1. FC Nürnberg - Eintracht
Frankfurt |
DFB-Pokal 1965/1966 - Achtelfinale
2:1 (0:0)
Termin: 19.02.1966
Zuschauer: 15.000
Schiedsrichter: Tschenscher (Mannheim)
Tore: 0:1 Wilhelm Huberts (64.), 1:1 Heinz Strehl (82.), 2:1 Gustav Flachenecker (88.)
1. FC Nürnberg | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Ungeschriebene Gesetze Mit dem letzten Auftritt ist die vier Punktspiele andauernde Torflaute der Eintracht zwar beendet, doch nach dem 2:5-Debakel auf dem Betzenberg ist die Stimmung am und um den Riederwald verständlicherweise gedämpft. Und nun steht auch noch ein weiteres Auswärtsspiel an, bei dem es im DFB-Pokal gegen den 1. FC Nürnberg um den Einzug ins Viertelfinale geht. Beide Vereine standen sich übrigens schon im August 1962 im Halbfinale dieses Wettbewerbs gegenüber, wobei der spätere Pokalsieger Nürnberg vor heimischem Publikum mit 4:2 die Oberhand behielt. Aus dieser Begegnung stehen heute auf Frankfurter Seite mit Höfer, Lindner, Lutz und Solz noch vier Akteure auf dem Rasen, beim Club sind es deren fünf: Torhüter Roland Wabra, Helmut Hilpert, Stefan Reisch, Gustav Flachenecker und Heinz Strehl. Von den drei damaligen Torschützen des Clubs ist nur Flachenecker dabei. Tasso Wild fehlt verletzt und Kurt Haseneder hat sich bereits im Sommer 1963 mit nur 21 Jahren gegen die Bundesliga entschieden und ist damals überraschend in die Regionalliga zum TSV Schwaben Augsburg gewechselt – wegen Geld und Liebe, wie es heißt. Als Torschützenkönig der Oberliga Süd, dem in 23 Spielen 25 Treffer gelangen, war Haseneder die erfolgreiche Fortsetzung seiner Laufbahn in der neuen höchsten Spielklasse durchaus zuzutrauen, doch in Augsburg sollen anstelle der von Nürnberg gebotenen 20.000 Mark Handgeld 50.000 Mark und eine Lotto- und Toto- Annahmestelle auf ihn gewartet haben. Das Wiedersehen mit seinen alten Kameraden in der 1. Runde des DFB-Pokals hat Haseneder allerdings versäumt, da er zu Beginn dieser Saison von Augsburg zum Konkurrenten KSV Hessen Kassel wechselte, wo er bislang aber nicht an seine bisherigen Leistungen anknüpfen konnte. Doch auch ohne Haseneder, der in den beiden Spielzeiten zuvor 37 Tore in 64 Punktspielen erzielt hat, machte Schwaben Augsburg dem Club das Leben schwer. Die Nürnberger kamen beim Heimatverein des Eintrachtakteurs Lechner nur zu einem knappen 1:0-Sieg und Schwabens Trainer Radoslav Momirski stichelte fragend in Richtung des alten Rivalen aus Oberligazeiten: „Wo war bei den Nürnbergern das oft zitierte Bundesliganiveau?“ „Unser Sieg geht in Ordnung“, lautete die knappe Replik seines Nürnberger Trainerkollegen Csaknády. Nicht anders verhielt es sich in der 1. Runde bei den Frankfurtern, die sich nicht mit Ruhm bekleckerten. Auf eigenem Platz mussten sie beim 2:1 gegen den Regionalligaaufsteiger SV Alsenborn ebenfalls bis zum Schluss bangen. In der Bundesliga verläuft die aktuelle Entwicklung bei den heutigen Gegnern dagegen unterschiedlich. Nach dem klaren 3:1-Erfolg am letzten Wochenende gegen Borussia Neunkirchen lässt Club-Trainer Csaknády seine Elf nahezu unverändert. Nur Wild, der sich gegen die Saarländer verletzt hat, muss er ersetzen. Er bringt dafür Linksaußen Anton Allemann, den Nationalspieler aus der Schweiz, der vor sechs Wochen seinen letzten Pflichtspieleinsatz hatte. Eintracht-Trainer Schwartz sieht nach der klatschenden Ohrfeige in Kaiserslautern ebenfalls nur die Notwendigkeit für einen Wechsel und dieser betrifft den Sturm. Hier muss mit Bechtold einer der beiden Torschützen beim 2:5 weichen. Dafür kommt Huberts wieder in die Elf, der von Bechtold in Kaiserslautern trotz seines Treffers nicht adäquat vertreten wurde. Die 15.000 Zuschauer, die bei trockenem Wetter im Nürnberger Stadion zugegen sind, hat allerdings nicht die Darbietung der beiden Mannschaften vor drei Wochen in der Bundesliga angelockt, als man sich zuletzt gegenüberstand. Das torlose Unentschieden hatte sich da eine ausgesprochen defensiv eingestellte Frankfurter Truppe geradezu ermauert. Das erboste die Clubberer besonders, obwohl die Elf unter Csaknády alles andere als Angriffsfußball bietet, sondern sicherheitsorientiert agiert. Und so wird des Nachts vor dem erneuten Aufeinandertreffen von Unbekannten als stummer Protest ein Tor auf dem Fußballplatz mit Holzplatten vernagelt und danach mit einer Mauertapete zugekleistert. Nun soll der Pokal ja eigene Gesetze haben, die man aber nirgends findet, wenn man sie sucht, weil sie nicht nur eigen, sondern auch noch ungeschrieben sind. Vielleicht liegt es also daran, dass die Eintracht anders als bei ihrem letzten Besuch auftritt. Die Mannschaft von Elek Schwartz zeigt im Vergleich mit den recht ideenlos agierenden Gastgebern das direktere Spiel und ist durchaus offensiv. Obwohl sich Rechtsaußen Grabowski gegen den aufmerksamen Popp schwer tut, erspielt sich die Eintracht sogar eine Reihe von Chancen, die sie leider ungenutzt lässt. Wie schon in Kaiserslautern ist Lechner in der Offensive der überragende Mann. Doch was letztendlich fehlt, ist ein Vollstrecker, der die spielerische Überlegenheit auch in Tore umzumünzen versteht. In der Abwehr lassen die Frankfurter derweil nichts anbrennen und beweisen, dass die fünf Gegentreffer auf dem Betzenberg ein Ausrutscher waren. Schon im Mittelfeld sorgt der überzeugende Blusch für Stabilität und in der Abwehr harmonieren Höfer und Lutz ausgezeichnet. Wenn dann doch einmal etwas durch und aufs Tor kommt, ist Kunter zur Stelle. Aufregung gibt es nur kurz in der 11. Minute, als ein Handspiel von Wirth ausgemacht wird, doch Schiedsrichter Tschenscher mit Recht weiterspielen lässt. Die Hausherren machen es den Hessen nicht sonderlich schwer. Zu langsam und umständlich sind die Franken, wenn es darum geht, den Ball in des Gegners Hälfte und dort vor das Tor zu tragen. Popp zeigt sich im Zuspiel zwar stark verbessert zeigt, doch die Steigerung des Abwehrrecken ändert natürlich nichts daran, dass es bereits im Spielaufbau seiner Mannschaft hakt. Und im Angriff enttäuscht der Innensturm mit dem unbeweglichen Brungs, dem unentschlossen Flachenecker und dem nicht weniger zaudernden Strehl. Nach dem Seitenwechsel bietet sich dann ein leicht verändertes Bild. Die Gastgeber haben nun im Mittelfeld leichte Vorteile, ohne jedoch zu überzeugen, denn der Zug zum Tor fehlt weiterhin. Und so kommt es, dass der Nürnberger Anhang das Aus vor Augen hat, als die Eintracht nach 64 Minuten in Führung geht. Huberts kraftlos geschossener Ball ist an den rechten Pfosten gekullert und von dort über die Linie gerollt. Einige Nürnberger pfeifen enttäuscht auf ihren Club, doch der dreht nun auf. Vor Kunters Kasten wird es plötzlich turbulent, was auch mit einer Umstellung zusammenhängt: Flachenecker findet als Rechtsaußen zu Sturm und Drang zurück. Strehl wird ebenfalls wieder munterer und Linksaußen Allemann ist neben Hilpert ohnehin der stärkste Clubberer. Doch die Zeit verrinnt und der Ausgleich lässt auf sich warten. Greif legt sich im Strafraum in der Luft quer, um den Ball auf den Kasten zu schießen, doch auch seiner artistischen Einlage bleibt der Erfolg verwehrt. Als dann noch der Unparteiische eine Viertelstunde vor dem Ende nicht auf Strafstoß entscheidet, nachdem Lindner der Ball an die Hand gesprungen ist, aber Tschenscher keine Regelwidrigkeit zu erkennen vermag, beginnt der brodelnde Nürnberger Anhang zu kochen. Minutenlang wird Tschenscher ausgepfiffen.
In der 82. Minute findet das Pfeifkonzert eine Unterbrechung, denn Strehl sorgt mit seinem herrlichen Fallrückzieher für das 1:1. Die Eintracht zieht sich in der Folge noch weiter zurück und versucht, sich in die Verlängerung zu retten. Doch da haben die Gäste nicht mit Flachenecker gerechnet, der nach einem Zuspiel von Hilpert in stark abseitsverdächtiger Position allein vor Kunter auftaucht und den Ball links am herausstürzenden Torhüter vorbei im Netz versenkt. Zwei Minuten vor dem Abpfiff steht es 2:1, denn Tschenscher traut sich nicht, ein drittes Mal gegen den Gastgeber zu entscheiden. „Unser Sieg ist verdient, weil unsere Mannschaft nach dem 0:1 nicht resignierte“, ist Nürnbergs Obmann Fred Böhm erleichtert, macht sich aber nichts vor: „Wir wissen natürlich auch, dass dies kein strahlender Erfolg war.“ Besonders das Zustandekommen des spielentscheidenden Treffers erhitzt die Gemüter auf Frankfurter Seite. „Es überrascht mich, dass ein international so angesehener Schiedsrichter wie Herr Tschenscher nicht gesehen hat, dass Flachenecker bei seinen Siegestor vier Meter abseits stand“, fasst der sichtlich mitgenommene Elek Schwartz seine Enttäuschung zusammen. „In solch einem Fall kann ich mich einhundertprozentig auf meinen Linienrichter Siebert verlassen“, schiebt Tschenscher die Verantwortung weiter: „Die Fahne wäre sonst oben gewesen. Lindner aber stand noch hinter dem Nürnberger.“ Sein Linienrichter argumentiert ähnlich, doch bei ihm wird ein anderer Frankfurter als derjenige angegeben, der das Abseits aufgehoben hat: „Im Moment der Ballabgabe von Hilbert stand Lutz noch zwischen Flachenecker und Torwart.“ Für Nürnbergs Trainer Csaknády ist – zumal aus der Position des Nutznießers und Siegers – die Diskussion eher akademischer Natur und so zieht er sich auf die Tatsache zurück, die nicht diskutabel ist: „Wenn der Schiedsrichter zweimal pfeift und zur Mitte deutet, dann ist es fast immer ein Tor.“ „Das war doch ein klares Abseitstor“, ereifert sich Schwartz weiter: „Warum müssen wir immer für Irrtümer bezahlen? Wir waren heute doch die klar bessere Mannschaft.“ Hier immerhin erfährt er eine Bestätigung seines Kollegen Csaknády: „Ich habe Frankfurt noch nie so gut gesehen!“ Doch, so meint der Ungar: „Es gibt auch im Fußball ungeschriebene Gesetze. Eine Mannschaft kann gegen den gleichen Gegner innerhalb von drei Wochen nicht zweimal Dusel haben. Im Punktspiel glückte der Eintracht mit Mauern ein 0:0. Diesmal haben wir 2:1 gewonnen.“ Und auch Schwartz muss einräumen: „Wenn unser Sturm seine guten Chancen vor der Pause genutzt hätte, wäre eine so unglückliche Entscheidung vermieden worden.“
In der nächsten Runde setzt sich der Club durch ein Tor von Strehl mit 1:0 beim Regionalligisten FC St. Pauli durch, verliert aber im Halbfinale gegen Bundesligaaufsteiger Bayern München mit 1:2 nach Verlängerung. Im Frankfurter Waldstadion schlagen die Münchner dann den Meidericher SV mit 4:2 und werden Pokalsieger. (rs)
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