Eintracht Frankfurt - Borussia
Dortmund |
Bundesliga 1965/1966 - 34. Spieltag
4:1 (3:1)
Termin: Sa 28.05.1966, 16:00 Uhr
Zuschauer: 52.000
Schiedsrichter: Werner Treichel (Berlin)
Tore: 0:1 Reinhold Wosab (2.), 1:1 Wolfgang Solz (6.), 2:1 Wilhelm Huberts (8.), 3:1 Peter Blusch (22.), 4:1 Wilhelm Huberts (80.)
Eintracht Frankfurt | Borussia Dortmund |
|
|
Trainer | Trainer
|
Ausklang mit Applaus Als der TSV 1860 München am 27. Spieltag im Waldstadion mit 2:5 unterging, sahen einige Voreilige die Löwen bereits aus dem Rennen um die Deutsche Meisterschaft. Doch nachdem die Truppe von Trainer Max Merkel am letzten Wochenende beim punktgleichen Tabellenführer BVB mit einem überraschenden 2:0-Sieg beide Zähler aus dem Westfalenstadion entführte, ist den Sechzigern der Titel kaum noch zu nehmen. Um Merkels Truppe die Meisterschale noch zu entreißen, müssen die Dortmunder heute bei der Eintracht siegen und gleichzeitig auf eine Niederlage der Münchner hoffen, die zu Hause gegen den HSV antreten. BVB-Trainer Multhaup glaubt daran aber nicht: „Eher kann ich einen Sechser im Lotto treffen.“ Oder gar nur Dritter werden, wenn die Eintracht siegt und Bayern München bei Werder Bremen doppelt punktet. Die Bayern aber legen ihren Schwerpunkt bereits auf das DFB-Pokalfinale gegen den MSV Duisburg, das am nächsten Wochenende hier im Waldstadion ausgetragen wird. Die Eintracht kann heute lediglich den 7. Platz gegen den MSV Duisburg verteidigen, der einen Zähler hinter ihr liegt und sich im Wedaustadion mit Hannover 96 duelliert. Den 6. Rang, den der 1. FC Nürnberg einnimmt, kann die Eintracht dem Club dagegen nicht mehr streitig machen. Nach der aufsehenerregenden Heimniederlage gegen den Tabellenvorletzten Neunkirchen am 30. Spieltag wurden im Nachholspiel in Braunschweig ein Remis und danach drei Siege infolge erreicht, doch der Schlussspurt der Mannen von Trainer Elek Schwartz kommt zu spät, um in der Tabelle noch große Sprünge zu machen. Über den Ehrgeiz hinaus, den 52.000 Zuschauern mit einem Sieg gegen den BVB zu beweisen, dass man noch nicht die Konstanz, aber allemal die Klasse einer Spitzenmannschaft dieser Liga besitzt, nennt Eintracht-Regisseur Willi Huberts weitere Gründe: „1. unser Prestige. 2. die Verpflichtung gegen unser Publikum, das einen guten Abschluss erwartet. 3. die Fairness gegen die Münchner Klubs, gegen die wir auch mit voller Kraft gekämpft haben. 4. die Siegprämien.“ Für Aufregung sorgt bei der Eintracht vor dem Spiel die Entscheidung von Trainer Schwartz, auf Horst Trimhold zu verzichten, der in dieser Woche seinen Wechsel zum BVB bekanntgegeben hat: „Es geht nicht, in einem so wichtigen Kampf einen Spieler gegen die Mannschaft einzusetzen, für die er im kommenden Jahr spielt. Das muss jeder einsehen. Das würde den Spieler und uns doch nur in Gewissenskonflikte bringen.“ „Ich bin doch noch Lizenzspieler der Eintracht. Von Dortmund werde ich erst in der nächsten Saison bezahlt. Also hätte ich ruhig für Frankfurt spielen können“, entgegnet Trimhold, der darüber hinaus ein starkes Interesse an einem Einsatz hatte: „Oben auf der Tribüne wird heute Bundestrainer Schön sitzen. Und vor seinen Augen hätte ich natürlich gerne mit Volldampf gespielt. Denn ich möchte doch am Mittwoch in Ludwigshafen gegen die Rumänen eingesetzt werden und darüber hinaus zur Weltmeisterschaft. Ich hätte gespielt, als ginge es für uns um die Meisterschaft ...“ Aber nicht nur für Trimhold endet die Zeit bei der Eintracht. Erwin Stein und Dieter Stinka, die in dieser Saison nur auf einen bzw. vier Ligaeinsätze kamen, verlassen den Riederwald Richtung Böllenfalltor und wechseln zu Darmstadt 98. Ludwig Landerer bleibt in Frankfurt, wird aber zukünftig unweit vom Riederwald für den FSV Frankfurt am Ball sein. Georg Lechner, der bei der Eintracht nicht wie zugesagt seinen Beruf bei einer Aufzugsfirma und das Training unter Elek Schwartz vereinbaren kann, kehrt mit Frau und kleinem Sohn nach Augsburg zum TSV Schwaben zurück, was er allerdings mit der Einschulung des Juniors in vier, fünf Jahren ohnehin vor hatte. Und neben Stinka verlässt noch ein weiterer Spieler der Meisterelf von 1959 die Eintracht, auch wenn Friedel Lutz sagt: „Ich habe noch sechs Wochen Zeit.“ In der neuen Saison wird er das Trikot von 1860 München tragen und – wie es aussieht – wieder im Europapokal der Landesmeister antreten können. Ob Peter Blusch, dem Angebote von anderen Klubs vorliegen sollen, sowie Dieter Lindner und Wolfgang Solz, die ihre Verträge noch nicht verlängert haben, in der nächsten Runde weiter den Adler auf der Brust tragen, ist dagegen tatsächlich ungewiss. Der Auftakt der Partie beginnt für die Gäste aus Dortmund verheißungsvoll: Sie gehen bereits in der 2. Minute in Führung. Reinhold Wosab trifft per Kopf nach einer Flanke von Torschützenkönig Lothar Emmerich. Wosab hatte die Frankfurter Hintermannschaft wohl am wenigsten auf der Rechnung, was nicht verwundert, denn der Angreifer hatte sein bislang letztes Bundesligator am 8. Spieltag erzielt. Abseits des heute fehlenden Reinhard Libuda (9 Tore) hätte man eher Wilhelm Sturm (6 Tore), Alfred Schmidt (7 Tore), Siegfried Held (11 Tore) oder natürlich den schussgewaltigen Emmerich (31 Tore) als Schützen erwartet. „Emma“, der in dieser Saison seinen 31 Treffern in der Bundesliga im Europapokal der Pokalsieger weitere 14 folgen ließ, überreicht ein Fan am Rande der Begegnung die von ihm bearbeiteten Kickstiefel, mit denen der Dortmunder diese 45 Tore erzielt hat – er hat die Schuhe von Emmerich vergoldet.
Dass jedoch nicht alles Gold ist, was glänzt, entdeckt der BVB nach der Führung, die nicht den Gästen Auftrieb gibt, sondern den Adlerträgern Flügel verleiht. Die Eintracht nutzt in Person des Flügelstürmers Jürgen Grabowski, der wie Lutz bei der WM in England dabei sein will, den vorübergehenden Ausfall von Sturm und fegt in rasender Geschwindigkeit dribbelnd durch die Reihen des fast noch frischgebackenen ersten deutschen Europapokalsiegers. Was dem FC Liverpool vor etwas mehr als drei Wochen im Finale in Glasgow große Mühe bereitete, fällt dem jungen Mann auf dem Flügel scheinbar einfach zu. Er wirbelt die Deckung des BVB durcheinander und dreht mit zwei maßgerechten Flanken in der 6. und 8. Minute das Spiel. Solz, der in der Hinrunde lange zuschauen musste, erzielt beim Ausgleich seinen 6. Saisontreffer und Huberts kickt am Fünfmeterraum zu seinem 16. Tor in dieser Runde ein. Nach der letzten Saison, in der ihm in der Liga 9 Treffer gelangen, ist er nun wieder auf dem Kurs seiner ersten Saison für die Eintracht, in der er 19 Mal traf. Huberts weiß heute aber auch als Spielmacher zu überzeugen und bindet den rochierenden Oskar Lotz sowie den angriffslustigen Solz wunderbar ins Spiel mit ein. Obwohl die Deckung der Riederwälder ausgezeichnet steht, ist ein Sturm des Dortmunder Formats nie gänzlich auszuschalten. Held und Emmerich sind die Verbindungswege zwar abgeschnitten, aber es ist nicht zu verhindern, dass „Emma“ auch mal die linke „Klebe“ auspackt. Glück für die Eintracht, dass Emmerichs Kopfball nur die Latte trifft und auch Wosab Keeper Kunter nicht überwinden kann. Im anderen Strafraum geht es ebenfalls hoch her und das fast ohne Unterlass. Es ist ein intensiv geführtes Spiel, mit hohem Tempo auf beiden Seiten und vielen Torchancen. Die Zuschauer kommen auf ihre Kosten, soweit sie nicht Anhänger des BVB sind. Denn in der 22. Minute müssen die Dortmunder den Traum begraben, neben dem Europapokal auch die Meisterschale mit an den Borsigplatz nehmen zu können. Peter Blusch, der im letzten Heimspiel gegen den KSC mit einem Freistoßtor die Zuschauer von den Sitzen riss, zieht aus mehr als 20 Metern ab und trifft mit Hilfe des Pfostens zum 3:1. Dortmunds Trainer Multhaup kann der rassigen Partie bei diesem Spielstand natürlich zur Pause nur wenig abgewinnen und macht seine Spieler zur Schnecke: „Diese Deckungsfehler! Solche Schnitzer! So etwas darf einfach nicht passieren!“ Den Lottogewinn, an den er vor dem Spiel nicht glauben wollte, versucht er nun als Ansporn zu nutzen: „Noch mal, meine Herren: München führt nur 1:0!“ „So kann es nicht weitergehen“, meint auch Elek Schwartz, hat dabei aber ganz anderes im Sinn als sein Trainerkollege: „Das, was beide Mannschaften in der ersten Halbzeit an Einsatz gezeigt haben, das kann sich nicht wiederholen. So gut und so erstklassig, wie die erste Halbzeit war, müssen wir mit einer langsameren zweiten Hälfte rechnen.“ Damit muss man auch deswegen rechnen, weil die Eintracht nun das Spiel geschickt langsamer macht und die Dortmunder Bemühungen über Held und Emmerich im Sande verlaufen lässt. Die Abwehr, in der Lutz zum Abschied ein großes Spiel macht, steht sicher und das Mittelfeld kontrolliert das Geschehen. „Die Eintracht hatte uns im Sack. Sie spielt nun ihr Spiel klug zu Ende“, nickt der Dortmunder Obmann Storck anerkennend. Zu berichten gibt es aber noch etwas, denn das Tor des Gegners hat der Gastgeber nicht aus den Augen verloren, was vor allem für den überragenden Grabowski zutrifft. In den 27 Spielen seiner ersten Bundesligasaison hat der Senkrechtstarter aus Biebrich acht Torvorlagen geliefert und seinen 11. Saisontreffer nur knapp verpasst, als er nach der Pause nur den Pfosten getroffen hat. Jetzt verwirrt er die Abwehr im Strafraum, legt kurz nach rechts und Huberts trifft aus 16 Metern – glashart schlägt die Kugel neben den Pfosten zum 4:1 ein. Das ist das Ende des Torreigens in der 80. Minute. „Der Sieg in dieser Höhe ist verdient“, stellt Eintrachttrainer Schwartz nach dem Spiel fest und sein Dortmunder Kollege Multhaup bekennt freimütig: „Ihr habt verdient gewonnen.“ Das sieht auch die „Bild“ so und stellt nach dem Rundenfinale gleich drei Frankfurter in der „Nationalelf der Woche“ auf: Huberts ist zum vierten Mal in dieser Saison dabei, Grabowski zum fünften und Lutz zum sechsten Mal. Für die „Nationalelf des Jahres“ reicht aber auch das halbe Dutzend Berufungen von Lutz nicht. In dieser steht ironischerweise der heute von Schwartz nicht berücksichtigte Horst Trimhold mit den sieben Nominierungen, die er bereits vor diesem Spieltag in dieser Meisterschaftsrunde erhalten hat. „Dortmund ist eine gute Mannschaft, die aber ausgelaugt ist“, weiß Schwartz den Sieg einzuordnen und ist damit ganz auf der Linie Multhaups, der stöhnt: „Wir sind fertig, fix und fertig. Wir sind froh, dass wir nach den letzten Leistungen wenigstens noch den zweiten Platz behalten haben.“ In der Tat ist der BVB nur Vizemeister geworden, weil Bayern München in Bremen nicht über ein 1:1 hinaus gekommen ist. „Endlich mal ein Spiel, in dem mich unsere Mannschaft ganz zufrieden stellte“, freut sich Schwartz und lobt: „Unsere Elf hat heute zum ersten Mal wie eine wirkliche Mannschaft gespielt.“ „Das waren wir unserem Ansehen schuldig“, erklärt er: „Wir wollten zeigen, dass wir gegen große Gegner groß spielen können.“ Das gilt vor allem für einen, der mit der Eintracht 1959 Deutscher Meister wurde und in der nächsten Saison für den neuen Titelträger 1860 München spielen wird, wie Schwartz meint: „Friedel Lutz hat sich wie ein Herr verabschiedet.“ Das kann man vom Vorstand der Eintracht nicht sagen, findet der Journalist Roman Köster in der „Bild“. Er nimmt Anstoß daran, dass Horst Trimhold nicht nur von Spiel und Trainingslager ausgeschlossen wurde, sondern auch sofort Freikarte und Durchfahrtsschein für das Waldstadion abgenommen bekommen haben soll. Köster kommentiert: „Das ‚Revanchefoul’ an dem oft unbequemen Trimhold ist Bürgern einer Weltstadt wie Frankfurt einfach nicht würdig. So handeln nur beleidigte Kleinkinder oder Spießbürger mit einem Horizont, der über den eigenen Verein nicht hinausreicht.“ Meinungen wie Geschmäcker gehen eben auseinander, auch darüber, ob Frankfurt tatsächlich eine Weltstadt ist. Mit dem Spitzenplatz in der Liga ist es wieder nichts geworden, mit 491.000 Zuschauern in 17 Heimspielen liegt man aber immerhin auf dem fünften Platz der entsprechenden Rangliste: „Mit dem Zuschauerzuspruch sind wir zufrieden. Er war größer als im letzten Jahr“, erklärt die Eintracht: „Unsere höchste Besucherzahl lag mitten im Winter: 69.074 beim Spiel gegen Bayern München am 15. Januar.“
Mitte November rudert die „Bild“ zurück: „Wie sich unsere Leser erinnern werden, hatten wir am 31. Mai 1966 im Sportteil von BILD eine Notiz veröffentlicht, in der es hieß, der Vorstand der Frankfurter Sportgemeinde Eintracht hätte dem damals noch für die Eintracht spielenden Fußballspieler Horst Trimhold vor dem Bundesligaspiel gegen Borussia Dortmund die Freikarte und den Durchfahrtsschein für das Waldstadion entzogen, weil Trimhold zu Dortmund überwechseln wollte. Dieses Verhalten des Vorstandes kennzeichneten wir als „hässliches Foul“ an Trimhold. Den Vorstand der Eintracht nannten wir „spießbürgerlich“. Nun – inzwischen haben wir uns davon überzeugen können, dass unser Bericht unrichtig war. Wir haben ganz einfach eine falsche und missverständliche Information erhalten. Selbstverständlich nehmen wir daher die gegen den Vorstand der Eintracht gerichteten Behauptungen und Werturteile mit dem Ausdruck, des Bedauerns zurück und versichern, dass wir nicht die Absicht hatten, die Ehre der Vorstandsmitglieder der Eintracht zu kränken. Wir hoffen, dass uns die Eintracht dieses Versehen nicht nachtragen wird.“ (rs)
|