Hannover 96 - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1965/1966 - 4. Spieltag

4:1 (2:1)

Termin: Sa 04.09.1965, 16:00 Uhr
Zuschauer: 38.000
Schiedsrichter: Horst Mathieu (Saarbrücken)
Tore: 1:0 Hans Siemensmeyer (30.), 2:0 Walter Rodekamp (35.), 2:1 Jürgen Grabowski (43.), 3:1 Jürgen Bandura (57.), 4:1 Karl-Heinz Mülhausen (86.)

 

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Hannover 96 Eintracht Frankfurt

  • Horst Podlasly
  • Heinz Steinwedel
  • Klaus Bohnsack
  • Otto Laszig
  • Winfried Mittrowski
  • Walter Rodekamp
  • Stefan Bena
  • Hans Siemensmeyer
  • Karl-Heinz Mülhausen
  • Udo Nix
  • Jürgen Bandura

 


 

Trainer
  • Helmut Kronsbein
Trainer

 

 

Keine Frage des Systems

Elek Schwartz lässt seiner Ankündigung Taten folgen und baut seine Elf nach der Heimniederlage gegen Nürnberg erneut um. Erwin Stein, Dieter Stinka und auch Karl-Heinz Wirth, der Neuzugang aus Hamborn, kommen erstmals in dieser Saison zum Einsatz und Oskar Lotz, der zuletzt pausierte, rückt wieder ins Team. Hermann Höfer, Dieter Lindner, Wilhelm Huberts und Lothar Schämer sind dagegen dieses Mal nicht mit von der Partie.

Wie am letzten Wochenende hat es die Eintracht erneut mit einer Truppe zu tun, die sich gegen die Münchner Löwen gerade eine Packung abgeholt hat: Mit 0:5 sind die 96er bei den Sechzigern sang- und klanglos untergegangen. Die gute Stimmung, die nach den knappen Auftaktsiegen in Köln und gegen Bremen rund um den Maschsee herrschte, ist wie weggeblasen.

Die Defensive bereitet Trainer Helmut „Fiffi“ Kronsbein Sorgen. Dabei hätte in München gerade der Neuzugang Stefan Bena gegen seinen alten Verein für Stabilität Sorgen sollen. Das gelang ihm aber nicht. Sein Gegenspieler Konietzka schoss drei Tore … Vielleicht war Benas miserable Vorstellung der fehlenden Spielpraxis geschuldet, denn der jugoslawische Nationalspieler kam in der letzten Saison nur auf 9 Punktspiele für den TSV 1860. Dies war neben sportlichen Gründen ebenso der Tatsache geschuldet, dass Bena sich am 17. Spieltag beim 1:4 im Waldstadion einen Platzverweis einhandelte, als er hinter Huberts solange hertrat, bis es dem Unparteiischen zu viel wurde. Danach absolvierte Bena nur noch drei Einsätze zum Ende der Runde, wobei ihm bei seiner Rückkehr zu allem Überfluss per Eigentor der Siegtreffer für Weder Bremen unterlief. Die Münchner gaben Bena allerdings auch deswegen ab, weil sie nach ihm und Petar Radenkovic mit Željko Perušic für diese Saison einen weiteren Jugoslawen verpflichteten, aber nur zwei Ausländer gestattet sind.

Kopfzerbrechen bereitet Kronsbein zudem der Angriff um Torjäger Walter Rodekamp, der nach seinen drei Länderspieleinsätzen im Mai und Juni nicht in Form kommen will. Vielleicht nagt es an ihm, dass er sich trotz des Siegtores in der Schweiz nicht als Ersatz für den noch nicht in Schöns Elf zurückgekehrten Uwe Seeler hat empfehlen können. Kronsbein reagiert, in dem er die Angriffsformation ändert. Linksaußen Bandura wechselt auf die rechte Seite, während Hans Siemensmeyer Banduras angestammte Position einnimmt. Der torgefährliche Neuzugang, der in der Regionalliga West für Rot-Weiß Oberhausen in 66 Einsätzen immerhin 22 Tore erzielt hat, kommt damit zu seinem Bundesligadebüt.

Außerdem beordert Kronsbein Mühlhausen, der in der vergangenen Spielzeit mit 7 Toren in 19 Ligaspielen mit zum 5. Platz beigetragen hat, auf Halbrechts. Drei jener sieben Treffer gelangen dem Mann, der vor einem Jahr aus Gladbach nach Hannover wechselte, Mitte April beim 4:0 gegen den 1. FC Kaiserlautern. Vierzehn Tage später erregte Mühlhausen dann erneut die Aufmerksamkeit, doch dieses Mal ganz anders: Er sorgte für den ersten Platzverweis eines 96ers in der Bundesliga. Nach einem Foul von Neunkirchens Glod hatte er dem Übeltäter einen Schlag in die Magengrube verpasst. Heute ist Mühlhausen erstmals nach seiner Sperre wieder dabei.

Und eingedenk der deftigen Niederlage in München spielen die Hannoveraner erstaunlich selbstbewusst. Ihre Attacken auf das Frankfurter Tor tragen sie schnell und druckvoll vor. Die ganze Elf zeigt sich gegenüber dem letzten Spiel stark verbessert. Bena, der beim 1:5 so krass versagte, hat sogar einige brillante Szenen, wobei seinem Trainer nicht die Schwächen im Zweikampf entgehen. Überragt werden er und seine Kameraden allerdings von Udo Nix und dem Bundesligadebütanten Hans Siemensmeyer.

Eine halbe Stunde lang gelingt es aber den überaus defensiv ausgerichteten Gästen, bei denen Lechner und Stinka die Zweierreihe im 4-2-4-System übernehmen, die Begegnung recht ausgeglichen zu gestalten. Mit fortschreitender Zeit reißen die Niedersachsen im Mittelfeld jedoch das Ruder an sich, während sich die Frankfurter immer weiter zurückziehen. Deren Vorhaben, das torlose Unentschieden zumindest in die Halbzeitpause hinüber zu retten, misslingt auf ganzer Linie.

Es ist Debütant Siemensmeyer, der in der 30. Minute nach einer Steilvorlage Karl-Heinz Mühlhausens zuerst an Kunter scheitert, doch den Nachschuss in die Maschen setzt. Und schon zwei Minuten später bereitet eine Fehlentscheidung des sonst guten Schiedsrichters Horst Mathieu fast das 2:0 vor. Rodekamps Schuss springt ohne das Zutun von Friedel Lutz an die Hand des Frankfurters, doch Mathieu entscheidet dennoch auf Strafstoß. Laszig, ein sicherer Elfmeterschütze, scheitert jedoch mit seinem Versuch, da Kunter den halbhohen Schuss bravourös aus der linken Ecke fischt.

In der 35. Minute ist dann aber auch der große Rückhalt der Eintracht zum zweiten Mal geschlagen. Mühlhausens Flachschuss kann Kunter noch parieren, doch den Abpraller des folgenden Pfostenschusses von Nix oder Bandura, verwandelt Rodekamp. Es bleibt dabei: Gegen die Eintracht trifft der Stürmer immer. Wie in den beiden Partien der letzten Saison, gelingt ihm auch dieses Mal ein Tor gegen die Frankfurter, die sich langsam aber sicher die Hoffnung, heute den ersten Bundesligasieg gegen die Niedersachsen erzielen zu können, abschminken können.

Zu wenig bieten die Schwartz-Schützlinge auch in dieser Begegnung an. Jürgen Grabowski ist erneut von dieser Kritik auszunehmen und Erwin Stein, der älteste Akteur der Hessen, ist das Bemühen ebenfalls nicht abzusprechen. Seine Schüsse aus der Distanz bleiben aber erfolglos. Der Anschlusstreffer kommt insofern überraschend, aber auch nach dem besten Spielzug der Gäste. Über Lotz und Stein kommt der Ball zu Lechner, der die Kombination mit Grabowski auf engstem Raum fortsetzt. Lechners Vorlage lenkt Grabowski im Fünfmeterraum zum 2:1 ein.

„Der Schock von München sitzt meinen Jungs nicht mehr in den Knochen“, kann Hannovers Trainer Kronsbein dennoch in der Halbzeitpause feststellen: „Sogar der Gegentreffer wäre vermeidbar gewesen.“ „Zapf“ Gebhardt, einst als Außenläufer Nürnberger Mittelfeldstratege und jetzt Trainer in Bielefeld, ereifert sich derweil an der defensiven Ausrichtung der Gäste: „Das ist ja kein 4-2-4-System mehr. Das ist ja schon Dreifach-Stopper.“

Ein bisschen geben die Frankfurter ihre Zurückhaltung zu Beginn des zweiten Durchgangs auf, doch ihre Attacken auf das Heiligtum der 96er sind leider nur von vorübergehender Natur. Lotz fühlt sich auf der Flügelposition sichtlich unwohl und Solz kann sich trotz aller technischen Fertigkeiten gegen den kompromisslosen Steinwedel nicht durchsetzen.

Die Vorentscheidung leitet Mülhausen in der 57. Minute ein, als der Enteilte im Strafraum von Landerers Grätsche von den Beinen geholt wird. Mit dem fälligen Strafstoß versucht sich Bandura, scheitert jedoch zuerst ebenfalls an Kunter. Gegen den Nachschuss Banduras ist der Frankfurter Schlussmann dann aber machtlos.

Kunter verhindert in der Folge mit weiteren Paraden Schlimmeres und treibt vor allem Rodekamp zur Verzweiflung, der längst sein Torkonto hätte aufstocken müssen. Aufseiten der Eintracht ist Steins Chance, bei der er in der 68. Minute die Oberkante der Latte trifft, das vorerst letzte offensive Lebenszeichnen. Lechner gehen die Kräfte aus und der angeschlagene Grabowski kann ebenfalls nicht mehr dagegen halten. Die 7:7 Ecken, die die Hessen herausholen, zeichnen ein falsches Bild der tatsächlichen Kräfteverhältnisse im Niedersachsenstadion.

Hinten schwimmt die Abwehr vor Kunter, weil Lutz und Blusch bedenklich wackeln und sich auch Debütant Wirth, der gut begonnen hat, der Konfusion in den eigenen Reihen nicht länger entziehen kann. Nix and Siemensmeyer sind die Organisatoren der Attacken, die mit schnellen Pässen in die Gassen die Frankfurter Defensive immer wieder auseinanderreißen. Mit dem 4:1, das Siemensmeyer vier Minuten vor dem Ende nach Banduras Zuspiel mit energischem Einsatz vorbereitet und von Mühlhausen erzielt wird, sind die Hessen noch gut bedient.

„Nur Kunter, Grabowski, Stein sind in Form, die anderen doch sehr, sehr schwach“, stellt Elek Schwartz seiner Elf dann auch ein schlechtes Zeugnis aus. „96 war besser“, räumt der ungarische Fußballtrainer zwar ein, die Treffer seien „aber Abstaubertore“ gewesen und „beide Elfer nicht berechtigt“. Trotz des klaren und nie gefährdeten Sieges ist auch Hannovers Trainer Helmut „Fiffi“ Kronsbein nicht überwältigt von der Leistung seiner Elf: „Berauschend war es nicht. Nur die erste halbe Stunde hatte Format“, knoddert er. „Aber ehrlich gesagt, ich hatte etwas Angst vor diesem Spiel, nach dem 1:5 in München“, gibt er zu. „Siemensmeyer hat in seinem ersten Bundesligaspiel gut gespielt. Rodekamp wird wieder kommen“, geht er kurz in die Einzelkritik, um dann dem Gegner zu bescheinigen: „Eintracht war ungewöhnlich schwach.“

So ungemütlich wie es für Kronsbein bei einer weiteren Niederlage hätte werden können, wird es angesichts der letzten Leistungen und Ergebnisse langsam für Schwartz in Frankfurt. Der neue Trainer sieht sich nach der dritten Niederlage hintereinander bereits nach dem 4. Spieltag in Erklärungsnot. „Es liegt nicht am System“, verteidigt er gegenüber den bohrenden Fragen der Journalisten seine Taktik: „Langsames Spiel und Fehlpässe führen bei jedem System ins Verderben.“

Sportjournalist Hans Jarke sieht das im „kicker“ so: „Die technische Begabung vieler Spieler ist unbestritten, was dieser Elf fehlt, das sind: Spielmacher, Kondition, auch Härte! Man sollte sie im Training in den Boxring schicken, um ihr Bundesligahärte zu geben. Noch ist das 4-2-4 ohne jede Achse!“

Epilog

Walter Rodekamp wird nie wieder in die Nationalmannschaft berufen. Ludwig Landerer hat in Hannover sein letztes Pflichtspiel für die Eintracht gemacht. Für Erwin Stein ist es das letzte Punktspiel für die Hessen. Nach einem Pokaleinsatz im Januar gegen den SV Alsenborn endet auch seine Pflichtspielkarriere für die Eintracht. Landerer wechselt nach der Saison zum FSV Frankfurt und Stein zum SV Darmstadt 98. (rs)


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