Eintracht Frankfurt - TSG Ulm
1846 |
Oberliga Süd 1962/1963 - 28. Spieltag
2:1 (1:0)
Termin: 07.04.1963
Zuschauer: 20.000
Schiedsrichter: Jakobi (Heidelberg)
Tore: 1:0 Lothar Schämer (10.), 2:0 Alfred Horn (50., Elfmeter), 2:1 Beichter (63.)
Eintracht Frankfurt | TSG Ulm 1846 |
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Trainer | Trainer
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An Fahrian zerbrach Eintrachts Mut Herbert Windecker und Bert Merz berichten vom Riederwald Zweierlei, dreierlei verschiedene Eintrachtgesichter kursierten am Riederwald. Das erste Gesicht: Eine voller Uebermut dem Ulmer Tor entgegenbrausende, frische, selbstbewußte Truppe. Das zweite Gesicht: Eine sich im 2:0-Vorsprung sonnende Mannschaft. Das dritte Gesicht: Eine durch einen Gegentreffer aus dem Gleichgewicht geworfene, nervöse und fiebernde Mannschaft, bar allen Selbstvertrauens, weit entfernt von jenem Glanz zur Eröffnungszeit, der die Zuschauer jauchzen und jubeln ließ. Der Preis der Spiele ist zu hoch. Es geht um den zweiten Platz, um die Endrunde, um die deutsche Meisterschaft, um hohe Einnahmen. Die Kasse soll stimmen, und die Spieler wissen es, und sie sind deshalb so nervös. Ein Schock in der ersten Minute schien das Spiel zu einer Farce werden zu lassen. Die Ulmer verloren die Platzwahl, hatten deshalb Anstoß, verspielten den Ball schon im Mittelfeld, Horn-Paß zu Solz, Solz spielte auf langem Weg zu Friedrich, und der setzte sich in Marsch. Bevor er den Ball erreichte, warf sich Fahrian in die Richtung. Fahrian hielt auch den Ball, doch der Fuß des jungen Friedrich war schon herausgezuckt. Fahrian wand sich und wurde hinter das Tor getragen. Die Ulmer machten Friedrich Vorwürfe. Hoffmann, Ulms Halbrechter, zog den Pullover über. Doch die Aufregungen legten sich, das Spiel fing sich in normalen Geleisen. Nach fünf Minuten kam Fahrian zurück, am Kopf verpflastert, und 85 Minuten lang demonstrierte er, daß ihm kein ernster Schaden zugefügt worden war. Zweimal mußte er sich vergebens recken. Einmal in der 11., ein zweites Mal in der 50. Minute. In der 11. Minute schlug ihn Schämer mit einem Schuß, so satt, so scharf, daß selbst Fahrians Superparade nur als hübsche Dekoration zu einem wunderhübschen Tor gewertet werden konnte. Das zweite Tor fiel gleich nach der Pause, Produkt einer bewegten Szene, Folge einer Fahrian-Abwehr, als Engel in hoher Not den Ball mit der Hand aus dem Tor schlug. Horn pflanzte den Ball, nicht sonderlich scharf, aber genau, ins äußerste Eck. Fahrian kam zu spät. Mehr war dem tollkühnen Jungen aus Ulm nicht anzuhaben. Aber er hielt Bälle, die nicht zu halten waren, erregte das Publikum mit seinen fast einmaligen Reflexen, seinem verbesserten Stellungsspiel, seinen akkuraten Abschlägen. Erwin Stein schoß in der ersten Hälfte, wo es nur eine Chance zum Schießen gab. Fahrian steckte die .Bälle weg wie Nichtigkeiten. Schämer schoß hart, aus kurzer und langer Distanz — Fahrian hielt. Fahrian, Fahrian — er allein machte das Spiel sehenswert und fast zu einem Erlebnis. In der zweiten Halbzeit schoß die Eintracht seltener. Sie wartete auf die ganz großen Chancen, aber die kamen nicht. Das 2:1 blieb umsorgt bis zur letzten Minute, denn die Ulmer spielten so frech, wie nur ein Außenseiter spielen kann. Faltermeier, Günther und Burger, drei harte, wetterfeste Burschen, hin und wieder lenkte Hoffmann seine Schritte zurück, manchmal half Siebert oder betätigte sich als Schlepper. Stocker stiftete Unruhe, als habe er persönlich mit der Eintracht ein Hühnchen zu rupfen. Rundherum: eine Truppe, die schon was vom Handwerk verstand. Man nahm ihr nur übel, daß sie hin und wieder die Härte ein bißchen übertrieb. Sie hatte es gar nicht nötig. Die Eintracht: ein ganzes Stück von der Frühlingsform entfernt, zu quälend ihr Spiel, ohne Spritzigkeit, oft zu breit angelegt und zu leicht durchschaubar. Keiner fand die rechten Kontakte mit Erwin Stein. Solz orientierte sich entweder nach links oder rannte mit dem Ball durch die Wand, Friedrich denkt noch zu kleinlich, Kreß tat sich mit Günther, nachdem er ihn anfangs dreimal auf den Leim geführt hatte, viel schwerer als gedacht. Aber die Eintracht und ihr Anhang freuten sich über Landerer, den zweitbesten Mann auf dem Platz. Der Beste war Fahrian. Landerers Ruhe — unvergleichlich. Souverän auf dem Feld, sachlich, sicher, niemals unfair. Die Aehnlichkeit mit Horvat wird immer augenfälliger.
Mühe mit den Kleinen Von Fahrians Paraden, Steins Pech und dem Eintracht-Protest Mehr als zwei Eintracht-Tore fallen am Riederwald wohl nicht mehr. Beim sechsten Heimspiel (die Offenbacher Partie mit Hessen Kassel ausgeklammert) war es zum sechstenmal so. Zum viertenmal kam das 2:1, zum viertenmal die Angst vor dem 2:2. Es ist ein Spiel, das den Zuschauern und den Spielern an die Nerven geht. Man muß gewinnen, sonst hat man den letzten Wagen zur Endrunde verpaßt. Wenn dann noch so ein verbissen und, wie immer, wenig zimperlicher Gegner wie Ulm aufkreuzt, schleicht die Nervosität wie ein Gift umher. Die Kleinen machen eben die größte Mühe. Natürlich war dieser schwarze Panther Fahrian dran schuld, daß kein klarer Sieg heraussprang. Bei seinem ersten Auftritt am Riederwald war er der Star. So wie er reagierte kein zweiter Hüter am Riederwald. Ehe das erste Tor fiel, hatte die Eintracht gegen seinen Vertreter Hoffmann die große Chance zum 1:0. Zwei-, dreimal hielt er tolle Schüsse von Stein, bis Schämers wie vom Katapult zum 1:0 abschoß. Der hektische Auftakt dauerte nur 11 Minuten, die Härte aber zog sich über die ganze Partie hinweg. Daß Jakobi mit Langmut Ulmer Garstigkeiten duldete und zudem noch einiges falsch pfiff, trug zum Sturz des Spiels in die Mittelmäßigkeit bei. Der Eintracht-Sturm spielte wieder mit Friedrich. Aber der junge Mann blieb blasser als sonst. Die ganze Frische, die seit dem Nürnberger Spiel in die Riederwälder Auftritte gestreut war, bröckelte ab, weil man wieder beginnt, sich in Kleinigkeiten zu verlieren. Der linke Flügel klebte in seiner Ecke, was den haargenau deckenden Ulmern gelegen kam. Wann schießt Stein wieder einmal ein Tor, fragen sich die Frankfurter. Solche Schüsse, die er und Schämer aus dem Fußgelenk schleudern, sind bei fast jedem Oberliga-Torwart Treffer. Nicht aber bei Fahrian! Daß ein international versierter Mann, der aus der Schweiz kam, in der Pause meinte, ihm gefalle der Stil des Ulmer Hüters nicht, konnte niemand verstehen. Von dem jungen Mann schwärmten am Sonntagabend in Frankfurt nicht nur die Teenager. Nebenbei erfuhr man auch Neues vom Eintracht-Protest, der jetzt dem Vorstand des Süddeutschen Fußballverbandes vorliegt. Dort hätte er schon lange hingehört. Denn inzwischen wurde festgestellt, daß es sich um einen Verwaltungsakt handelt, der weder vom Rechtsausschuß noch von der Berufungsinstanz behandelt werden kann. Ob der Vorstand eine andere Auffassung über die Ansetzung des Eintracht—KSV-Spiels nach Offenbach hat, muß sich zeigen. Daß nach den Satzungen jede Verlegung vier Tage vor dem Spiel zu erfolgen hat, dürfte ebenfalls neue Momente ergeben. Das umstrittene Spiel wurde von Donnerstag auf Samstag umdisponiert. (aus 'Der neue Sport' vom 08.04.1963)
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