Borussia Dortmund - Eintracht
Frankfurt |
Bundesliga 1965/1966 - 17. Spieltag
3:0 (1:0)
Termin: Mi 19.01.1966, 20:00 Uhr
Zuschauer: 28.000
Schiedsrichter: Alfred Ott (Rheinbrohl)
Tore: 1:0 Alfred Schmidt (31.), 2:0 Reinhard Libuda (65.), 3:0 Wolfgang Paul (76.)
Borussia Dortmund | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Held in der Dämmerstunde Die ersten beiden Partien im neuen Jahr – beim HSV und gegen Bayern München – hat die Eintracht ohne Gegentor überstanden, selbst allerdings auch nur einen Treffer erzielt. Es ist also wahrscheinlich, dass Eintracht-Trainer Elek Schwartz im Nachholspiel des 17. Spieltages beim heimstarken BVB, der in dieser Saison zu Hause noch nicht verloren hat, auf eine defensiv ausgerichtete Taktik setzen wird. Stürmische Dortmunder sind auf jeden Fall zu erwarten, denn für den BVB gilt es gleich zwei Scharten auszuwetzen. Die Elf von Coach Willi „Fischken“ Multhaup hat zwar zuletzt mit 3:1 beim Kellerkind Borussia Neunkirchen gewonnen, trägt aber noch am 1:1 im letzten Heimspiel gegen Eintracht Braunschweig und dem Ausscheiden im DFB-Pokal zu Jahresbeginn, als der Titelverteidiger dem starken Aufsteiger Bayern München nach einem 0:2 das Feld überlassen musste. „Jetzt werden wir eben Deutscher Meister“, lautet der trotzige Kommentar der Dortmunder. „Wir schaffen das“, sagt Torhüter Tilkowski mit dem Brustton der Überzeugung und dem Hinweis, dass die Konkurrenten im Meisterschaftsrennen allesamt noch nach Dortmund müssen. Heute gilt es, mit einem Sieg gegen die Eintracht den 1. FC Köln auf Abstand zu halten, mit dem Tabellenzweiten Bayern München nach Punkten gleichzuziehen und bis auf einen Zähler an Spitzenreiter 1860 München aufzuschließen. Besondere Beachtung verdient beim BVB der Ex-Offenbacher Siegfried Held, der wie Reinhard Libuda von Schalke 04 in dieser Saison nach Dortmund gewechselt ist. Die Beiden sollen die Abgänge von Franz Brungs nach Nürnberg und Friedhelm Konietzka zu 1860 München kompensieren, was ihnen auch gelungen ist. Held wird in der Zwischenzeit vom Boulevard gar voreilig als Nachfolger Uwe Seelers gefeiert, weil der Mittelstürmer des HSV seit dem 23.10. des letzten Jahres kein Pflichtspiel mehr bestritten hat. Bei den Fachleuten steht Held gleichfalls hoch im Kurs. Otto Knefler, der Trainer des Regionalligaligisten SV Saar 05 Saarbrücken, erklärte das nach dem 3:1 des BVB in Neunkirchen so: „Ich sage meinen Leuten immer: Zurück zur Natur! Held ist natürlich und urwüchsig. Ein Mann ohne Schnörkel. Der sucht den geraden Weg zum Tor. Deshalb ist er so erfolgreich.“ Diesen Weg sucht bei minus 5 Grad Celsius und fünf Zentimeter hoher Schneedecke im dämmrigen Schein des Flutlichts in Dortmund gleichfalls Horst Trimhold. Der gebürtige Essener schießt in der 5. Minute auf Tilkowskis Kasten und erntet unerwarteten Lohn, der den äußeren Bedingungen oder mangelhaftem Aufwärmen geschuldet sein kann: Fortan klagt Trimhold über Schmerzen im Oberschenkel, die von einer Zerrung oder im schlimmeren Fall von einem Muskelfaserriss rühren. Für den Rest des Spiels, das gerade erst begonnen hat, ist Trimhold auf jeden Fall als Statist zum Zuschauen verurteilt. Schwartz schickt ihn dazu auf die Außenposition und beordert an seiner Stelle Solz an die Seite von Lechner ins Mittelfeld. Solz macht seine Sache gut und die Eintracht agiert abwartend und aus lauernder Stellung heraus. Blusch und Lotz, die beide am 16. Spieltag Mitte Dezember ihren bislang letzten Pflichtspieleinsatz hatten, ersetzen heute Höfer und Grabowski, wobei Blusch die Vertretung des Kapitäns besser gelingt. Lotz, der wie Held auf Dortmunder Seite zu Saisonbeginn von Kickers Offenbach zu seinem neuen Arbeitgeber wechselte, bleibt blass. Youngster Bechtold vermag ebenfalls keine Impulse zu setzen, so dass allein Huberts in der Offensive für die spielerischen Momente sorgt. Lutz, der beste Frankfurter, organisiert und stabilisiert die Defensive, während Lechner und Solz im Mittelfeld wertvolle Dienste leisten. Das ist freilich zu wenig, um der Borussia dauerhaft Paroli zu bieten. So gut, so schnell, so sicher und schlagkräftig dürfte Trainer Multhaup seine Truppe, die er im Sommer von Hermann Eppenhoff übernommen hat, bisher nur im Europapokalhinspiel gegen Sofia gesehen haben. Auf dem Schneeparkett läuft der Ball überraschend flüssig durch die Reihen der Gastgeber, die Kunter im Gehäuse der Eintracht unter Dauerbeschuss nehmen. Kunter kann sich dabei mehrfach auszeichnen. In der 31. Minute ist er jedoch machtlos, als der ehemalige Nationalspieler Alfred „Aki“ Schmidt auf Vorlage von Held die Führung für den BVB erzielt. Mit dem 0:1 ist die Eintracht gut bedient, dennoch stöhnt Trimhold auf dem Gang in die Halbzeitpause: „Die haben Glück und ich eine Zerrung.“ Auch Eintracht-Präsident Gramlich will der schwarze Kaffee nicht recht schmecken: „Mit zehneinhalb Mann können wir nicht gewinnen“, sagt er voraus. Doch an einen Sieg ist hier und heute ohnehin nicht zu denken. Es geht viel eher darum, die Niederlage in einem erträglichen Rahmen zu halten. Der BVB knüpft im zweiten Durchgang jedenfalls dort an, wo er zuvor vom Pausenpfiff des Schiedsrichters unterbrochen wurde und die Eintracht kommt nach dem Wechsel weiterhin nicht zu brauchbaren Torchancen. Mit dem angeschlagenen Trimhold haben die Hessen nicht nur einen einsatzfähigen Spieler zu wenig, in vorderster Reihe fehlt ihnen auch das passende Personal. Besonders Grabowskis Dribblings werden vermisst, denn von den heute aufgebotenen Stürmern ist keiner in der Lage, seinen Gegenspieler zu versetzen und so den kompakten Abwehrverbund der Gastgeber auszuhebeln. Bei den Hausherren fällt es dagegen nicht einmal ins Gewicht, dass Torjäger Lothar Emmerich sein Visier nicht richtig eingestellt hat. Der BVB erhöht das zuvor bereits rasant zu nennende Tempo noch einmal und setzt die Eintracht noch mehr unter Druck. Mit weiten Pässen auf die Flügel zu Held und Libuda reißen die Schützlinge von Multhaup ein ums andere Mal die gegnerische Deckung auf.
Die Leistung der Dortmunder ist über jede Kritik erhaben, lediglich der Spielstand könnte Anlass zur Kritik geben. Das ändert sich aber in der 65. Minute, als Libuda von Wirth die Kugel unfreiwillig vorgelegt bekommt. Der Rechtsaußen fackelt nicht lange und trifft mit seinem Schuss flach in die Ecke zum 2:0. Doch damit nicht genug: Eine knappe Viertelstunde vor dem Ende jagt Mannschaftskapitän Wolfgang Paul aus 25 Metern den Ball auf Kunters Kasten und das Leder schlägt im linken Torwinkel ein. Es ist Pauls erstes Tor in der Bundesliga – seinen letzten Punktspieltreffer erzielte er am 26.11.1961 in der Oberliga West gegen Schalke 04. „Wir legten noch einen Zahn zu“, freut sich Paul über das Tempo seiner Elf in der zweiten Halbzeit. Trainer Multhaup jubelt befreit und drückt jedem seiner Spieler nach dem Abpfiff die Hand. „Geheimnis“, echot Trainer Multhaup auf die Frage der Journalisten nach den Gründen für die Stärke des BVB, „das kennen wir nicht. Wir haben nur pausenlos gearbeitet und sind jetzt in Superform – mehr ist das alles nicht!“ „Jetzt wird hart gearbeitet für Madrid“, denkt der Trainer schon weiter, bevor er beruhigt nach Madrid fliegt, wo er am Wochenende mit Atletico den nächsten Gegner im Europapokal der Pokalsieger beobachten wird. Siegfried Held, der erneut seine Klasse unter Beweis gestellt hat, hat aber etwas gefunden, was es zu verbessern gilt – das Flutlicht: „Unsere Lampen sind Tranfunzeln!“ BVB-Verteidiger Reinold Wosab tröstet derweil seinen Freund Trimhold: „Pech für dich, aber ich glaube, wir hätten euch heute immer gepackt. Bei uns lief es, wie schon lange nicht mehr.“ „Ausgerechnet gegen meinen Freund spielen, und der ist halb kaputt“, klagt Wosab aber auch. „Lass ruhig, Reinhold“, bestätigt Trimhold seinen Kumpel: „Wir hätten wahrscheinlich auch mit elf Mann nicht gewonnen.“ „Wir leisten euch aber noch ein paar gute Schrittmacherdienste“, verspricht Trimhold Wosab Siege gegen die Rivalen des BVB. „Borussia hat verdient gewonnen. Es war nichts zu machen“, schließt Trainer Schwartz dieses Kapitel mit einem Satz, der auch für Rückkehrer Istvan Sztani gilt. Der Ungar ist weiter vom Pech verfolgt. Kaum ist er von seiner Bandscheibenoperation genesen und hat gerade wieder mit dem Training begonnen, wird er von Schmerzen im Bauchraum geplagt. Das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung: „Am Samstag werde ich am Blinddarm operiert.“ Sztani wird im Frankfurter Maingau-Krankenhaus vom selben Arzt operiert werden, der bereits Lutz und Trimhold den Blinddarm entfernt hat. „Nichts zu machen. Wieder ein paar Wochen versäumt“, schüttelt Sztani den Kopf und flüchtet sich in Sarkasmus: „Die Masern habe ich noch nicht gehabt: Mal sehen, wann die bei mir ausbrechen ...“ (rs)
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