten auf sich selbst angewiesen. Die Riederwälder trieben ihre Gegenkönige Mann für Mann ins Exil. So sah man von Magnusson fast nichts, von Hornig wenig, von Overath Unterschiedliches, von Soskic viel, aber nicht alles. Als gar nichts mehr ging, tat man so, als ob man nicht wollte. Das haben Stars so an sich. (Merz/Dotzert; Frankfurter Rundschau vom 29.08.1966)
Grabowski trickste alle Gegner aus Es war viel, was auf den 1. FC Köln herniederprasselte: Thielen verletzte sich schon bei seiner ersten Aktion und mußte nach knapp zehn Minuten ausscheiden (Multhaup: „Ohne gegnerische Einwirkung, er verdrehte sich den Fuß"), Sturm bekam in der 34. Minute etwas ab, blieb drei Minuten draußen, kam wieder. Erst humpelnd, dann aber wieder etwas Tritt findend. Soskic fiel in der 52. Minute unglücklich auf die Schulter. Auch Hemmersbach blieb nicht verschont. Der Schein trügt jedoch. Es war kein ruppiges, kein unfaires Spiel. Nur etwas unglücklich für die Kölner. Köln hatte eigentlich schon verloren, als es Wolfgang Weber auf der Reservebank belassen mußte. „Die alte Rückengeschichte von der Weltmeisterschaft, noch nicht auskuriert," erklärte Klubarzt Dr. Bohne. Verletzungen hin, Verletzungen her. An ihnen jedoch lag es nicht, daß es zu einem 4:0 für Eintracht Frankfurt kommen konnte. Köln war auch spielerisch kein ebenbürtiger Partner für Frankfurt, dessen Sieg mit etwas Glück (ein Solz-Lattenschuß, ein Bronnert-Kopfball um Zentimeter am Tor vorbei) sogar noch hätte höher ausfallen können. Köln mußte vorher befürchten, daß Thielen noch kein intakter Mann war. Es ging das Risiko ein — und verlor. Thielens schneller Ausfall machte Kölns Angriff sofort völlig stumpf: Kunter bekam nur einen einzigen gefährlichen Ball (40. Min.) zu halten. Daß aus dem Löhr-Schuß überhaupt Gefahr erwuchs, lag sogar an Frankfurts Torwart, der den Ball nicht festzuhalten vermochte. Im Kölner Sturm wußte dann die Linke nicht, was die Rechte tat. Es lief alles durcheinander, alles aneinander vorbei. Sturm ist der Renner geblieben. Aber längst nicht mehr so schnell, im Zuspiel jedoch immer noch so konfus wie früher. Overath ließ sich von dem Strudel mitziehen, in den Kölns Spiel so schnell geriet. Magnusson? Frankfurt hatte ihn genau studiert. Der Schwede geht stets rechts um seinen Gegner herum. Schämer wußte das. Er verlor nur ein Duell. Und da half schnell Blusch aus. Er hatte genügend Zeit dazu. Was Köln von Magnusson vergeblich erhoffte, fabrizierte Grabowski für Eintracht. Er machte mit Kölns Deckung, was er wollte. Die Kölner mußten immer einen zweiten, meist sogar noch einen weiteren Mann zu dem geschmeidigen Frankfurter beordern, der den Ball auf engstem Raum so großartig beherrscht, so schnellfüßig ist, daß die Kölner von ihm meist nur die Hacken sahen. Grabowski wich nach links aus und zog die Kölner Deckung mit, er tauchte am rechten Flügel auf und entblößte die Kölner Abwehr prompt wieder an anderer Stelle. Welch raffiniert abgezirkelter Grabowski-Eckball, den Bronnert nur noch einzuköpfen brauchte. Und neun Minuten spätere fast die Kopie dieses Tores. Bronnert, mit einem feinen Instinkt für solche Situationen, stand wieder richtig, köpfte aber in die falsche Richtung. Bronnert holte die verpaßten Gelegenheiten später nach. Er schoß das 2:0 ebenso wie das 3:0. Kölns Abwehr ohne Weber — eine Abwehr ohne Halt, ohne Organisation. Wie Köln verlor, enttäuschte. Kein Aufbäumen, auch nicht, als es erst 0:1 stand. Kein Rhythmus, keine Bindung —- weder in der Deckung noch im Sturm. Frankfurts Stärke. Das System funktioniert fast schlafwandlerisch. Die Umstellung, von Elek Schwartz vor einem Jahr vorgenommen, trägt jetzt Früchte. Deshalb konnte Eintracht die Abgänge von Lutz, Trimhold, Lechner verkraften. Heute fragt man sich: Haben sie überhaupt eine Lücke hinterlassen? Jetzt, da Huberts im Mittelfeld spielt, spielt er erst die Rolle, die ihm maßgeschneidert ist. Auch er wurde in der 52. Minute verletzt, biß aber die Zähne zusammen. Seiner Vorlage entsprang dann sogar fünf Minuten danach noch das 3:0! Huberts öffnet den Rennern neben ihm die Gassen: Solz, Lotz. Er unterhöhlte mit dem Doppelpaßspiel mit Grabowski, oder Jusufi, der praktisch ohne Gegenspieler war, die gegnerische Deckung. Jusufi konnte schalten und walten, wie er wollte. Grabowski bekam ein halbes Dutzend Mal freie Bahn. Eintrachts Abwehr hatte einen der ruhigsten Tage, seit sie in der Bundesliga spielt. Die wenigen Vorstöße fing sie meist schon ab, ehe sie in die Nähe des Strafraumes gerieten. Probleme gab es an diesem Samstag für sie überhaupt nicht. Auch nicht, so lange Thielen noch im Spiel war. Die Meinung der Trainer Schwartz: „Unsere Mannschaft harmonierte besser, spielte moderner als Köln. Natürlich gab Thielens Ausfall dem Kölner Spiel einen Riß, aber ich glaube, daß wir an diesem Samstag einfach klar besser waren. Wir hatten ja noch Chancen zu einem höheren Sieg." Multhaup: „Wir haben ein Spiel verloren, mehr nicht. Mit 0:4 allerdings höher als befürchtet. Das lag auch daran, daß Frankfurts zweites Tor gerade fiel, als wir glaubten, mit 0:1 in die Kabinen gehen zu können. Ich weiß, daß hier in Köln noch viel Arbeit vor mir liegt." (Kicker vom 29.08.1966)
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