Karlsruher SC - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1965/1966 - 15. Spieltag

4:0 (1:0)

Termin: Sa 04.12.1965, 15:00 Uhr
Zuschauer: 25.000
Schiedsrichter: Herbert Lutz (Bremen)
Tore: 1:0 Horst Wild (32.), 2:0 Willi Dürrschnabel (77.), 3:0 Willi Dürrschnabel (82.), 4:0 Horst-Dieter Berking (86.)

 

 

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Karlsruher SC Eintracht Frankfurt

  • Erich Wolf
  • Horst Saida
  • Helmut Kafka
  • Willi Dürrschnabel
  • Walter Rauh
  • Horst Wild
  • Josef Marx
  • Gerhard Kentschke
  • Gustav Witlatschil
  • Hans Cieslarczyk
  • Horst-Dieter Berking

 


 

Trainer
  • Werner Roth
Trainer

 

Ausgekontert und ausgetrickst

Nachdem die Eintracht in den letzten beiden Begegnungen sowohl den Letzten als auch den Vorletzten geschlagen und mit insgesamt 10:1 Toren deutlich distanziert hat, geht es heute zum Drittletzten der Tabelle. Nicht wenigen ist vor diesem Gang aber ein wenig bang, denn der Gegner ist der Karlsruher SC. „Es gibt so etwas wie Angstgegner. Der KSC ist für uns so einer!“, sagt beispielsweise Willi Huberts und fährt fort: „Ich habe kein gutes Gefühl, gerade weil man jetzt so sicher auf einen Eintrachtsieg rechnet.“

In der Tat: Gegen den KSC hat die Eintracht in bislang vier Bundesligabegegnungen drei Mal verloren. Und das, obwohl die Badener in der ersten Saison die Klasse nur mit Mühe halten konnten und in der letzten Runde als Tabellenvorletzter sportlich abgestiegen sind und wie Schalke 04 nur durch den Zwangabstieg von Hertha BSC und der gleichzeitigen Aufstockung der Liga auf 18 Vereine weiter erstklassig kicken dürfen. Unter diesem Hintergrund ist es noch peinlicher, dass die Eintracht in der letzten Saison gegen den KSC mit einem 0:7 im Waldstadion die höchste Heimniederlage der noch jungen Bundesligageschichte erlitt, während der KSC nur fünf Monate später mit 0:9 beim TSV 1860 München unterging.

„Ganz ehrlich, gegen die Eintracht von heute ist es nicht so einfach wie vor Jahresfrist, wo wir in Frankfurt 7:0 gewannen. Diesmal wären wir schon mit ein paar weniger zufrieden …“, sagt Frank, der stellvertretende Geschäftsführer des KSC mit einem Augenzwinkern. Dabei hat er nicht nur das Verletzungspech der Hessen im Hinterkopf, die seinerzeit wegen des bereits nach fünf Minuten verletzten Ludwig Landerer mit nur zehn einsatzfähigen Spielern auskommen mussten, sondern die letzten Leistungen der Elf von Trainer Elek Schwartz.

Der KSC dagegen ist bescheiden in die Runde gestartet und hat gleich zum Auftakt gegen den sonst chancenlosen Hertha-Nachrücker Tasmania Berlin verloren. Nach zwei Unentschieden folgten fünf Niederlagen in Serie, was Trainer Helmut Schneider den Arbeitsplatz kostete, obwohl er erst Ende Januar dem ebenfalls geschassten Kurt Sommerlatt nachgefolgt war. Mit dem neuen Coach Werner Roth konnten die Badener zwar gleich im ersten Spiel gegen die Lauterer mit einem knappen 1:0 einen doppelten Punktgewinn einfahren, doch danach setzte es wieder Niederlagen, drei hintereinander. Mit dem 3:2 gegen Werder Bremen vor 14 Tagen glaubt man aber eine Wende eingeleitet zu haben, obwohl auch die Partie am letzten Wochenende beim TSV 1860 München mit 0:2 abgegeben wurde.

Dabei ist es beim KSC nicht damit getan, den Trainer auszutauschen. Vielmehr ist das seit dem Bundesligastart zu schwach besetzte Team das Problem. Und das hat man auch für diese Runde nicht verstärkt. Stammspieler Otto Geisert, der erste Spieler, dem in der Bundesliga ein Hattrick gelungen ist, zog es beispielsweise an den Betzenberg zum 1. FC Kaiserslautern, nachdem er in der letzten Runde insgesamt nur noch drei Treffer erzielt hat. Klaus-Peter Jendrosch, im Vorjahr mit der Empfehlung von 34 Toren in 37 Regionalligaspielen vom KSV Hessen Kassel zum KSC gewechselt, hat sich trotz seiner 5 Treffer in nur 13 Spielen nicht durchsetzen können und ist in die Regionalliga Süd zurückgekehrt, wo er nun für den Freiburger FC auf Torejagd geht.

Weniger ins Gewicht fällt, dass Rolf Kahn im Sommer zusammen mit seinem Mitspieler Dieter Klaußner zu Phoenix Bellheim gewechselt ist, nachdem er nach zehn Einsätzen im ersten Bundesligajahr im zweiten Anlauf nur noch zu einem Punktspiel kam. In diesem unterlief ihm zu allem Unglück auch noch ein Eigentor, das die 0:2-Heimniederlage gegen Werder Bremen besiegelte. Kahn, der mit Horst Wild zur Saison 1962/63 aus der A-Jugend des KSC zur ersten Mannschaft stieß, wird seinen Kindern später also nur von einem einzigen Bundesligator berichten können, das er in der ersten Bundesligasaison bei Eintrachts bislang einzigem Bundesligasieg gegen den KSC im Wildparkstadion kurz vor dem Ende erzielte – es war der bedeutungslose 1:2-Anschlusstreffer.

Es hat beim KSC aber eben auch nicht dafür gereicht, erfahrene erstklassige Spieler in den Wildpark zu locken. Walter Rauh, der bis 1963 für den BC Augsburg in der Oberliga verteidigte, war vorher beim FC Winterthur in der Schweizer Nationalliga B am Ball. Aus der Regionalliga Nord kamen Helmut Kafka (Arminia Hannover), der der Offerte aus Karlsruhe den Vorzug gab, obwohl er auch Angebote von Eintracht Braunschweig, dem Hamburger SV und Borussia Mönchengladbach vorliegen hatte, und Arthur Dobat (VfB Oldenburg), der mit 38 Treffern in 64 Punktspielen auf sich aufmerksam gemacht hat. Mit Heinz Crawatzo wurde wenigstens ein bundesligaerfahrener Akteur verpflichtet, allerdings vom Tabellenletzten der letzten Runde, dem FC Schalke 04. Crawatzo war zwar bereits zuvor auch bei Borussia Mönchengladbach Stammkraft, das war jedoch in der Oberliga bzw. Regionalliga.

Der neue Trainer Roth glaubt, nun seine Stammbesetzung gefunden zu haben, und lässt seine Elf zum dritten Mal hintereinander mit der gleichen Besetzung antreten. Zum ersten Mal hatte er diese Formation beim Sieg gegen Bremen gewählt, als er Stammtorhüter Manfred Paul gegen seinen ihm seit zwei Jahren im Nacken sitzenden Konkurrenten Erich Wolf austauschte und den jungen Klaus Zaczyk sowie Neuzugang Crawatzo durch den zwischenzeitlich nicht mehr zur ersten Besetzung gehörenden Kapitän Witlatschil und Hans Cieslarczyk ersetzte. Cieslarczyk kam gegen die Bremer erst zu seinem dritten Punktspiel in dieser Runde, gab aber die Vorlage zum Ausgleich durch Wild und erzielte den Siegtreffer. Und auch die Eintracht hat ihn von jenem 0:7 als zweifachen Torschützen und Vorlagengeber in unguter Erinnerung.

Übrigens lassen die Frankfurter ihre Aufstellung ebenfalls unverändert. „Nachdem endlich auch Lotz gut eingeschlagen hat, besteht kein Grund, die Elf umzukrempeln“, erklärt Trainer Elek Schwartz. Gleich zu Beginn des Spiels straft ihn seine Truppe fast Lügen, als sie Wild die Chance zur Führung gestattet und Glück hat, dass sein Schuss in der 2. Minute am Pfosten landet. Dabei ist doch bekannt, dass die Nummer 9 des KSC bereits in der letzten Saison mit 11 Treffern in 24 Punktspielen nach Hartmann Madl der gefährlichste Schütze der Badener war. Sein Kollege Madl benötigte zwar nur 18 Partien für seine 12 Treffer, doch in dieser Saison kam der Niederbayer an den ersten fünf Spieltagen zu keinem Torerfolg und auch deshalb seitdem nicht mehr zum Einsatz.

Während der KSC seine Formverbesserung bestätigt und die bislang beste Leistung in dieser Runde bietet, bleiben die Angriffe des zuletzt so treffsicheren Eintrachtsturms im morastigen Rasen des Wildpark-Stadions stecken oder laufen sich in der gut gestaffelten Abwehr der Hausherren fest. Die Defensive des KSC ist ohne schwachen Punkt und hat ihren besten Mann in Josef „Jupp“ Marx, der in der Doppelstopper-Rolle die Deckung erneut hervorragend organisiert. Alles, was der Eintracht bleibt, ist ein fürs Auge gefälliges Spiel, das jedoch spätestens am Strafraum des KSC endet und dort wirkungslos verpufft.

Die tief stehenden Gastgeber beschränken sich auf Konter, die sie durch Cieslarczyk und Wild steil und direkt ansetzen und damit die Abwehr der Eintracht immer wieder in Verlegenheit bringen. Unterstützt werden Cieslarczyk und Wild von den heute unwiderstehlichen Außen Berking und Kentschke, wobei besonders Kentschke seinem Gegenspieler Blusch Alpdrücken verursacht.

Die Karlsruher Führung in der 32. Minute geht dann auch auf das Konto vom immer wieder aus der Tiefe nach vorne stoßenden Wild sowie auf Cieslarczyk, der als Vorbereiter glänzt und den Ball maßgerecht für Wild in die Gasse gibt. Wild schießt aus der Drehung heraus unhaltbar für Loy ein, der nicht zum ersten Mal wegen dem Karlsruher das Leder aus seinem Netz holen muss. Neben seinen beiden Toren beim 7:0 hat Wild ja auch beim 3:1 Ende Januar dieses Jahres zwei Treffer erzielt.

„Oh dieser Boden! Wir liegen mehr als wir stehen“, stöhnt „Schotte“ Trimhold in der Halbzeitpause, doch am rutschigen Untergrund, den die Spieler des KSC entweder ignorieren oder ihn sich mit gewaltiger Kampfkraft zunutze machen, liegt es nicht, dass die Eintracht nicht zu Potte kommt. Walter Baureis, 1955 und 1956 mit dem KSC DFB-Pokalsieger und jetzt Spielausschussvorsitzender, traut dem Braten aber noch nicht recht: „Jetzt könnte es aus sein. Mit 1:0 wären wir schon zufrieden.“

Dabei gibt es für seine Befürchtung wenig Anlass, wenn auch die Eintracht ihrem bisherigen Übergewicht im Mittelfeld nun eine stürmische Offensive hinzufügt, der aber besonders Marx immer wieder forsch in die Parade fährt. Und als Huberts in der 73. Minute die beste Chance zum Ausgleich vergibt, obwohl ihm sich bei seinem Versuch kein Feldspieler in den Weg stellt, macht der KSC kurz darauf den Sack zu.

Das Leder wandert vier Minuten später von Berking über den „Zehner“ Cieslarczyk zum fleißigen Ballschlepper Willi Dürrschnabel, der direkt zum 2:0 verwertet. In der 82. Minute schlägt die Nummer 6 des KSC zum zweiten Mal zu und zum dritten Mal ist Cieslarczyk der Vorbereiter. Er sieht, dass Dürrschnabel freie Bahn hat und bedient den Läufer perfekt. Dem 3:0 folgt aus vielen der 25.000 Kehlen auf den Rängen des Wildparkstadions ein Sprechchor, der den Frankfurtern höhnisch in den Ohren klingt: „Vier-fünf-sechs-sieben!“

Sieben, wie im Vorjahr, werden es diesmal, nicht, aber der vierte Gegentreffer bleibt Eintracht-Schlussmann Loy nicht erspart. Zwei Minuten vor dem Ende der Partie setzt Horst-Dieter Berking seinem Auftritt mit seiner besten Szene die Krone auf und lässt mit einem unwiderstehlichen Solo alle aussteigen – inklusive Egon Loy.

„Der KSC hat uns mit seiner konsequenten Manndeckung aus dem Konzept gebracht“, kommentiert Schwartz verärgert, während sein Kollege Werner Roth verschmitzt lächelt: „Auch das gehörte zu unserer Taktik.“ „Meine Mannschaft hat eine Leistung gezeigt, wie sie kaum zu überbieten ist. Sie hat alle taktischen Maßnahmen beherzigt und bis zum Umfallen gekämpft“, freut sich Roth, der ankündigt: „Wir werden die Elf auch in den nächsten Spielen nicht ändern. Das wäre sonst glatter Selbstmord! Die neue Standardformation hat sich bewährt.“

„Jetzt haben wir endlich einmal Stürmer, die sich verstehen“, freut sich Verteidiger Saida über den Formanstieg. „Schon seit dem Sieg über den Deutschen Meister Werder Bremen ist in Karlsruhe alles wie umgewandelt“, strahlt Mannschaftskapitän Witlatschil gleichfalls: „Und heute haben wir wohl bewiesen, dass es keine Eintagsfliege war.“ Der KSC, so meint Trainer Roth, scheint sich „allmählich auch von den Abstiegssorgen zu befreien“.

Der Sieg sei „vollauf gerecht dank der größeren Kampfmoral“, findet aber nicht nur Roth, der einräumt, dass „nach dem 1:0 ein gefährlicher Zwischenspurt der starken Eintracht abzuwehren“ war. „Der Gegner hat uns durch seine Energie überrumpelt“, lobt Roths Kollege Schwartz, der den Sieg des KSC ebenfalls verdient nennt, weil dieser seine „Chancen besser ausgenutzt“ hat. „Der KSC war schneller, flinker, und hat taktisch gut gespielt“, rüffelt der von seiner Mannschaft mal wieder enttäuschte Fußballlehrer die eigenen Spieler: „Ein Spiel ist nicht nur durch technische Tricks zu gewinnen.“


Epilog

Stammspieler Horst Saida bricht sich bei der 0:2-Niederlage des KSC am folgenden Spieltag bei Eintracht Braunschweig die Kniescheibe. Erst am 3. Spieltag der neuen Saison kommt er erstmals wieder in einem Pflichtspiel zum Einsatz. Das Knie des 26-Jährigen ist jedoch den Belastungen eines professionellen Fußballers nicht mehr gewachsen, so dass Saidas Laufbahn als Vertragsfußballer nach dem nächsten Spiel – einer 1:6-Heimniederlage gegen den FC Bayern München – viel zu früh endet.

Ob Rolf Kahn seinen Kindern tatsächlich vom seinem Treffer gegen die Eintracht berichtet hat, ist nicht bekannt. Sein Sohn Axel wird jedoch in der Saison 1986/87 für den KSC in der zweiten Liga fünf Mal zum Einsatz kommen und ebenfalls ein Tor erzielen. Axels Bruder, dessen Profi-Karriere in der folgenden Spielzeit beginnt, als die von Axel Kahn schon wieder beendet ist, wird in der Bundesliga dagegen nie ein Tor erzielen, obwohl er in 21 Jahren 557 Erstliga-, 68 DFB-Pokal-, 140 Europapokal- und 86 Länderspiele bestreitet. Seine Torlosigkeit ist aber keine Sensation, denn er steht zuerst beim KSC und vom 1994 bis 2008 bei Bayern München im Tor: Oliver Kahn. (rs)


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