Eintracht Frankfurt - Werder
Bremen |
Bundesliga 1965/1966 - 9. Spieltag
1:0 (1:0)
Termin: Mi 20.10.1965, 20:00 Uhr
Zuschauer: 30.000
Schiedsrichter: Karl Niemeyer (Bad Godesberg)
Tore: 1:0 Wilhelm Huberts (44.)
Eintracht Frankfurt | Werder Bremen |
|
|
Trainer | Trainer
|
Huberts ist spitze Am letzten Wochenende hatte der amtierende Deutsche Meister aus Bremen im Heimspiel gegen 1860 die Möglichkeit, die Münchner in der Tabelle zu überholen und sich hinter Spitzenreiter Dortmund zu platzieren. Ein umstrittener Strafstoß für die Gäste aus Bayern leitete aber die dritte Saisonniederlage der Norddeutschen ein. In der gesamten letzten Spielzeit gingen aber unter dem zum BVB gewechselten Trainer Willi Multhaup nur drei Punktspiele verloren, so dass sein Nachfolger Günter Brocker keinen leichten Stand hat. Brocker wird ohnehin misstrauisch beäugt, nachdem er bei seinem vorherigen Verein, dem 1. FC Kaiserslautern, im Februar den Stab an Weltmeister Werner Liebrich abgeben musste. Mit den Pfälzern hat er zudem im ersten Bundesligajahr lediglich Platz 12 belegt – etwas dünn als Bewerbungsschreiben für die Nachfolge eines Meistertrainers. Immerhin: Den drei Niederlagen stehen auch fünf Siege gegenüber, was zurzeit mit drei Punkten Rückstand auf die Spitze zu Platz 6 reicht. Außerdem haben die Bremer im Europapokal der Landesmeister mühelos die zweite Runde erreicht. Das war aber auch nicht anders zu erwarten, nachdem Werder Zyperns Vertreter Apoel Nikosia zugelost wurde. Gegen eine Zahlung von 50.000 DM traten die international bestenfalls zweitklassigen Zyprioten ihr Heimrecht an den deutschen Meister ab, so dass Hin- und Rückspiel auf hiesigem Boden ausgetragen wurden. Beide Begegnungen gingen mit je 5:0 Toren klar an die Bremer, bei denen Neuzugang John Danielsen endlich auch konditionell überzeugen konnte und zu seinem ersten Pflichtspieltreffer für die Norddeutschen kam. Während der dänische Nationalspieler, der zwischen dem 2. und 7. Spieltag keine Rolle spielte, langsam in Schwung zu kommen scheint, muss Brocker weiterhin den Ausfall von Arnold „Pico“ Schütz verkraften. Seit Mitte September steht der torgefährliche Mittelfeldspieler nicht mehr zur Verfügung. Es besteht aber die Aussicht, dass Schütz am Samstag im Heimspiel gegen Braunschweig wieder mit von der Partie sein kann. Und wie das Leben so spielt, ist des einen Leid, des anderen Vorteil: Hans Schulz, der im letzten Jahr gegen die Eintracht sein Bundesligadebüt feierte, erhält eine neue Chance und kommt gegen die Frankfurter zu seinem dritten Punktspiel in dieser Runde. Brockers Kollege Elek Schwartz fällt seine Mannschaftsaufstellung wesentlich leichter. Er lässt die Elf, die vor vier Tagen in Köln nach einem Handelfmeter 0:1 unterlegen war, auf allen Positionen unverändert. Das bekommt ein Teil der 30.000 Zuschauer, die an diesem Mittwochabend ins Waldstadion pilgern, aber erst mit einiger Verspätung mit. Infolge der verstopften Anfahrtswege verpassen einige den Anstoß um 20 Uhr und treffen erst im Laufe der ersten Halbzeit ein. Soweit diese Fußballfans Anhänger der Frankfurter Eintracht sind, haben sie nicht so fürchterlich viel versäumt. Die Abwehrreihe der Gäste geht nämlich sehr konzentriert zu Werke und verwehrt der Eintracht zu Beginn jede Torchance. Dabei laufen die Kombinationen der Frankfurter durchaus flüssig, nur am und besonders im Strafraum der Werderaner gibt es vorerst nichts zu ernten. Hier schnellt ein kompromissloses Abwehrbein in ein Zuspiel, dort ein entschlossener Kopf in eine Flanke – es gibt kaum ein Durchkommen. Und wenn doch, dann steht mit Günter Bernard ein Meister seines Fachs zwischen den Pfosten. Im anderen Kasten steht ihm Peter Kunter aber nichts an Klasse nach. Die tut angesichts der nur vereinzelt vorgetragenen, aber meist brandgefährlichen Konter von Werder auch Not. Die Gäste haben in dieser Phase der Partie die klareren Einschussmöglichkeiten, doch der bewegliche Matischak scheitert ebenso an Kunter wie Zebrowski. Der weiß zwar mit dem Ball umzugehen, jedoch nicht, wie die Kugel an dem Torwart der Eintracht vorbeizubringen ist. Rechtsaußen Zebrowski, der beim 2:0-Sieg der Bremer beim letzten Gastspiel in Frankfurt beide Treffer erzielte, ist vor allen Dingen vorzuwerfen, dass er das Einzelspiel übertreibt und sich zu spät vom Ball trennt. Letzten Endes leidet die kampstarke Bremer Elf aber unter ihrem insgesamt schwachen Angriff. So kommt es, dass nach dem schussstarken Matischak Piontek zu Werders gefährlichstem Stürmer avanciert. Der Mann mit der Nummer 2 auf dem Trikotrücken tritt den Beweis an, dass im Fußball von heute jeder stürmen und verteidigen muss. Pionteks Pech ist es, dass sowohl ein Schuss als auch ein Kopfball von ihm das Heiligtum der Frankfurter jeweils nur um wenige Zentimeter verfehlen. Bei einem Boxkampf lägen die Bremer kurz vor der Halbzeitpause nach Punkten vorne, doch dann werden sie vom Gegner zu Boden geschickt. Dabei pfeifen die Eintrachtfans noch kurz vor dem Niederschlag Schiedsrichter Niemeyer aus, weil der in der Bremer Hälfte anstelle eine Freistoßes nur auf Einwurf für die Hausherren entscheidet. Doch dann hört der bis dahin unauffällige und glücklose Linksaußen Bechtold den Ruf des nach vorne stürmenden Höfer und wirft ihm den Ball zu. Zebrowski kommt mit dem Rollentausch nicht zurecht, reagiert eine Sekunde zu spät und hat gegenüber seinem Bewacher das Nachsehen. Höfer zieht davon und flankt in den Strafraum auf Huberts, der von seinem ständigen Bewacher Steinmann bedrängt, aber nicht am Kopfball gehindert werden kann. Schulbuchmäßig drückt Huberts die Kugel, die von Bernards Arm hinter die Linie springt. „Der Ball kam so schnell von Huberts’ Kopf, dass ich ihn gar nicht sah“, entschuldigt sich Bernard, während Jagielski mit seinen Vorderleuten schimpft: „Da müsst ihr Stürmer eben mal mit zurückkommen!“ Zu Beginn des zweiten Durchganges steckt den Bremern der Rückstand noch in den Köpfen. Die Eintracht bestimmt das zuvor ausgeglichene Spiel. Leider kann Trimhold Huberts grandiose Vorlage sechs Meter vor dem Tor nicht zum Ausbau des knappen Vorsprungs nutzen: Trimhold zögert mit dem Abschluss und scheitert dann mit dem Versuch, Steinmann auszuspielen. Entschädigt werden die Eintrachtanhänger von Istvan Sztani, der einen Fallrückzieher knapp über die Latte bugsiert. Erstmals seit seiner Rückkehr wird der Meisterspieler von 1959 mit zarten „Sztani, Sztani“-Rufen gefeiert. Die Eintracht bleibt am Drücker. Selbst der junge Bechtold zeigt sich beflügelt und mit mehr Mut ausgestattet als noch in der ersten Halbzeit. Die Einleitung des Führungstreffers hat ihm wohl Selbstvertrauen eingeflößt. Nun serviert er Huberts maßgerecht den Ball, doch die Nummer 10 drischt die Kugel übers den Kasten. Doch auch so entwickelt sich Huberts, der beim 7:0 gegen Bremen im ersten Bundesligajahr zu den drei Treffern Erwin Steins die restlichen vier beisteuerte, im Waldstadion zu Werders Schrecken. Einen mächtigen Schuss des Österreichers, den er aus vollem Lauf abfeuert, kann Bernard nur im Nachfassen unter Kontrolle bekommen. Angetrieben vom immer anspielbaren Trimhold kommen die Frankfurter zu weiteren Chancen. Die Größte vergibt Grabowski in der 63. Minute, als er aus acht Metern wie seine Vorgänger über das Tor schießt. Das Publikum aber zeigt sich feinfühlig und tröstet die junge Nummer 8 der Eintracht mit aufmunterndem Applaus. Zu spät und zu wenig zwingend kommt die Gegenwehr der Gäste. Als Lorenz endlich einmal die Mittellinie überquert, hat er zwar Grabowski den Ball abgenommen, kann sich jedoch Sekunden später gegen Sztani nur mit einem Foul helfen, für das er stürmische Proteste erntet. Von den präzisen Pässen, mit denen die Gäste in der ersten Halbzeit die Abwehrreihe der Eintracht ausgehebelt hat, ist längst nichts mehr zu sehen. An der Defensive der Frankfurter gibt es nun, abgesehen von der einen oder anderen Schwäche des rechten Verteidigers Blusch, kaum etwas auszusetzen. Der Bremer Endspurt in den letzten zehn Minuten bleibt auch deswegen erfolglos. „Ein herrliches Spiel auf beiden Seiten mit guten Torgelegenheiten von beiden Mannschaften“, findet Hessens Verbandstrainer Rudi Gellesch und nennt die aus seiner Sicht besten Akteure: „Trimhold, Grabowski und Lutz haben mir bei Eintracht, Matischak, der leider zuviel dribbelte, und Ferner bei Bremen besonders gut gefallen.“ Das Urteil von DFB-Bundestrainer Helmut Schön fällt eine Nummer kleiner aus: „Es war ein gutes Bundesligaspiel, das beiderseits schnell geführt wurde. Auf Grund der zweiten Halbzeit hat Eintracht auch verdient gewonnen, eben, weil sie ein Tor geschossen hat.“ Den Finger in die Wunden legt Dettmar Cramer, der sein Fazit mit einem positiven Aspekt beginnt: „In hohem Tempo wurde auf beiden Seiten gespielt. Das ist das Erfreuliche.“ Und das Unerfreuliche lautet nach Cramer so: „Eintracht hat keine Angriffsspitze. Wenn sie eine hätte, wäre sie noch weitaus gefährlicher.“ Auch beim Gast von der Weser sieht Cramer die Schwachstelle in der vordersten Reihe: „Bremen ist eine gute Mannschaft, das wissen wir, aber diesmal hatte Werder zwei Stürmer dabei, die dem hohen Tempo nicht gewachsen waren.“ Die beiden Vereinstrainer Brocker und Schwartz hadern eher mit den Leistungen des Schiedsrichters als der der eigenen Spieler. „Die Eintracht hat mich überrascht“, lobt Brocker den Gegner: „Ihr Sieg war nicht unverdient, obwohl unser Angriff viele gute Gelegenheiten hatte, den Führungstreffer wettzumachen.“ Die nutzten die Bremer aber ebenso wenig wie die Frankfurter, was Schwartz so ausdrückt: „Wir hätten noch ein Tor mehr machen müssen, aber auch Werder hätte durchaus ein Tor verdient.“ Es ist für Elek Schwartz nicht die Stunde, seine Spieler zu kritisieren. Zu groß ist seine Freude, denn er glaubt, nun endlich verstanden worden zu sein. Die ganze Mannschaft habe befolgt, was sie in vielen harten Trainingsstunden einexerziert habe, sagt er. Abzuwarten bleibt, ob sie sich im nächsten Spiel an diese Übungen noch erinnert. Das Beständigste bei der Eintracht ist ja meist ihre Unbeständigkeit und die Launenhaftigkeit hat auch der erfahrene Schwartz seinen Schützlingen bislang nicht austreiben können.
Helmut Jagielski absolviert bis zum 12. Spieltag noch drei weitere Partien und fällt den Rest der Saison mit einem Bandscheibenvorfall aus. Noch schwerer In der folgenden Runde kommt er nur zu vier Punktspielen. Nach seinen Einsätzen am 3., 4. und 5. Spieltag verabschiedet er sich am 34. Spieltag bei der 1:4-Niederlage in Köln aus der Bundesliga. Hans Schulz wechselt zur nächsten Saison zum Hamburger SV, wo er fünf Jahre bleibt. Nach drei weiteren Spielzeiten bei Fortuna Düsseldorf kickt er noch zwei Jahre in der 2. Liga Nord für Alemannia Aachen. Seit 1999 ist er Aufsichtsratmitglied der Werder Bremen GmbH & Co. KGaA. (rs)
|