Eintracht Frankfurt - Hamburger
SV |
Bundesliga 1965/1966 - 1. Spieltag
2:0 (1:0)
Termin: Sa 14.08.1965, 16:00 Uhr
Zuschauer: 52.000
Schiedsrichter: Günther Baumgärtl (Hagen)
Tore: 1:0 Georg Lechner (25.) , 2:0 Wilhelm Huberts (57.)
Eintracht Frankfurt | Hamburger SV |
|
|
Trainer | Trainer
|
Die Marschroute stimmt Nach einem dritten Rang in der ersten Bundesligasaison entspricht die Platzierung am Ende der zweiten nicht dem Selbstverständnis des Deutschen Meisters 1959. Der 8. Platz am Ende der Saison 1964/65 stellt am Riederwald niemand zufrieden. Es ist Zeit für einen Neuanfang, obwohl die Bundesliga gerade zwei Lenze zählt. Und wo könnte man besser beginnen, als beim Glied, das in der Kette als schwächstes gilt? Ein neuer Trainer muss her. Ivica Horvat hat seine Schuldigkeit getan und ganz nach dem Gusto der Frankfurter wird beim neuen Mann nicht gekleckert, sondern geklotzt. Mit Elek Schwartz hat die Eintracht nicht weniger als einen Trainer der europäischen Spitzenklasse verpflichtet. Noch in diesem Sommer stand er mit Benfica Lissabon im Wettbewerb der Landesmeister, bot dort dem ehemaligen Seriensieger Real Madrid Paroli und unterlag erst im Finale knapp gegen das von Helenio Herrera trainierte Inter Mailand, dem Meister des Catenaccio. Der 56jährige Schwartz hat mit dem Verteidigungsfußball des Argentiniers Herreras nichts am Hut und darf sich trotz seines Alters als moderner Trainer sehen. 4-2-4 lautet das System, das Schwartz in die Bundesliga mitbringt und bei der Eintracht einführt. Das System ist in der Bundesliga nicht unbekannt, doch dauerhaft umgesetzt wurde es bislang von keiner Mannschaft. Es mag kurios anmuten, dass ein ehemaliger Verteidiger als Trainer eine offensive taktische Variante favorisiert, doch der Ungar, der für Timisoara, US Cannes, Racing Straßburg und Red Star Paris selbst die Kickstiefel schnürte, bevor er als Trainer für US Cannes, AS Monaco, Meidericher SV, Rot-Weiß Essen, der holländischen Nationalmannschaft, Racing Straßburg und eben Benfica Lissabon tätig war, weiß genau, was er tut. Bei der Eintracht glaubt er die richtigen Spieler für sein System gefunden zu haben, um die hohen Erwartungen in der Mainmetropole erfüllen zu können. Hans-Walter Eigenbrodt und Alfred Horn (beide Sportinvalide), Willi Herbert (SV Alsenborn), Josef Weilbächer (Kickers Offenbach) und Hans-Georg Tutschek (Wacker Innsbruck) stehen nicht mehr zur Verfügung, doch dafür hat die Eintracht eine Reihe von neuen Spielern rekrutiert. Jürgen Grabowski (FV Biebrich 02), Peter Kunter (Freiburger FC), Oskar Lotz (Kickers Offenbach), Walter Bechtold, Manfred Mattes, Heiko Racky (alle eigener Nachwuchs) sowie Karl-Heinz Wirth (Sprf. Hamborn 07) sind zu den Riederwälder gestoßen bzw. aus der eigenen Jugend zu den Profis aufgerückt. Der namhafteste Neuzugang ist ein alter Bekannter, der in Frankfurt immer noch einen klangvollen Namen hat: Istvan Sztani! Das Mitglied der Meistermannschaft von 1959 kehrt aus Belgien an den Main zurück, nachdem er nach dem Titelgewinn zu Standard Lüttich gewechselt war. Vom international erfahrenen und in Frankfurt nach wie vor beliebten Sztani erhofft man sich viel. Im Umfeld und im Präsidium des Vereins ist man sich einig: Diese Saison wird eine erfolgreiche. Die Fans sind in Aufbruchstimmung und wohin soll man als Eintrachtfan schon aufbrechen, wenn nicht ins Waldstadion? 52.000 Zuschauer haben sich auf den Weg gemacht und wollen die Eintracht siegen sehen. Na ja, auf jeden Fall der allergrößte Teil der 52.000. Es ist die erste Aufgabe des neuen Trainers der Eintracht ihre Heimschwäche auszutreiben. Keine leichte Aufgabe, denn auch die Sonne will sich diese Partie offensichtlich nicht entgehen lassen und heizt nicht nur den Spielern ordentlich ein – es ist brütend heiß. Ob es an der hanseatischen Kühle liegt, die man den norddeutschen Gästen nachsagt? Jedenfalls scheint es so, als käme die Elf der Eintracht mit den Temperaturen deutlich besser zurecht als die Männer von der Waterkant. Die Eintracht dürfte heilfroh darüber sein, dass der HSV nicht so stark agiert, wie in den bisherigen Aufeinandertreffen. In den ersten vier Bundesligaspielen gab es zwei Niederlagen und nur einen Sieg der Eintracht, der mit 2:1 im Februar dieses Jahres auch noch denkbar knapp ausfiel. Möglicherweise liegt der schwache Auftritt des Deutschen Meisters von 1960 nicht nur an der Hitze, sondern auch am Fehlen des Mannschaftskapitäns Uwe Seeler, der sich bei hier bei jener 1:2-Niederlage einen Achillessehnenriss zugezogen hatte. Am Anfang war sogar ein Karriereende für den sympathischen und auch in Frankfurt äußerst beliebten Sturmführer der deutschen Nationalmannschaft befürchtet worden. Mittlerweile ist sicher, dass „Uns Uwe“ auf den Rasen zurückkehren wird. Am nächsten Spieltag wird es soweit sein, was alle Fußballfans in Deutschland gleichermaßen freut. Vielleicht freuen sich die Anhänger der Eintracht sogar noch ein bisschen mehr, dass Uwe Seeler vor heimischem Publikum seine Rückkehr feiern wird: Gegen die Eintracht hat der Ausnahmestürmer in drei Bundesligaspielen vier Tore erzielt! Das erste Tor des Tages hätte um ein Haar Rückkehrer Sztani erzielt, doch er verpasst die Vorlage von Lechner. Eine große Chance, schön herausgearbeitet von Lechner, der in der letzten Saison von Schwaben Augsburg zur Eintracht gekommen ist. Kurz nach dieser verpassten Gelegenheit eröffnet sich Sztani die nächste Gelegenheit seine Heimkehr mit einem Tor zu feiern. Sztani nutzt seine Chance diesmal, doch Schiedsrichter Baumgärtl legt seit Veto ein: Abseits. Die Eintracht ist ungeachtet des fehlenden Torerfolges dem Gegner deutlich überlegen. Schon wieder brennt es im Strafraum des HSV lichterloh, als Lindners Geschoss auf Schnoors Tor zurast, doch Kurbjuhn kann auf der Torlinie das torlose Unentschieden vorerst retten. Schnoor bedankt sich für die Hilfestellung, in dem er bei Lechners Fernschüssen auf der Hut ist. Georg Lechner, dem beim bisher einzigen Bundesligasieg gegen den HSV der Siegtreffer gelang, spielt eine vortreffliche Partie und ist neben dem Neuling Jürgen Grabowski vielleicht die auffälligste Figur auf dem Platz. Dass die längst überfällige Frankfurter Führung durch Lechner erzielt wird, ist wohl als folgerichtig zu bezeichnen. Lutz schlägt in der 25. Minute einen Pass über 40 Meter auf Hu¬berts, der mit dem Ball zwanzig Schritte läuft und dann zu Lechner spielt. Der steht an der Strafraumgrenze mit dem Rücken zum HSV-Tor, hebt den Ball hoch, zieht ihn über Bähre und Schulz und schießt flach in die lange Ecke. Ein sehenswerter Treffer des torgefährlichen Lechner, der bereits in der letzten Saison in nur 17 Ligaspielen 8 Tore erzielt hat. Wilhelm Huberts traf dagegen in 27 Spielen nur 9 Mal, was für den Stürmer, der in seinem ersten Bundesligajahr noch 19 Tore in 29 Partien erzielt hatte, eine etwas dürftige Ausbeute war. Das ist jedoch wohl nicht der Grund, warum Elek Schwartz dem Österreicher eine neue Rolle zugewiesen hat. Der ehemalige Sturmführer der Eintracht rückt im 4-2-4-System hinter die Spitzen, seiner Torgefährlichkeit scheint das aber keinen Abbruch zu tun. Insgesamt weiß aber die gesamte Mannschaft im Gegensatz zur Vorsaison bereits beim ersten Heimauftritt voll zu überzeugen. Ob sich hier tatsächlich schon die Handschrift von Elek Schwartz bemerkbar macht? Für ein solches Urteil ist es noch zu früh, aber auch in der zweiten Hälfte funktioniert das neue Spielsystem ausgesprochen gut, fast so, als habe nicht Schwartz der Eintracht ein neues System beigebracht, sondern die Elf nur auf das Signal gewartet, endlich so spielen zu dürfen, wie es ihr behagt.
Grabowski ist als Außenstürmer mit seinen Dribblings ein ständiger Unruheherd in der gegnerischen Verteidigung, während Lechner und Lindner eine bewegliche und laufstarke Mittelfeldachse bilden, die unaufhörlich Druck in Richtung der HSV-Deckung entwickelt. Den Hanseaten gelingt es einfach nicht, die Verteidiger und Mittelfeldspieler, die immer wieder bis in ihren Strafraum vordringen, genau zu markieren und entscheidend zu stören. Bernd Dörfel und Manfred Pohlschmidt kommen aufseiten der Gäste auf zu dem einen oder anderen brauchbaren Ansatz, jedoch nicht darüber hinaus. Gert „Charly“ Dörfel ist leicht angeschlagen und Willi Schulz macht eine Verletzung am Lendenwirbel arg zu schaffen. Schulz wechselt in den Sturm, um vielleicht dort noch von Nutzen sein zu können. Doch das ist nicht der letzte Schlag für den HSV an diesem Nachmittag. In der 57. Minute erläuft Lindner auf Linksaußen einen langen Pass, kurvt in Richtung Tor, umspielt Horst und gibt von der Torlinie zurück zu Huberts. Aus der Drehung schießt der mit dem linken Fuß halbhoch in die rechte Ecke und es steht 2:0. Ist es der Rückstand, ist es die Hitze oder ist es der Einsatz von Blusch, der Charly Dörfel den Gaul durchgehen lässt? Was es auch immer ist, sein Nachschlagen gegen den harten Blusch nach einem Pressschlag hat der Schiedsrichter natürlich registriert. Nach dem Platzverweis in der 62. Minute kann sich der Hitzkopf unter der Dusche ein wenig abkühlen. Die Hoffnung seiner Elf, hier heute noch einmal etwas bewegen zu können, geht nun natürlich gegen Null, obwohl die Frankfurter kräftemäßig abbauen.
Den Gästen will es nicht einmal gelingen, ihre beste Chance an diesem Tag im Tor von Kunter unterzubringen. Der Frankfurter Keeper ist geschlagen, Lindner ausgeschaltet am Boden, doch Pohlschmidt gelingt es bäuchlings kurz vor der Torlinie nicht, den Ball mit dem Kopf in Kunters Kasten zu befördern. Das Leder geht an den Pfosten … Den Hamburgern gelingt in der zweiten Hälfte kaum noch etwas, sie spielen kraftlos und durch Schulz’ Handicap praktisch zu neunt. Die Eintracht jedoch lässt die Arbeit nach dem 2:0 ruhen, ohne sie komplett einzustellen. Bis zum Schlusspfiff kann den Zuschauern, denen von der Hitze wahrscheinlich ähnlich dämmrig wird wie den Akteuren, als Abwechslung nur noch ein kühles Getränk oder die erfrischenden Dribblings des Eintracht-Rechtsaußen Grabowski dienen. Grabowskis Gegenspieler Kurbjuhn muss im Gegensatz zum dahindämmernden Spiel hellwach bleiben und ist sicher froh, als der Unparteiische abpfeift. Froh ist auch der neue Eintracht-Trainer: „Ich bin für den Saisonanfang und bei dieser Hitze zufrieden. Ich weiß, dass viele wegen des neuen Systems Angst hatten. Aber das 4-2-4 ist doch nur eine Basis, auf der wir aufbauen“, beruhigt Schwartz die Kritiker und stellt fest: „Die Marschroute stimmte.“ „Eine Stunde lang lief das Spiel hervorragend“, findet er. Auch Dettmar Cramer, dem Assistenten von Bundestrainer Helmut Schön ist natürlich nicht entgangen, dass die Gastgeber nach dem zweiten Tor mehr als nur einen Gang zurückgeschaltet haben, die Zeit davor lobt er jedoch ausdrücklich: „Zuvor waren die Frankfurter brillant, in der Art, wie die Angriffe vorrollten.“ „Natürlich gewann die Eintracht verdient“, erkennt Gästetrainer Gawliczek den Erfolg des Gegners an, um dann die eigenen Worte in das richtige Verhältnis zu setzen: „Gerade so um knapp zwei Tore.“ Recht so, schließlich sind wir in Hessen und da ist nicht geschimpft immer noch genug gelobt! Auf seine eigene Mannschaft ist Gawliczek jedoch nicht allzu gut zu sprechen. „Kein Funken Spielfreude“ ist sein knappes und hartes Urteil. Elek Schwartz dagegen fällt es natürlich leicht als Sieger den unterlegenen Gegner zu loben: „Der HSV ist eine gute Mannschaft im englischen Profistil. Sie war um hundert Prozent besser als beim Freundschaftsspiel in Offenbach.“ „Ich bin von der gesamten Mannschaft, auch der Abwehr, nach dem 4:1 gegen die Ungarn enttäuscht“, lässt sich Gawliczek nicht beschwichtigen und kündigt an: „Gerd Dörfels Platzverweis hat ein disziplinarisches Nachspiel.“ (rs)
|