Schalke 04 - Eintracht Frankfurt |
Bundesliga 1965/1966 - 28. Spieltag
3:2 (1:2)
Termin: Sa 02.04.1966, 16:00 Uhr
Zuschauer: 25.000
Schiedsrichter: Helmut Fritz (Ludwigshafen)
Tore: 1:0 Günter Herrmann (34.), 1:1 Wilhelm Huberts (40.), 1:2 Wilhelm Huberts (43.), 2:2 Karl-Heinz Bechmann (45.), 3:2 Günter Herrmann (80.)
Schalke 04 | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Satt und überheblich Nachdem die Eintracht am letzten Wochenende im Waldstadion mit dem TSV 1860 München einen der drei Titelkandidaten mit 5:2 auseinander genommen hat, könnte es heute beim abstiegsbedrohten FC Schalke 04 ein Erfolgserlebnis auf fremden Platz geben. Denn am 8.1., als die Eintracht beim HSV ihr bislang letztes Auswärtsspiel gewinnen konnte, waren die Gelsenkirchener vor eigenem Publikum zum letzten Mal siegreich. Danach setzte es in den folgenden neun Punktspielen sechs Niederlagen, unter anderem ein 0:7 in Dortmund und ein 1:6 gegen Werder Bremen im vorletzten Heimspiel. Die Truppe von Trainer Fritz Langner steht vor der heutigen Begegnung erheblich unter Druck, denn auch die letzten beiden Partien wurden verloren – zu Hause 0:2 gegen die Sechziger und in München 0:1 gegen die Bayern. Borussia Neunkirchen auf dem ersten Abstiegsrang ist mit lediglich zwei Punkten Rückstand auf die Schalker in Schlagweite. Da Neunkirchen zeitgleich in Bremen antritt, müssen die Gastgeber aber nicht unbedingt befürchten, bei einer weiteren Niederlage schon heute eingeholt zu werden. Gleichwohl benötigen die „Knappen“ jeden Punkt, wenn man nicht wie im letzten Jahr sportlich absteigen will. Auf einen glücklichen Umstand wie den Lizenzentzug für Hertha BSC, der den Schalkern bei gleichzeitiger Aufstockung der 1. Liga von 16 auf 18 Vereine den Verbleib in der höchsten Spielklasse sicherte, kann man dieses Mal nicht hoffen. Gegenüber der Niederlage bei Bayern München nimmt Langner zwei Wechsel vor: Youngster Klaus Senger, der nach dem 0:7 beim BVB an der Isar zu seinem zweiten Bundesligaeinsatz kam, ist dieses Mal ebenso wenig dabei wie Siegfried Werner. Der Neuzugang von Bayern Hof hat mit bislang nur einem Tor in neun Punktspielen nicht überzeugen können. Dafür kehrt Karl-Heinz Bechmann, der zuletzt am 21. Spieltag bei der Niederlage gegen Mönchengladbach am Bökelberg für die Schalker auflaufen durfte, in die Mannschaft zurück und auch Stammspieler Günter Herrmann, der gegen die Bayern zum ersten Mal in dieser Saison bei einem Punktspiel fehlte, ist wieder mit von der Partie. Die Eintracht tritt in unveränderter Formation an, was angesichts der gebotenen Leistung kaum zu glauben ist. Die Elf, die den möglichen nächsten Deutschen Meister 1860 München deutlich in die Schranken verwies, lässt sich nur eine Woche später von einem chronischen Abstiegskandidaten den Schneid abkaufen. Der Schalker Anhang kann sich dafür an einem der besten Spiele ihrer Truppe in der Glückauf-Kampfbahn erfreuen. Eifer und Einsatz der Hausherren halten mit der Technik und Routine der Frankfurter zumindest Schritt. In der 34. Minute geht die Kampfkraft der Schalker sogar in Führung. Manfred Kreuz hat Günter Herrmann angespielt, der kraftvoll an Lindner und Lutz vorbei geht und dann mit einem flachen Schuss auch Torwart Kunter überwindet. Die Freude bei den „Knappen“ währt aber nur kurz, denn schon sechs Minuten später fällt der Ausgleich. Huberts Freistoß wird von Pyka oder Becher in der Mauer so abgefälscht, dass das Leder eine gänzlich andere Richtung einschlägt und Schlussmann Elting machtlos macht. Drei Minuten später kommt es noch ärger für die Gastgeber. Huberts, der sich sonst wie Sztani der Bewachung durch Fichtel und Pliska nicht entziehen kann, schießt zum 1:2 aus Schalker Sicht ein. Dieser Treffer bringt die königsblauen Anhänger unter den 25.000 Zuschauern zum Kochen. Die einen haben zuvor ein Foul an Gerhard Neuser gesehen, die anderen wie Sztani oder Solz Torwart Elting umgestoßen haben. Die lautstarken Unmutsbekundungen der Fans ändern aber ebenso wenig etwas an der Entscheidung von Schiedsrichter Helmut Fritz wie die Proteste der Schalker Spieler. Der Unparteiische, dem der Beobachter des „Kicker“, Heinz Kottek, vorwirft, er sei „für das Tempo der Bundesliga nicht mehr schnell genug auf Ballhöhe“, hat bis zum Halbzeitpfiff einige Mühe, die Partie wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Der Ordnungsdienst greift auf den Rängen durch, was nichts daran ändert, dass dem schwarzen Mann der schwarze Peter zugeschoben wird und ihm nach seinem Halbzeitpfiff die „Schieber, Schieber“-Rufe beim Gang in die Kabinen begleiten. Die Gemüter beruhigen sich aber nach dem Wiederanpfiff schnell, denn Becher gelingt nach einem Getümmel im Frankfurter Strafraum mit einem flachen Schuss in die äußerste Torecke der neuerliche Ausgleich. Vom Innenpfosten prallt sein Schuss aus 16 Metern zum 2:2 ins Netz.
Die Gastgeber geben sich damit nicht zufrieden und wollen mehr. Gerd Neuser ist der Regisseur seiner Elf und als Dauerrenner der Antreiber, der auch in der Schlussphase der Partie nicht müde werden will. Die Schalker spielen auf Sieg und auf das dritte Tor, wobei alle im Stadion wissen, dass den Gelsenkirchenern in bisherigen Runde nie mehr als zwei Treffer gelungen sind. Selbst beim abgeschlagenen Schlusslicht Tasmania Berlin reichte es nur zu einem mageren und knappen 2:1. Doch heute kommt es anders, just als die Füße der Gastgeber langsamer zu werden scheinen. Zehn Minuten sind noch zu absolvieren, als Pliska sich in den Kampf mit mehreren Gegnern stürzt und der Ball Herrmann vor die Füße rollt. Der Schütze des ersten Schalkers Treffers, der als Bewacher von Trimhold noch Zeit und Raum findet, gefährlich vor dem Kasten der Hessen aufzutauchen, schießt flach zum 3:2 ein! Der Jubel über das 3:2 wird nach dem Schlusspfiff wiederholt und findet kurz darauf eine Fortsetzung, als über die Lautsprecher die Niederlagen der direkten Konkurrenten im Abstiegskampf verkündet werden: Neunkirchen hat mit 2:5 in Bremen verloren und der KSC mit 2:8 beim Meidericher SV. Die Badener sind nun auf Rang 15 nur noch einen Zähler von den Gelsenkirchenern entfernt. Kein Wunder also, dass das der ehemalige Schalker Meisterspieler und heutige Funktionär Fritz Szepan optimistisch in die Zukunft blickt: „Jetzt kommen wir vollends aus dem Schneider!“ „Wir brauchen schon noch Punkte, aber ich glaube, wir kriegen sie auch“, meint auch Neuser, während Szepan strahlt: „Aber die größte Freude haben mir doch unsere Stürmer bereitet. Endlich können sie wieder Tore schießen.“ „Wir hatten keinen schwachen Punkt in der Mannschaft. Jeder gab sein bestes, auch als uns die Frankfurter Konter aus dem Konzept brachten“, lobt Trainer Langner: „Unsere Mannschaft wusste, dass es um fast alles ging. Sie hat sich im Einsatz förmlich zerrissen. Unsere Krise ist überwunden.“ „Herrmann löste seine Aufgabe, Trimhold zu fesseln“, hebt er den doppelten Torschützen hervor und stellt Neuser auf dieselbe Stufe: „Überragend Herrmann und unser kleiner Spielmacher Neuser.“ Während auf Schalker Seite Spieler in den Himmel gehoben werden, muss Eintracht-Trainer Elek Schwartz mit Sztani einen seiner Akteure in Schutz nehmen. Dass dieser in der zweiten Halbzeit so stark abbaute, begründet der Fußballlehrer so: „Er musste sich wegen unserer Südamerikareise noch kurzfristig einer Pockenimpfung unterziehen, glaubte aber, es mache ihm nichts aus. Ich hätte ihn nicht aufstellen dürfen.“ „Schalke hat verdient gewonnen, weil unsere Abwehr schwach und unter Bundesliganiveau spielte“, lautet die harte, aber zutreffende Kritik von Schwartz: „Unsere Mannschaft enttäuschte, sie war schwach. Einige Spieler waren zu überheblich.“ Dieter Stinka, Mitglied der Meistermannschaft von 1959, beurteilt als Zuschauer das Spiel seiner Kameraden so: „Eine satte Mannschaft wie wir konnte gegen die hungrigen Schalker nichts ausrichten. Da gab es nichts zu diskutieren ...“ (rs)
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