Eintracht Frankfurt - Schalke
04 |
Bundesliga 1965/1966 - 11. Spieltag
4:1 (2:0)
Termin: Sa 30.10.1965, 16:00 Uhr
Zuschauer: 22.000
Schiedsrichter: Gerhard Schulenburg (Hamburg)
Tore: 1:0 Wolfgang Solz (7.), 2:0 Horst Trimhold (26.), 3:0 Horst Trimhold (68.), 3:1 Günter Hermann (72., Handelfmeter), 4:1 Wilhelm Huberts (85.)
Eintracht Frankfurt | Schalke 04 |
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Trainer | Trainer
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Vertrackte Tore Es ist so ähnlich wie vor dem letzten Spiel bei 1860 München, denn auch der heutige Gegner hat bislang in der Bundesliga nicht gegen die Eintracht gewinnen können. In der letzten Saison endeten jedoch beide Partien unentschieden, so dass man fälschlicherweise eine Begegnung gleich starker Mannschaften erwarten könnte. Diese Beschreibung würde an der Wirklichkeit aber mit großem Abstand vorbei gehen, auch wenn die Eintracht zurzeit auf Platz 11 rangiert und die Schalker mit vier Punkten Abstand vier Plätze dahinter. Tatsächlich sind die in der letzten Runde sportlich abgestiegenen Gelsenkirchener nicht anders als in der letzten Saison wiederum ein Kandidat für die Regionalliga. Der sind sie in dieser Saison zusammen mit dem KSC nur deswegen entgangen, weil Hertha BSC die Lizenz entzogen und die Bundesliga auf 18 Klubs vergrößert wurde. Dass Schalke 04 aktuell nicht wieder auf einem Abstiegsplatz liegt, ist der noch schwächeren Elf von Borussia Neunkirchen und dem überforderten Hertha BSC-Nachrücker Tasmania Berlin zu verdanken. Schalke 04 ist durch eine Vielzahl von Abgängen geschwächt, die zum Teil auch mit der ungewissen Ligazugehörigkeit zusammenhingen. So verließen die Nationalspieler Reinhard Libuda, Willi Schulz und Hans Nowak den Verein und schlossen sich dem BVB, dem HSV bzw. dem Aufsteiger Bayern München an. Wie Schulz wechselte auch Egon Horst zum HSV, er hatte aber ohnehin in seiner letzten Saison bei den Königsblauen nur zehn Begegnungen absolviert und sich bis zum Ende der Saison in Wattenscheid fit gehalten, nachdem er bei einer Trainingseinheit in der Halle mit Mitspieler Hans-Jürgen Becher aneinandergeraten war und daraufhin suspendiert wurde. Routinier Günter Karnhof dagegen hat seine Profilaufbahn wegen anhaltender Kreislaufprobleme beendet und lässt sich bei der Stadt Gelsenkirchen zum Verwaltungsangestellten umschulen. Waldemar Gerhardt und Willi Koslowski sind freiwillig abgestiegen und treten nun in der Regionalliga West für Fortuna Düsseldorf bzw. Rot-Weiss Essen an. Der im Vorjahr von Borussia Mönchengladbach gekommene Heinz Crawatzo hat sich dem KSC angeschlossen und auch der ebenfalls erst zur letzten Saison aus Fürth nach Schalke gewechselte Torwart Gyula Toth hat das Weite gesucht, obwohl er mehr als doppelt so viele Einsätze bestritten hat wie sein Konkurrent, der vormalige Stammkeeper Horst Mühlmann. Toth verabschiedete sich in die Noris zum 1. FC Nürnberg, wo er aber hinter Roland Wabra nur die Nummer zwei ist. Mühlmann darf auch heute das Heiligtum der Schalker hüten, nachdem am 3. Spieltag bei der 1:5-Niederlage beim Meidericher SV die Nummer 3 Josef Broden im Kasten stand und am 2. sowie den letzten drei Spieltagen Neuzugang Josef Elting das Vertrauen von Trainer Fritz Langner genossen hat. Und es gibt auch Neuzugänge, die sofort Stammspieler geworden sind, wie Klaus Fichtel, Gerhard Neuser, Heinz Pliska oder Alfred Pyka. Pyka, der erst in der letzten Saison im Alter von bereits 30 Jahren von Westfalia Herne zu 1860 München wechselte, wurde von „Löwen“-Trainer Merkel in der Bundesliga und im Europapokal nicht eingesetzt und kam lediglich im DFB-Pokal zu zwei Pflichtspielen. Im Sommer kehrte Pyka München den Rücken und in den Ruhrpott zurück, um bei Schalke 04 einen neuen Anlauf in der Bundesliga zu nehmen. Der Anlauf, den Rückkehrer Istvan Sztani genommen hat, ist dagegen jäh gestoppt worden Gerade schien es, als wäre Sztani auf dem Weg zu alter Klasse, da finden die Ärzte endlich heraus, aus welchem Grund Sztani seit langem über Schmerzen im linken Bein klagt: „Das ist ein Bandscheibenvorfall und drückt gegen einen Nervenstrang“, erklärte Sztani am Mittwoch: „Es sollte operiert werden. Vielleicht geht es auch so weg.“ Sztani muss nun ein Gipskorsett tragen, womit ihm ein ähnliches Schicksal beschieden ist wie Peter Kunter. Der rechte Fuß des ausgezeichneten Torhüters, der Egon Loy in dieser Saison als Nummer 1 abgelöst hat, liegt sei Montag in Gips. Egon Loy, der in dieser Runde nur am 1. Spieltag zwischen den Pfosten gestanden hat, kehrt somit gegen die Schalker in den Kasten zurück. Loy bleibt jedoch erst einmal ohne Beschäftigung, während die Eintracht einen flotten und zielstrebigen Start mit präzisem Kombinationsspiel hinlegt. Solz, der für Sztani in die Elf gerutscht ist und zu seinem vierten Punktspiel in dieser Saison kommt, ist dabei der auffälligste, während sein Gegenspieler Hans-Jürgen Becher der bedauernswerteste Akteur auf dem Platz ist. Die Nummer 11 der Eintracht fintiert und trickst, dass der Nummer 2 der Schalker Schwindelgefühle kommen könnten. Noch haben die Gäste Glück, dass Grabowski und Bechtold zu Beginn des Spiels Maßflanken nicht in Tore ummünzen können, doch dann lässt Linksaußen Solz in der 7. Minute nach einer Steilvorlage von Huberts Pyka und Becher stehen und Mühlmann mit dem rechtem Fuß keine Abwehrchance. Die Kugel schlägt zur Frankfurter Führung im kurzen Eck ein und der „Brasilianer“ der Eintracht kann sich über seinen ersten Saisontreffer freuen.
Die Hausherren haben leichtes Spiel gegen den überforderten Gegner aus Gelsenkirchen. Dass sie im Sturmwirbel der Eintracht nicht untergehen, verdanken die „Königsblauen“ unerhörtem Massel und ihrem neuen Stopper Klaus Fichtel. Die Nummer 5 steht wie ein Leuchtturm im dichten Nebel der Frankfurter Attacken und behält immerhin einigermaßen den Durch- und Überblick. Auf Dauer geht das natürlich nicht gut, auch wenn Trimhold und Huberts gute Einschussmöglichkeiten vergeben. Nach einem Eckball vom heute nur durchschnittlichen Grabowski, der mit Rausch den zweikampfstärksten und bissigsten Schalker Gegenspieler hat, passiert es dann in der 26. Minute: Lechner legt für Trimhold ab und dieser vollendet mit seinem zweiten Saisontreffer zum 2:0. Für die Schalker müsste man nun das Schlimmste befürchten, wenn, ja, wenn nun nicht die Eintracht in einem Maße das Tempo drosseln würde, dass man vermuten könnte, die Begegnung befände sich bereits in der Schlussphase. Natürlich können sich die Frankfurter diese Nachlässigkeit erlauben, denn der Gegner kann zwar das Mittelfeld überbrücken, jedoch keine Schneise in den Strafraum der Hausherren schlagen. Anderseits lässt die Eintracht die Chance verstreichen, den auswärts bislang punktlosen Schalkern deren auf fremden Plätzen mit nun 2:15 Treffern trostlose Tordifferenz noch unansehnlicher zu gestalten und gleichzeitig etwas für die eigene Bilanz zu tun. So müssen sich die 22.000 Zuschauer mit einer Partie begnügen, die nicht schlecht, aber eben längst nicht gut ist. Aus der mediokren Vorstellung der beiden Truppen ragen auf Frankfurter Seite in der Offensive immerhin Trimhold mit seinem Elan und Lechner mit seinem Fleiß heraus, während man etwas enttäuscht zur Kenntnis nimmt, dass Solz nach furiosem Beginn nachgelassen hat. Bei Schalke 04 ist es im Grunde nur Neuser, dem Tatendrang bescheinigt werden kann. Dieser bleibt allerdings ohne zählbaren Erfolg, weil sich Neuser – vielleicht auch wegen mangelnder Unterstützung – häufig verzettelt. Wie Solz fällt im zweiten Durchgang gleichfalls Schiedsrichter Schulenburg ab, wenn auch nur in läuferischer Hinsicht. War der Unparteiische in der 1. Halbzeit noch der lauffreudigste Akteur auf dem Platz, pfeift er nun „oft von einer Hälfte weitab zum Ball stehend“, wie der Berichterstatter des „kicker“ notiert. Gerhard Schulenburg, der schon am allerersten Spieltag der neu geschaffenen Bundesliga mit von der Partie war, als er die Begegnung zwischen dem FC Schalke 04 und dem VfB Stuttgart in der Gelsenkirchener Glückaufkampfbahn leitete, pfeift heute zum sechsten Mal eine Bundesligabegegnung der Eintracht. Keines der drei Heimspiele unter seiner Leitung konnten die Frankfurter gewinnen: Gegen den MSV gab es ein 2:2 sowie gegen Köln (1:4) und Kaiserslautern (1:2) Niederlagen. Dass Schulenburg dieses Mal einen Heimsieg der Riederwälder erleben wird, daran zweifelt Mitte der zweiten Halbzeit niemand. Zu überlegen sind die Gastgeber und zu ereignislos das Spiel, als dass jemand ernsthaft mit einer Wende zugunsten der Schalker rechnen würde. Das 3:0, das in der 68. Minute fällt und die schreibenden Augenzeugen wieder zu ihren Stiften greifen lässt, verdanken die Zuschauer dann auch nicht der Spielkunst der Eintracht, sondern der tatkräftigen Unterstützung des Keepers der „Knappen“: Mühlmann kommt bei einer Flanke von Lutz weit aus seinem Kasten und faustet das Leder mit letzter Not aus dem Strafraum, aber direkt vor die Füße von Trimhold, der die Situation instinktiv richtig erfasst und den Ball über die Spielertraube vor ihm ins verlassene Tor hebt. Lutz, der seine Abwehr vorzüglich organisiert und an dem kein Gegner vorbei kommt, ist vier Minuten später auch am nächsten Treffer beteiligt. Dem Nationalspieler unterläuft ein kurioses Handspiel im eigenen Strafraum, das er so schildert und zu erklären versucht: „Ich wollte den Ball mit dem Absatz mitnehmen. Dabei sprang er mir irgendwie an den Arm.“ Herrmann, der im Waldstadion sowohl bei der ersten Bundesligabegegnung der beiden Vereine (4:2) als auch bei der 1:2-Pokalniederlage der Eintracht in der letzten Saison an erfolgreich war, verkürzt per Strafstoß auf 3:1 und trägt sich wieder in die Torschützenliste ein. Dieser Treffer lässt die Schalker Ende Oktober noch einmal Frühlingsluft schnuppern, doch die geweckten Lebensgeister bewirken keine Verbesserung der spielerischen Elemente, sondern bringen lediglich eine hässliche Härte in die Partie. Die endet fünf Minuten vor dem Abpfiff, als der schwache Bechtold von der Mittelstürmerposition auf den linken Flügel ausweicht, Mühlmann sich bei Bechtolds Flanke verschätzt und Huberts zum 4:1-Endstand einköpfen kann. Trainer Fritz Langner moniert, dass seine Elf im Angriff viel zu eng gespielt habe und „uns fehlte auch die Schnelligkeit gegen die starke Eintracht-Abwehr.“ „Wir haben zu hoch verloren, so schlecht haben wir nicht gespielt“, findet er, doch Schalke-Präsident Fritz Szepan sieht das anders: „So schlecht war unsere Mannschaft noch nie. Aber das waren auch vertrackte Tore.“ „Die Dribbelei vom Neuser bringt nichts ein“, schimpft Szepan, der als Spieler bekanntlich Teil des legendären Schalker Kreisels war, was seine Vorliebe für das Kombinationsspiel erklärt: „Wir haben keine Stürmer“, beklagt der ehemalige Nationalspieler, während Langner den Hauptgrund für die Niederlage in einem anderen Mannschaftsteil sucht und besonders in der Person des Torwarts auch findet: „Verloren hat das Spiel die Abwehr, in der Mühlmann einen schwarzen Tag hatte.“ „Unsere Elf ließ sich vom Klein-Klein der
Schalker anstecken“, findet auch Eintracht-Präsident Rudi Gramlich
Anlass zur Kritik und räumt ein: „Zugegeben, es war kein großartiges
Spiel, aber wenn wir immer vier Tore schießen könnten, wären
wir zufrieden.“ „Vier Tore, das ist doch sehr schön“,
meint auch Trainer Schwartz, der den Gegner in der Rückschau fast
überhöht: „Die Schalker hatten eine kompakte Abwehr und
waren auch in der zweiten Hälfte stark. Als Schalke mit fünf
Mann stürmte, war es oft gefährlich.“ „Der Mannschaft
fehlt noch viel Routine“, findet er allerdings und schließt
mit einem Lob für seine Truppe: „Mit meiner Mannschaft war
ich zufrieden.“ Epilog Josef Elting wird Schalkes neuer Stammtorwart und Horst Mühlmann in dieser Runde nur noch einmal eingesetzt: am 34. Spieltag beim 4:0-Heimsieg der Schalker gegen den abgeschlagenen Absteiger Tasmania Berlin. Es ist sein letztes Bundesligaspiel. Mühlmann wechselt zur nächsten Saison zum Regionalligisten Bonner SC, wo er aber nur eine Spielzeit bleibt. Karriere macht der Torwart, der halbtags als Maurer arbeitet, in den USA. 1968 spielt er dort noch Fußball, wechselt aber im Jahr darauf als Profi zum American Football. „Horst Mühlmann ist der beste Import aus Germany seit Bier und Elke Sommer“, schreibt 1972 die „San Diego Union“ auf ihrer ersten Seite. „In diesem Sport ist Geschicklichkeit wichtig, Kondition dagegen nur Nebensache“, zitiert das Nachrichtenmagazin der Spiegel im selben Jahr Mühlmann, der in der spielfreien Zeit in Deutschland als Fliesenleger arbeitet und in Schalkes Altherrenmannschaft Fußball spielt: „Ich würde nicht einmal mit Franz Beckenbauer tauschen.“ Mühlmann spielt als Kicker bis 1974 für die Cincinnati Bengals und bis 1977 für die Philadelphia Eagles. In dieser Zeit schafft er es, in drei aufeinanderfolgenden Spielen ein Field Goal aus über 50 Yards zu erzielen. Außer ihm gelingt das nur noch drei anderen Footballern: Tom Dempsey (1971), Chris Bahr (1981) and Jason Elam (1996). Der ehemalige Torwart gehört zu der Handvoll Deutschen, die bislang (2013) in der US-amerikanischen Profi-Liga NFL gespielt haben. Nach der Rückkehr aus den USA lebt Mühlmann bis zu seinem frühen Tod mit nur 51 Jahren am 17.11.1991 in Selm. (rs)
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