1. FC Kaiserslautern - Eintracht
Frankfurt |
Bundesliga 1965/1966 - 22. Spieltag
5:2 (1:2)
Termin: Sa 12.02.1966, 15:00 Uhr
Zuschauer: 12.000
Schiedsrichter: Johannes Malka (Herten)
Tore: 0:1 Georg Lechner (15.), 0:2 Walter Bechtold (20.), 1:2 Otto Geisert (42.), 2:2 Wolfram Kaminke (46.), 3:2 Helmut Kapitulski (47.), 4:2 Willi Reitgaßl (50.), 5:2 Otto Geisert (58.)
1. FC Kaiserslautern | Eintracht Frankfurt |
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Trainer | Trainer |
Überheblich aus der Hand gegeben Seit vier Bundesligaspielen wartet die Frankfurter Eintracht nun schon auf einen Treffer. Im bisherigen Jahr 1966 gelang ihr nur ein einziger, beim 1:0-Auswärtssieg in Hamburg gegen den HSV. So gesehen kommt das Gastspiel auf dem Betzenberg gar nicht so ungelegen, denn die um den Klassenerhalt kämpfenden Pfälzer wurden in der Hinrunde im Waldstadion beim bislang höchsten Bundesligasieg der Eintracht mit 6:0 nach Hause geschickt. Zudem ist der Betzenberg zurzeit alles andere als eine uneinnehmbare Festung. Weniger Punkte als die Lauterer holten zuhause bisher nur die auf Platz 13. rangierenden Braunschweiger sowie die beiden Schlusslichter aus Neunkirchen und Berlin. Besonders peinlich ist für die Pfälzer, dass der bereits abgeschlagene Tabellenletzte Tasmania auf dem Betzenberg mit einem torlosen Unentschieden seinen bislang einzigen Zähler auf fremden Platz ergattern konnte. Und von den letzten vier Heimspielen konnte nur das gegen die Meidericher knapp mit 1:0 gewonnen werden. Gegen Nürnberg endete das Spiel 0:0, gegen Stuttgart (1:2) und zuletzt gegen Bremen (2:3) setzte es Niederlagen. Die Pfälzer, deren Begegnung beim Tabellenführer TSV 1860 München am letzten Spieltag nicht ausgetragen werden konnte, haben ein Spiel weniger als die Konkurrenz und nur noch drei Zähler Vorsprung auf den ersten von Neunkirchen belegten Abstiegsrang. Die Truppe von Trainer Lorant steht heute also unter Zugzwang, der lässt seine Elf aber unverändert. Eintracht-Trainer Elek Schwartz lässt zugunsten von Trimhold Huberts pausieren, der mit seinem verwandelten Elfmeter am 15. Spieltag der letzten Meisterschaftsrunde für den ersten Frankfurter Bundesligasieg auf dem Betzenberg und für die erste Saisonheimniederlage der Lauterer sorgte. Außerdem kommt Blusch in die Mannschaft und verdrängt Stinka. Mit Grabowski, Lechner und Trimhold ist das Trio vereint, das den Lauterern im Hinspiel das halbe Dutzend Gegentore verpasste. Und auch heute ziehen die drei im Stil einer Klassemannschaft ein Kombinationsspiel auf, das die Pfälzer durcheinander bringt. Und so erzielt der dreifache Torschütze aus dem „Hinspiel“ bereits nach einer Viertelstunde die verdiente Führung: Georg Lechner nimmt Grabowskis Anspiel aus dem Mittelfeld auf, lässt nicht weniger als vier Gegenspieler stehen und schießt zum 0:1 ein. Grabowski, der zum Kantersieg in der Hinrunde zwei Treffer beisteuerte, gefällt sich weiter als Vorbereiter. Seine Flanke von rechts kann Bechtold nach 20 Minuten direkt zum 0:2 verwerten, weil weder Torhüter Schnarr noch die Verteidiger Schwager und Klimaschefski entschlossen eingreifen. Die Schrecksekunde der Lauterer verhilft dem jungen Stürmer zu seinem ersten Tor seit dem 14. Spieltag. Die Hessen zeigen den Pfälzern, wo der Barthel den Most holt. Die Eintracht ist klar überlegen, in allen Belangen besser und imponiert mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung, in der kein Spieler ab, aber einer mit seiner Spielübersicht besonders auffällt: Georg Lechner. Der feine Techniker, der den Ball eher streichelt als tritt, ist der beste Spieler auf dem Platz. Die Führung der Gäste ich verdient, nur um ein bis zwei Treffer zu niedrig. Das mit 12.000 Zuschauern nicht übermäßig zahlreich erschiene Publikum ist bedient und beginnt gegen Ende des ersten Durchgangs damit, dies gegenüber der eigenen Truppe mit Pfiffen zu dokumentieren. Undurchdringlich erscheint die Abwehr der Eintracht, die nicht umsonst in den letzten fünf Begegnungen drei Mal ohne Gegentor geblieben ist und auch am letzten Wochenende nur einen, allerdings die Niederlage bringenden Distanzschuss passieren ließ. Heute ist es drei Minuten vor der Pause ein von der Mauer abgefälschter Ball nach Geiserts Freistoß, der von Kunter zwar noch mit den Fingerspitzen erreicht wird, aber dennoch in die Maschen hüpft. Ob es der Anschlusstreffer ist, der die Hausherren nach der Halbzeitpause wie ausgewechselt auftreten lässt? Es dauert jedenfalls keine sechzig Sekunden, bis der Ausgleich gefallen ist. Lutz verlängert einen Freistoß, den Neumann von rechts hereingibt, beim Hochspringen mit dem Kopf so, dass ihn Kunter nicht mehr erreichen kann. Den Abpraller nach Geiserts Schuss an die Latte drückt dann Wolfram Kaminke endgültig ins Tor. Am 19. Spieltag gab das Lauterer Eigengewächs Kaminke sein Bundesligadebüt, nun erzielt er im dritten Punktspiel bereits seinen zweiten Treffer. Was nun über die Hessen hereinbricht, könnte man mit einer Flutwelle beschreiben, doch passt dieses Bild in einem Stadion, das auf einem Berg steht? Die Frankfurter Deckung mit einem löchrigen Käse zu vergleichen, scheint da schon eher angemessen. Die zuvor so sattelfest und straff organisiert erscheinende Abwehr findet kein Mittel gegen die Steilpässe, mit denen die Gastgeber die Abwehrreihe der Hessen ein ums andere Mal auseinanderreißen.
So spielt in der 47. Minute Reitgaßl Kapitulski frei, der den Ball gegen Lutz geschickt abdeckt und dann die Lauterer erstmals in Führung schießt. Kapitulski, der in der letzten Saison als Neuzugang noch neunmal erfolgreich war, freut sich heute kolossal über sein erstes Punktspieltor in dieser Spielzeit. Gegen die Eintracht trifft der Stürmer, der 1956 und 1957 mit dem BVB Deutscher Meister wurde, offensichtlich gern. Schon in der Endrunde 1959 machte er dem späteren Titelträger schwer zu schaffen, als er bei der 2:3-Niederlage des FK Pirmasens vor der Rekordkulisse von 81.000 Zuschauern seine Farben zuerst in Führung brachte und dann für den zwischenzeitlichen Ausgleich sorgte. Und auch im Rückspiel zeichnete er für den einzigen durch einen Pirmasenser erzielten Treffer verantwortlich, was freilich an der deutlichen 2:6-Schlappe nichts änderte. Und vielleicht ist ihm dieses Tor heute auch eine späte Genugtuung, für das 1:8, das die Frankfurter dem FK Pirmasens in der Endrunde 1962 zufügten … Zurück in die Gegenwart. Keine fünf Minuten sind seit dem Pfiff vergangen, mit dem der fehlerlose Schiedsrichter Malka die Partie nach der Pause wieder in Gang setzte, doch den Gästen ist schon jetzt Hören und Sehen vergangen. Kaminke glänzt als Vorbereiter, setzt Wrenger und dieser sich gegen den gut reagierenden Kunter ein, doch entschieden wird die Situation durch Reitgaßl, der das Leder durch die Richtungsänderung erhält, die das Eingreifen von Wirth dem Ball verleiht. Reitgaßls Schuss bedeutet das 4:2, die Begegnung ist endgültig zugunsten der Pfälzer gekippt. Angetrieben vom nun euphorisierten Anhang spielen Lorants Männer wie im Rausch und lassen in der ohnehin bröckelnden Frankfurter Abwehrmauer kein Stein auf dem anderen. Motor der Attacken ist Mittelstürmer Geisert, der seine Leistung in der 58. Minute krönt, als er Kapitulski Vorlage aus vollem Lauf ins lange Eck schmettert. 5:2 – es ist nicht zu glauben. Vor 16 Spielminuten lag Lautern noch mit 0:2 hinten und schien chancenlos zu sein. Doch nun haben die „roten Teufel“ dem Adler den Nerv geraubt, den Zahn gezogen und die Flügel gestutzt, wobei man den Hessen positiv anrechnen kann, dass sie das Ergebnis nicht hinnehmen, sondern nach einer Verbesserung suchen, die ihnen freilich nicht mehr gelingen will. Dem Lauterer Anhang erscheinen die Pfiffe aus der ersten Halbzeit mittlerweile wohl wie aus einem anderen Spiel. Jetzt gibt es nur noch Unmutsäußerungen, wenn Stopper Schwager die sichere Variante wählt und den Ball anstatt nach vorne zu Torwart Schnarr zurückspielt. Doch Unmut hin oder her, weitere Tore fallen nicht mehr. „Wir bleiben auf dem Teppich“, versucht Hans Rottmüller, der Pressewart des 1. FC Kaiserslautern, die Euphorie nach dem 5:2-Sieg einzudämmen und erinnert an die Tabellensituation: „Wir sind noch längst nicht über den Berg.“ Trainer Lorant dagegen feiert die Feste, wie sie fallen, und heute ist ein Festtag für ihn: „In sechs großartigen Angriffen in dreizehn Minuten schossen wir vier Tore“, jubelt er und schwärmt: „Das ist moderner Fußball.“ Die Qualität der Gästetreffer schätzt er dagegen gering: „Wir haben zwei Kindertore bekommen.“ „Frankfurt war in der ersten Halbzeit tonangebend und wir bestimmten nach der Pause das Geschehen“, bilanziert Lorant dann sachlich und liefert seine Erklärung für die unterschiedlichen Halbzeiten: „Die Kondition entschied.“ Und er selbst, denn: „In der Pause gab ich meiner Mannschaft eine Spritze. Ich sagte ihnen, die Frankfurter sind fertig mit ihrer Kondition. Ihr müsst jetzt rangehen.“ „Das Spiel schien vor der Pause zu mühelos für uns zu laufen“, bietet Elek Schwartz einen anderen Erklärungsansatz: „Das machte uns zu überheblich. Wir hatten das Spiel zu sicher in der Hand.“ Das sieht auch Linksaußen Solz ähnlich. „Selten so geärgert über ein verlorenes Spiel“, habe er sich: „In der ersten Halbzeit hatten wir die doch in der Hand!“ „Vor der Pause mussten wir mit vier Toren führen“, ergänzt Schwartz, der wiederum nicht mit der Chancenverwertung seiner stürmenden Abteilung einverstanden ist. Dafür lobt er den Sturmlauf des Gegners: „Die schwachen zehn Minuten nach der Pause wusste der 1. FC Kaiserslautern auszunutzen.“
Es bleibt Helmut Kapitulskis einziger Treffer in dieser Meisterschaftsrunde. Wolfram Kaminke macht in dieser Saison noch fünf weitere Punktspiele für die Lauterer, ein Treffer gelingt ihm nicht mehr. Den schafft er bei seinem ersten Einsatz in der folgenden Saison am 21. Spieltag gegen Nürnberg. Nach einem weiteren Einsatz ohne Treffer endet seine Bundesligakarriere. Im Sommer 1967 wechselt der aus der Jugend der Pfälzer stammende Angreifer in die Nordamerikanische Fußballliga zu den Detroit Cougars. Ein Jahr später setzt er seine Karriere – wieder in Europa – für Utrecht in der niederländischen Ehrendivision fort. Erneut dauert seinen Engagement nur ein Jahr. Danach kehrt er für eine Spielzeit nach Deutschland zurück, wo er in der Regionalliga Nord für den Göttingen 05 stürmt, bevor er seine Laufbahn in der Schweiz beim FC Fribourg und FC Martigny-Sports beendet. (rs)
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