Bayern München - Eintracht
Frankfurt |
Bundesliga 1965/1966 - 2. Spieltag
2:0 (1:0)
Termin: Sa 21.08.1965, 16:00 Uhr
Zuschauer: 28.000
Schiedsrichter: Berthold Schmidt (Hermesdorf)
Tore: 1:0 Rainer Ohlhauser (23.), 2:0 Rudolf Nafziger (86.)
Bayern München | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Ein paar Ausfälle Nimmt man nur die Anzahl der Platzverweise, könnte man glauben, dass es beim Saisonauftakt der Bundesliga ungewöhnlich ruppig zugegangen sei. Drei Platzverweise stehen nach dem 1. Spieltag zu Buche. Doch Jansen, der Kapitän des Aufsteigers aus Mönchengladbach, wurde wegen wiederholten Handspiels des Feldes verwiesen und der HSV-Spieler „Charly“ Dörfel ließ sich gegen Frankfurts Friedel Lutz zu einem Revanchefoul hinreißen. Dass bei der Partie des anderen Neulings Bayern München gegen 1860 auch Stopper Dieter Danzberg nicht das Ende der Partie auf dem Rasen erlebte, weil ihm ebenfalls die Nerven durchgingen, hat sicher auch etwas mit den Besonderheiten zu tun, die solch ein Lokal-Derby ausmacht. Für „Pitter“ Danzberg, der zu Saisonbeginn von seinem Heimatverein MSV Duisburg zu den Bayern wechselte, begann die Begegnung zudem bereits unglücklich, nachdem ihm Konietzka bereits in der 1. Minuten k.o. geschossen hatte. Danach musste er benommen zusehen, wie der Neuzugang der „Löwen“ zum frühen Führungstreffer einschoss, der bereits den Sieg für die Sechziger bedeutete. Eben jenen ihm aus seiner Zeit im Westen gut bekannten Ex-Dortmunder Konietzka holte Danzberg dann vier Minuten vor dem Ende rüde von den Beinen, was ihm den Feldverweis anbrachte. Bundestrainer Helmut Schön hatte damit von dem „Bruderkrieg“ (Sport-Magazin) genug und verließ das Stadion: „Davon habe ich genug gesehen.” Auf ihren neuen Stopper müssen die Bayern also heute bei ihrer Bundesligaheimspielpremiere verzichten. Dabei hatte Trainer Cajkovski Danzberg nach zwei Wochen Probetraining von der Wedau an die Isar geholt, weil nicht alle bei den Bayern dem schmalbrüstigen Stopper, mit dem man den Aufstieg aus der Regionalliga geschafft hat, die harte Bundesliga zutrauen. Heute jedoch darf der hagere junge Mann, der in den Vorbereitungsspiele auf die Position des Außenläufers ausgewichen ist, wieder als Stopper ran, da Danzberg für acht Wochen gesperrt ist: Sein Name ist Franz Beckenbauer. Beckenbauer organisiert die Abwehr des Neulings überraschend sicher. Die Gäste vom Main können das Spiel in der Anfangsphase zwar ausgeglichen gestalten, doch gefährlich in den Strafraum der Bayern kommen sie nicht. Bei Lechners und Lindners Versuchen aus der Distanz muss Schlussmann Maier allerdings auf der Hut sein. Auch die Hintermannschaft der Frankfurter steht gut, so dass es auch auf der Gegenseite ebenfalls kaum zu erwähnenswerten Torraumszenen kommt. Dann aber schickt Dieter Koulmann nach einem Abwurf von Torwart Maier in der 23. Minute Rainer Ohlhauser. Der lässt bei seinem Solo Lutz stehen und umspielt zuguterletzt auch noch Keeper Kunter, bevor er aus spitzem Winkel ins lange Eck schießt. Der Torjäger der Bayern, der in den letzten vier Spielzeiten in der Oberliga Süd bzw. der Regionalliga Süd in 126 Punktspielen 122 Treffer erzielt hat, trifft also auch in der Bundesliga. Wer jetzt auf Frankfurter Antworten in Form von Attacken auf das Münchner Heiligtum erwartet, wird enttäuscht, denn den Hessen ist offenbar schon Mitte der ersten Halbzeit das Pulver nass geworden. Rückkehrer Istvan Sztani, aber auch Wilhelm Huberts fehlen entweder die rechte Lust an Kombinationen mit den Mitspielern oder die nötige Luft für das dafür notwendige Laufspiel. Die Sonne ist keine Erklärung dafür, denn diese ist zwar stechend, verschont aber keinen.
Jürgen Grabowski müht sich derweil gegen den starken Werner Olk nach Kräften, kann aber allein nichts ausrichten, zumal Peter Kupferschmidt Mittelstürmer Oskar Lotz an die Kette legt. Ohlhauser und Gerd Müller ergeht es allerdings gegen Ludwig Landerer und Lutz nicht anders. Nichtsdestotrotz: Der Eintracht fehlt ein Dirigent im Mittelfeld, der die losen Fäden ihres Spiels miteinander zu verbinden versteht, wie es Koulmann – besonders nach der Halbzeitpause – auf der Gegenseite gelingt. Der Vorsprung der Gastgeber ist knapp und doch nicht in Gefahr, denn die Frankfurter enttäuschen in der Offensive auch im zweiten Durchgang. Ohlhauser bietet sich nach einer knappen Stunde mit einem Schuss, die Chance auf 2:0 zu erhöhen, doch die Latte verhindert den Ausbau der Münchner Führung. Zehn Minuten vor dem Ende liegt das Leder dann zwar in Kunters Kasten, doch der affektierte und in seinen Entscheidungen oft kleinliche Unparteiische Berthold Schmidt verweigert dem Versuch Müllers wegen einer Abseitsstellung die Anerkennung. Ein „Heimschiedsrichter“ ist er zumindest nicht. Die Mannschaft, die das neue 4-2-4-System heute deutlich besser zu spielen versteht, gewinnt aber auch ohne fremde Hilfe dieses Spiel. Die Gäste müssen ihre Segel in der 86. Minute nämlich endgültig streichen, als Beckenbauer 20 Metern vor dem Tor Rudolf Nafziger einsetzt. Der hat sich zuvor wie Dieter Brenninger auf den Flügeln kaum durchsetzen können, zieht aber jetzt aus dem Stand ab und trifft unhaltbar vor Kunter ins linke Eck. „Das zweite Tor musste eher fallen“, ist Bayern-Trainer Cajkovskis einziger Kritikpunkt, während zwei Spieler sogar ein Sonderlob erhalten: „Koulmann war sehr fleißig und Maier sehr sicher.“ „Unsere Kondition ist hervorragend. Meine Mannschaft hat heute wunderbar gespielt. Jetzt haben wir den richtigen Bundesliga-Rhythmus gefunden“, strahlt Cajkovski und Eintracht-Präsident Gramlich stimmt missgelaunt zu: „An diesen Burschen können sich unsere alten Herren ein Beispiel nehmen. Die waren uns doch in allen Belangen überlegen.“ Cajkovski ist ebenfalls „von den Frankfurtern enttäuscht.“ „Wir hatten ein paar Ausfälle ...“, schimpft auch Eintracht-Trainer Elek Schwartz und bemängelt die fehlende Disziplin: „Meine Leute haben zu sehr auf eigene Rechnung gespielt und damit gegen die Order verstoßen!“ „Wir müssen noch viel trainieren“, erkennt Schwartz, der gesehen hat: „Das 4-2-4 klappte nicht.“ Einen Grund dafür nennt er auch: „Keine Spitzen.“ Dem überlegenen Gegner zollt er aber auch das verdiente Lob: „Bayern war eine Klasse besser als HSV!“
Dieter Danzberg sitzt nach dem Ablauf seiner Sperre auf der Bank. An Franz Beckenbauer kommt er nicht mehr vorbei. Lediglich am letzten Spieltag der Saison 1965/66 läuft er noch einmal für die Bayern in der Bundesliga auf. Sein Fußgelenk, dass er sich in seiner ersten Bundesligasaison 1963/64 verletzt hat und das zu diesem Zeitpunkt bereits dreimal operiert wurde, schmerzt nach jedem Training. Er wechselt im Sommer 1966 in die Regionalliga West zu Rot-Weiß Oberhausen, wo er drei Spielzeiten verbringt, bevor er nach der Saison 1969/70 und mittlerweile fünf Operationen am lädierten Fußgelenk beim Freiburger FC die Quälerei und seine Karriere beendet. Seit 2009 leidet Dieter Danzberg, der auf der MSV-Geschäftsstelle noch lange Zeit zwei Mal wöchentlich die Fanarbeit übernahm, an Alzheimer. 2012 zieht er ins Altenzentrum Maria Lindenhof in Dorsten, wo er sich mit seiner Ehefrau Erika, die unter beginnender Demenz leidet, ein Doppelzimmer teilt. „Mein Vater ist eigentlich ganz pflegeleicht“, berichtet seine Tochter, doch: „Drei Minuten nach dem Mittagessen weiß er nicht mehr, dass er gegessen hat.“ Bernard „Ennatz“ Dietz, selbst eine Legende des MSV, besucht Danzberg regelmäßig: „Wenn man einen Menschen so lange kennt, ist es besonders traurig, ihn jetzt so zu sehen.“ (rs)
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