SSV Reutlingen - Eintracht
Frankfurt |
Oberliga Süd 1962/1963 - 29. Spieltag
0:3 (0:1)
Termin: 20.04.1963
Zuschauer: 7.000
Schiedsrichter: Ommerborn (Saarbrücken)
Tore: 0:1 Erwin Stein (5.), 0:2 Jürgen Friedrich (58.), 0:3 Richard Kreß (88.)
SSV Reutlingen | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Immer wenn der Steilpaß kam Bert Merz war für den „Neuen Sport" in Reutlingen SSV Reutlingen — Eintracht Frankfurt 0:3 (0:1) Zehn Minuten lang nach dem Schlußpfiff scharten sich viele Frankfurter in Gruppen um die Autoradios in Reutlingen. Sie wußten nur, daß Bayern München verspielt hatte, daß es bei 1860—Club zur Pause 0:0 stand. Es dauerte lange, bis die Gewißheit kam, daß die Ungewißheit um den zweiten Platz bleibt. „Jetzt fehlt es noch, daß wir zum drittenmal am Torverhältnis scheitern", murmelte einer mit der Eintracht-Fahne. Im Nu erinnerten sich alle, daß vor zwei Jahren Borussia Dortmund wegen ein paar Toren vor der Eintracht ins deutsche Endspiel einzog, im Vorjahr der „Club" wegen der gleichen Geschichte Südmeister vor den Riederwäldern wurde und jetzt die Tore wieder für die Nürnberger zu sprechen scheinen. Vom Spiel mit Reutlingen sprach kaum noch einer. Wer auswärts 3:0 gewinnt, hat seine Pflicht getan. Die Pflicht des Reporters aber bleibt, zu sagen, daß der SSV Reutlingen (ohne Biesinger) am Samstag mit dem des Vorspiels am Riederwald nur noch den Namen und den Dreß gemeinsam hatte. Wenn das die Eintracht-Spieler vor dem Spiel geahnt hätten, wahrscheinlich wäre an Stelle des 3:0 ein 5:0 möglich gewesen. Zum hohen Sieg gegen einen nach der Pause immer kleiner werdenden Gegner hatten einige Eintrachtler nicht die nötigen Nerven. Daß es Leute waren, die ganz andere Auftritte als solche an der Reutlinger Kreuzeiche hinter sich haben, die auf internationalem Parkett schon glanzvoll bestanden, war das Erstaunlichste. Man spürte mit jedem Schritt, wie der wochenlange Kampf um die Siege Spuren hinterließ. Zum Glück gibt es auch noch Riederwälder mit kühlerem Innenleben. Sie konnte einfach nichts erschüttern, was die Reutlinger zur Zeit im Reservoir haben. Das galt für Höfer, galt für Kreß, für die noch weit unerfahreneren Weber und Friedrich und, mit Abstrichen, für Horn. Die meisten anderen wurden erst ruhiger, als sie sahen, wohin die Angriffe der Gegner steuerten. Lutz allerdings schien an diesem Nachmittag nie mehr das innere Gleichgewicht zurückzugewinnen, und Solz war selbst nicht mehr in die stete Aufwärtsentwicklung einzubauen, als der um zwei Köpfe größere und eine Schulterbreite stärkere Schießl sein Pulver verschossen hatte. Schießl trug in der ersten Hälfte mehr zur Beunruhigung in der Eintracht-Gegend bei als alle Stürmer des Gastgebers zusammen. Landerer hatte nur auf Sattler zu achten, der aber auch lieber Umwege zum Tor als die direkte Richtung wählte. In der direkten Richtung Eintracht-Tor stand irgendwo schon weit vor dem Strafraum Weber wie ein Punkt, der einfach nicht zu umsteuern war. Von seinem Gegner Kammal sah man nicht viel, von Horns Rivalen Kröner einige seltsame Kapriolen, die schrille Pfeifkonzerte der Zuschauer zur Folge hatten. Der von Wiesbaden und Kassel her bekannte Linksaußen Bertram wurde am meisten losgeschickt, weil drüben die Sache für Rechtsaußen Greesens gegen Höfer aussichtslos war. Obwohl fast eine Stunde zwischen dem ersten und dem zweiten Eintracht-Treffer lag, lag ein Ausgleichstor aus eigener Reutlinger Machtentfaltung so weit entfernt wie die Kreuzeiche von der Frankfurter Hauptwache. Hätten nicht die Frankfurter selbst die eine oder andere Beihilfe geleistet, die Reutlinger Vorstöße wären in Langeweile oder Unfähigkeit erstickt. Die Beihilfen hörten auf, als Friedrich in der 58. Minute in eine glanzvolle Steilvorlage von Richard Kreß lief und an Hoffmann vorbei in die Ecke zielte. Jetzt spielte die Eintracht annähernd wie die Eintracht an guten Tagen spielte, Reutlingen so, wie man es kaum kennt. Schon zum ersten. Treffer Steins öffnete eine Steilvorlage von Landerer zu Friedrich den Weg. Der Querpaß von Friedrich wurde von Stein ohne Zögern in die Torecke geschmettert. Immer, wenn der Steilpaß kam, zog Stärke und Schärfe ins Eintrachtspiel, immer, wenn der Steilpaß kam, stellte sich eine halbe Chance ein. Friedrich und Kreß duldeten auf ihrer Seite keinen überflüssigen Querpaß in der letzten halben Stunde mehr. Wenn Schämer mit einem Steilpaß loszog, rauchte es auch drüben links, wenn er in die kurzen Querpässe geriet, hatte Hämmerle oft genug den Fuß dazwischen. Das Tor zum Schluß, ein Schrägschuß des unermüdlichen Kreß, fiel nach einer Schämer-Ecke, die Ecke nach einem Sturmlauf von Schämer. Immer, wenn der Steilpaß kam, war die Eintracht ein Stück der alten großen Eintracht. (aus 'Der neue Sport' vom 22.04.1963)
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