Eintracht Frankfurt - Hessen Kassel

Oberliga Süd 1962/1963 - 20. Spieltag

0:1 (0:0)

Termin: 26.01.1963 in Offenbach
Zuschauer: 10.000
Schiedsrichter: Fischer (Augsburg)
Tore: 0:1 Hans Alt (61.)

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt Hessen Kassel

 


  • Loweg
  • Vollmer
  • Kleim
  • Michel
  • Zatopek
  • Simon
  • Assmy
  • Velhorn
  • Jendrosch
  • Alt
  • Seißler

 

Trainer Trainer
  • Walter Müller

 

Hans Alt, der Mann mit Torriecher

Horst Kickhefel und Bert Merz berichten vom Eintracht-Spiel auf dem Bieberer Berg

Eintracht Frankfurt — KSV Hessen Kassel 0:1 (0:0)

Die Gesichter der Eintrachtspieler beim Gang in die Kabinen sagten alles. Während die Kasselaner von ihrem Anhang (ein Sonderzug war nach Offenbach gekommen) freudig umhalst wurden, gingen die Riederwälder an einem Spalier stummer und erstarrter Vereinsfunktionäre vorbei. Trainer Paul Osswald versuchte ein Lächeln auf sein verbissenes Gesicht zu zaubern, es gelang ihm nicht. Von den Spielern blickte kaum einer hoch, lediglich Solz winkte jemand zu. Das Bild sagte alles: es war mehr als eine Niederlage gewesen, das war schon eine Katastrophe.

Nicht die Tatsache, daß die Eintracht verlor, sondern die Art, in der sie dieses Spiel verlor, war beschämend. Eins sei hier klar herausgestellt: die Hessen gewannen ganz verdient. Sie spielten mit dem Ball, während man bei der Eintracht das Gefühl hatte, der Ball spiele mit den Spielern. Die Eintracht hätte dieses Treffen nur gewinnen können, wenn sie zwei Außenläufer wie Simon und Michel, zwei Halbstürmer wie Velhorn und Alt und zwei Außen wie Aßmy und Seißler besessen hätte.

Da besagte Spieler aber den Dreß des KSV Hessen trugen, gingen beide Punkte nach Kassel. Die Gäste wußten mit dem Ball und den Bodenverhältnissen etwas anzufangen. Sie spielten den Ball direkt und steil weiter, während bei der Eintracht jeder den Ball erst einmal 20 bis 30 Meter führen wollte und abspielte, wenn die Puste ausgegangen war. So häuften sich die Fehlpässe. Und wenn es jemand geben mag, der noch nicht wußte, was ein Erwin Stein für den Eintrachtsturm bedeutet — diesmal muß es ihm wie Schuppen von den Augen gefallen sein.

Das mehrfach wiederholte Experiment mit Mittelstürmer Schämer ging zum wiederholten Male schief. Einmal kann Schämer nur mit dem linken Fuß schießen, was übrigens Zatopek rasch spitz hatte, zweitens ist Schämer meilenweit von seiner einstigen Form entfernt. Aber wer, außer Loy und Landerer, besitzt bei der Eintracht noch die einstige Form?

Gewiß, die Eintracht drückte am Anfang ganz schön, auch wenn der erste gefährliche Schuß von Seißler, dem Lutz anfangs kaum etwas zutraute, abgefeuert wurde. Dieser Schuß war typisch für das ganze Spiel. Ein Querpaß setzte die gesamte Eintrachtabwehr schachmatt und der flinke Linksaußen aus Kassel hatte diesen Querpaß schon vorausgeahnt und war gestartet, ehe Lutz begriffen hatte, was sich da abspielen sollte.

Ohne Zweifel war Loweg der weitaus mehr Beschäftigte und sein weißbestäubter Trainingsanzug sprach davon, wie oft er nach dem Ball tauchen mußte. Die Eintracht kam zu einem halben Dutzend Eckbällen,, aber den Ball selbst brachte keiner an Loweg vorbei. Zatopek stellte sich immer besser auf Schämer ein, nur ein schwerer Schnitzer unterlief ihm — und Schäfer vergammelte diese einmalige Gelegenheit wie ein Anfänger. Solz traf nur das Außennetz. Loweg hechtete Lindner in die Schußbahn. Es blieb beim 0:0 bis zur Pause.

Und dann zeigte der KSV Hessen der Eintracht, was eine Harke ist. Die Außenläufer Simon und Michel gingen aus ihrer Zurückhaltung heraus. Alt wurde immer stärker zur Sturmspitze und die laufenden Positionswechsel hetzten die Eintrachtabwehr immer mehr auseinander. Was hatte man diesem Spiel entgegenzusetzen? Einen Umbau: Lindner wurde auf den linken Flügel verbannt; Solz rückte nach innen. Am Spielgeschehen, änderte sich nichts.

Zwei Fehlschläge Weilbächers hätten Alt fast zum Torschützen gemacht, doch Loy rettete großartig. Einen 20-Meter-Schuß Jendroschs fischte Loy aus der Torecke, auf der Gegenseite nahm Loweg Schämer an der Strafraumgrenze(!) die Butter vom Brot.

Und dann schlug es ein: Aßmy tätschelte unweit der Eckfahne liebevoll den Ball, Höfer war für einen Sekundenbruchteil nicht auf dem Posten. Prompt kam die Flanke und wie der Blitz startete Alt ihr entgegen und schob den Ball aus der Drehung ins Tor (0:1). Vier Minuten später hatte Schämer, die Chance seines Lebens, aus der Luft nahm er den Ball auf und drosch ihn hoch über das Tor. Noch einmal wurde umgebaut: Höfer ging in den Sturm, Eigenbrodt übernahm seinen Posten und Horn rückte in die Läuferreihe. So sehr auch Höfer ackerte, diesem Sturm waren keine Impulse mehr nützlich. Weilbächer schaffte — glücklos — bis zur völligen Erschöpfung. Selbst Landerer tauchte vorne auf, sein Schuß prallte von der Latte ab und Lindner verträumte den Nachschuß, zum Schluß grapschte Loweg Höfer und Weilbächer den Ball von den Füßen. Alt tauchte im eigenen Strafraum auf, aber die Gegenstöße des KSV Hessen blieben bis zum Schlußpfiff höchst gefährlich. Mit einer tollen Parade verwehrte Loy einem Freistoß Michels den Weg ins Tor. Es blieb beim 0:1. (aus 'Der neue Sport' vom 28.01.1963)

 

H. Hoffmann: Zur Spielverlegung Eintracht-Kassel nach Offenbach

Entscheidend ist Hansa Deckerts Aussage

FRANKFURT. — Der Fall ist einmalig im Süden. Ein Verein der Spitzengruppe in der 1. Liga, die Frankfurter Eintracht, mußte am vergangenen Samstag auf dem Platz der in der Tabelle dicht dahinter liegenden und naturgemäß heftig rivalisierenden Offenbacher Kickers ein „Heimspiel" gegen den SKV Hessen Kassel austragen. Gegen keinen ungefährlichen Gegner also. Er brachte dann auch das Kunststück fertig, die Eintracht mit dem gleichen 1:0 zu bezwingen wie 14 Tage zuvor den damaligen Tabellenführer aus Nürnberg. Aber der sensationelle Sieg gegen den 1. FCN wurde im Zabo errungen, der Erfolg gegen die Eintracht auf dem Bieberer Berg — das ist der Unterschied. Kein Wunder, daß die Eintracht sich benachteiligt fühlt; kein Wunder, daß Präsident Gramlich alle Schritte unternehmen will, um eine Korrektur zu erreichen.

Wie war der Gang der Dinge? Am Mittwochnachmittag rief Eintracht-Spielausschußvorsitzender Ernst Berger Hans Deckert in Schweinfurt an und teilte dem Spielleiter der 1. Liga Süd mit, daß der Eintrachtplatz nach wie vor unbespielbar und daher eine Absetzung des Samstagspiels gegen Hessen Kassel zu empfehlen sei. Bei der Entgegnung Deckerts nun gehen die Darstellungen beider Seiten auseinander. Während die Eintracht behauptet, Deckert habe in diesem Gespräch einer Absetzung zugestimmt, erklärt der Schweinfurter, er habe lediglich festgestellt, er müsse sich die Unterlagen der bisherigen Spielabsetzungen im Süden erst einmal genau ansehen und würde dann entsprechenden Bescheid geben.

Der Bescheid kam am Donnerstagvormittag durch SFV-Geschäftsführer Kronenbitter aus Stuttgart, der im Auftrage Deckerts erklärte: die Eintracht müsse auf einem neutralen Platz spielen, und der Verband werde feststellen lassen, welcher Platz in Frage komme. Als Rudi Gramlich dann am Nachmittag in Schweinfurt anrief, informierte ihn Deckert: „Es muß gespielt werden, weil bereits ein Heimspiel der Eintracht (gegen Fürth) ausgefallen ist. Da der FSV-Platz wie auch das Stadion ebenfalls unbespielbar ist, haben wir uns für den Bieberer Berg in Offenbach entschieden!" Darauf telegrafischer Protest der Eintracht und abermaliger Entscheid von Deckert: Es wird am Samstag in Offenbach gespielt — verhandelt wird später!

Es ist wahrscheinlich der erste Fall seit den Neuanfängen des süddeutschen Fußballs nach dem Kriege, daß ein Verein der 1. Liga gezwungen wurde, auf dem Platz eines Rivalen gegen einen dritten Verein anzutreten. 1945/46 mußte der 1. FC Nürnberg einige Monate in Fürth spielen — aber da war der Zabo noch zerstört und das Stadion von den Besatzungsmächten beschlagnahmt. Auch Hans Deckert kann sich an keinen anderen Fall erinnern. Aber sein Standpunkt ist: „Wir haben in den 16 Jahren, in denen ich für den Ablauf der Punktespiele der 1. Liga Süd verantwortlich bin, noch keinen Winter wie diesen gehabt, der uns derart in Terminschwierigkeiten bringt. Außergewöhnliche Umstände erfordern außergewöhnliche Maßnahmen!"

Und er fährt fort: „Wir haben praktisch noch drei Termine frei. Das ist zunächst einmal der 24. Februar und Ostern. Das sind die Termine für den Pokal — und die Eintracht ist noch im Pokal. Dazu kommt das Wochenende des 23./24. März mit dem Repräsentativspiel Nord—Süd. Wenn alle Stricke reißen, müssen wir sogar auf dieses Spiel noch verzichten!"

Gewiß, auch das sind Argumente, und es wird der Eintracht schwer fallen, gegen die Autorität des Spielleiters mit dessen Argumenten in einem Verfahren durchzukommen, das zunächst vom Spielausschuß selber (neben Deckert noch Knieriem-Offenbach und Wechlin-Südbaden) und in zweiter Instanz vom süddeutschen Rechtsausschuß unter Curt Müller (Stuttgart) entschieden wird.

Aber hart ist es für die Eintracht auf jeden Fall, als erster Verein (der dazu noch um seine Chance für den Einzug in die DFB-Endrunde kämpft) mit einem Heimspiel auf dem Platz eines Rivalen „bestraft" zu werden. Dagegen stechen Hans Deckerts Argumente nicht, daß ja auch vorher der VfR Mannheim sein Heimspiel gegen die Eintracht auf dem alten Platz an den Brauereien austragen mußte. Es ist nicht so sehr die rechtliche als vielmehr die moralische Seite des Falles, die für die Eintracht spricht. Und es wäre an der Zeit, daß der berühmte § 2 (Auslegung nach Deckert: „Neutral ist jeder Platz außer dem des Gegners") einmal revidiert wird. ('Sport-Magazin' vom 30.10.1963)

 

>> Spieldaten <<

 

 

© text, artwork & code by fg