Eintracht Frankfurt - 1. FC
Köln |
Bundesliga 1964/1965 - 8. Spieltag
1:4 (0:1)
Termin: Sa 17.10.1964 15:15
Zuschauer: 27.000
Schiedsrichter: Gerhard Schulenburg (Hamburg)
Tore: 0:1 Christian Müller (45.), 1:1 Wolfgang Solz (50.), 1:2 Christian Müller (60.), 1:3 Karl-Heinz Thielen (83.), 1:4 Christian Müller (85.)
Eintracht Frankfurt |
1. FC Köln |
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Trainer | Trainer
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Moderner Fußball Am 8. Spieltag der Ligasaison 1964/65 ist der 1. FC Köln zu Gast im Frankfurter Waldstadion. Rückblickend hätte man der Eintracht diesen Gegner eher zum Rundenauftakt gewünscht, als der amtierende Meister Probleme hatte und mit zwei Niederlagen in den ersten beiden Punktspielen negativ überraschte. Und auch im Europapokal der Landesmeister taten sich die „Geißböcke“ in der 1. Runde gegen den albanischen Titelträger Partizan Tirana schwer: Nach dem torlos gebliebenen Vergleich im Hinspiel mussten die 45.000 Zuschauer in Köln beim zweiten Aufeinandertreffen bis zur 76. Minute warten, ehe Hans Sturm den eigenen Anhang erstmals Grund zum Jubeln gab. Endgültig erlöst wurden die Fans des 1. FC Köln jedoch erst in der Schlussminute, als Wolfgang Overath zum 2:0 traf. In der Liga dagegen läuft die Tormaschine seit dem 3. Spieltag wie geschmiert. Vier der letzten fünf Spiele haben die Kölner gewonnen, keines verloren und dabei nie weniger als drei Treffer erzielt: 19:9 Tore und 9:1 Punkte lautet dabei die beeindruckende Bilanz. Davon gehen allein neun Treffer auf das Konto von Christian Müller, der am letzten Wochenende beim 5:1 gegen Eintracht Braunschweig vier Mal erfolgreich war. In der vergangenen Saison erzielte Müller im Waldstadion zwar ebenfalls einen Treffer, doch die schwach gestartete Eintracht brachte dem damaligen Spitzenreiter an jenem 7. Spieltag dennoch die erste Saisonniederlage bei. 41.000 wollten da dieses Duell sehen, heute sind es nur noch 27.000, wobei nicht nur das unfreundliche Wetter eine Rolle spielen mag. Aus den ersten drei Heimspielen holten die Hessen schließlich nur einen Zähler, der zudem gegen das aktuelle Schlusslicht Schalke heraussprang. Und das 0:7-Debakel im Waldstadion gegen die sicher nur um den Klassenerhalt kämpfenden KSC schmerzte den Frankfurter Anhang besonders. Im Messepokal ist man zudem in der 1. Runde nach einem 1:5 beim FC Kilmarnock ausgeschieden und hat am letzten Wochenende in der Bundesliga beim ersatzgeschwächten HSV nun noch die erste Auswärtsniederlage dieser Punktrunde kassiert. Zum heutigen Spiel treten die beiden Mannschaften fast unverändert an, auf Frankfurter Seite wird in der Abwehr lediglich Höfer durch Blusch ersetzt. Somit erhält bei den Kölnern der brasilianische Neuzugang José Gilson Rodriguez, genannt Zézé, erneut keine weitere Bewährungschance. Bislang ist der von Vereinspräsident Kremer auf einer eigenen Pressekonferenz im Geißbockheim als „ein sensationeller Transfer“ angekündigte Brasilianer von Trainer Georg Knöpfle lediglich am 1. Spieltag eingesetzt worden. Das schmerzt den Klub, denn auf dem Spieler lasten nicht nur hohe Erwartungen, sondern gleichsam eine Ablöse von 150.000 DM, die Zézé die Kölner gekostet hat. Die machen jedoch auch ohne den Brasilianer eine gute Figur und das Spiel. Über Overath, Sturm und Wolfgang Weber laufen die Kombinationen, die von Hans Schäfer – weniger mit Pässen als mit Handzeichen und Zurufen – dirigiert werden. Solch ein Regisseur fehlt den Hessen, obwohl Huberts, der dieses Format hat, in ihren Reihen steht. Doch der Österreicher ist heute bereits mit der Aufgabe, Overath nicht zu sehr zum Zuge kommen zu lassen, überfordert. Und da mit Solz der andere Halbstürmer ebenfalls keinen guten Tag erwischt hat, können die Gastgeber der Spielkunst der Gäste nur Kampf entgegensetzen. Das tun sie in der ersten Halbzeit nach Kräften, wobei es dem Spiel der Eintracht an Präzision fehlt. Dennoch haben Jürgen Rumor und Anton Regh gegen die meist mit langen Bällen operierenden Hessen einige Not und benötigen immer wieder die Unterstützung ihrer Außenläufer, während Leo Wilden sich im Zentrum gegen den als einzigen immer anspielbaren und flinken Stein oft nur mit Härte zu helfen weiß. Glück für die Kölner, dass Steins Pässe oft ihren Adressaten nicht finden und ihm das Schussglück fehlt.
Wie des aktiven Rechtsaußen Trimholds Versuch, der an die Latte prallt, trifft Steins bestes Geschoss ebenfalls nur das Gebälk. Da Kölns Stopper Wilden dabei in Torwartmanier beide Arme zur Abwehr ausgestreckt hat, vermutet der Frankfurter Anhang ein Handspiel und quittiert die ausbleibende Elfmeterentscheidung von Schiedsrichter Schulenburg mit einem Pfeifkonzert, das die nächsten Minuten jede Aktion des Unparteiischen begleitet. Der macht zwar insgesamt einen unsicheren Eindruck, lag mit seiner Einschätzung in der fraglichen Szene gleichwohl eher richtig als falsch. Die restlichen Gelegenheiten der Eintracht macht Kölns Schlussmann Anton „Toni“ Schumacher zunichte. Auch einen Prachtschuss Schämers pariert er glänzend. Wie Toreschießen geht, zeigt auf der Gegenseite der Schütze der Stunde Sekunden vor dem Halbzeitpfiff: Müller lässt sich von Weber und Lutz nicht aufhalten und schießt das Leder mit dem linken Fuß ins rechte Eck. Loy ist machtlos. Die Eintracht aber scheint zu Beginn der zweiten Halbzeit, ihre starke Viertelstunde vor der Pause trotz des Rückstandes fortsetzen zu wollen. Und die Gäste leisten in Person von Wilden bereits nach fünf Minuten willkommene Unterstützung: Bei einer Flanke von Stinka behindert der Kölner bei seinem Abwehrversuch seinen Torhüter so, dass dieser danebengreift und Solz den Ball mühelos im leeren Kasten unterbringen kann.
Das Publikum macht sich jetzt auf einen Frankfurter Sturmlauf gefasst, doch der bleibt aus. Die Mannen von Trainer Ivica Horvat sind nicht in der Lage, eine weitere Schippe draufzulegen. Im Gegenteil: Die Kraft reicht nicht einmal aus, um das Tempo zu halten. Die Gäste haben dagegen keinerlei konditionelle Probleme und haben neben dem spielerischen Vorteil nun auch noch den kräftemäßigen auf ihrer Seite. Die Partie kippt endgültig, als der sonst überzeugende Torwart Loy einen Kopfball von Karl-Heinz Thielen aus den Händen rutschen lässt, der aufmerksame Müller reaktionsschnell zur Stelle ist und die Kugel über die Linie grätscht, während der hinter ihm stehende Stinka zum Zuschauen verurteilt ist. Nun ist es um die Eintracht geschehen. Die Spieler resignieren und lassen den Gegner gewähren, den sie allerdings bereits zuvor nicht genau markiert haben. Selbst im Zentrum hat Weber, der Kapitän Höfer ersetzt, Thielen zu viel Raum gelassen. Und Lutz konnte trotz seiner Schnelligkeit nie mit Müller Schritt halten, der ihm nach geschickten Doppelpässen mit Schäfer im Laufduell immer wieder das Nachsehen gibt. Allein Blusch kauft mit seiner Härte Heinz Hornig den Schneid ab. Dem Schlussmann der Hessen ist es zu verdanken, dass die Gäste nicht rasch zum dritten und vierten Treffer kommen. Loys Paraden verhindern, dass die Niederlage Ausmaße annimmt, wie beim 0:7-Heimdebakel gegen den KSC vor einem Monat. Die Optik auf der Anzeigetafel bleibt daher einstweilen erträglich, während die auf dem Spielfeld für den Frankfurter Anhang immer schwerer zu ertragen ist. Während die Außenläufer Lindner und Stinka nur ein Schatten besserer Tage sind, glänzt bei den Kölnern das Gespann Wolfgang Weber und Sturm. Und den Kombinationen des Kölner Dreigestirns Schäfer, Thielen und Müller können die Frankfurter nur noch ihren tapferen Torwart entgegenhalten. In der 83. Minute muss sich Loy aber dann doch zum dritten Mal geschlagen geben. Dieses Mal ist Müller der Vorbereiter und der ungedeckte Thielen der Vollstrecker. Unter dem sich ihm entgegen werfenden Schlussmann schiebt er den Ball in die Maschen. Und 120 Sekunden später klingelt es zum vierten Mal im Frankfurter Kasten, als Thielen und Müller wieder die Rollen tauschen und Müller auf Vorlage seines Kompagnons auf 1:4 erhöht. „Löwenanteil am Sieg hat unser Angriff. In ihm war Müller nicht der Beste, sondern der Vollstrecker. Ich glaube, dass man ihm endlich mal eine Chance in der Nationalmannschaft geben sollte“, macht sich der Kölner Präsident Kremer für seinen Torjäger stark, während Eintracht-Coach Horvat meint: „Der gefährlichste im Kölner Sturm war nicht Müller, sondern Overath, der ohne besonders gestört zu werden, die Fäden spann.“ Horvat wird mit seiner Kritik an der eigenen Elf noch deutlicher: „Meine Anweisungen, mit verstärkter Abwehr aus der Tiefe zu operieren, wurden nicht befolgt“, klagt er und bilanziert: „Das schwache Mittelfeldspiel war ausschlaggebend.“ Das sieht Eintracht-Präsident Rudi Gramlich gleichsam so: „Unsere Läuferreihe hat das Spiel verloren.“ „Daneben zeigte sich in der letzten halben Stunde wieder, wie schwach unsere Kondition zurzeit ist“, rügt Gramlich außerdem und fordert: „Hier müssen Konsequenzen gezogen werden.“ Für den Präsidenten steht fest, „dass für die Niederlage ganz allein die schwache Leistung in der zweiten Halbzeit entscheidend war". „Die Kölner haben einen modernen Fußball gespielt. Sie waren viel stärker als in der Vorsaison“, lobt Gramlich Mannschaft und Trainer des Deutschen Meisters. Bei dem freut sich Fußballlehrer Knöpfle: „Dass meine Mannschaft wieder voll da ist, hat man in der zweiten Halbzeit gesehen, als die Eintracht wahrscheinlich ihrem Anfangstempo zum Opfer gefallen ist. Ich glaube, dass wir auch in dieser Höhe verdient gewonnen haben und dass der Gegner mit diesem Ergebnis noch zufrieden sein kann.“ (rs)
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