Eintracht Frankfurt - 1. FC
Nürnberg |
Oberliga Süd 1962/1963 - 10. Spieltag
3:3 (1:2)
Termin: 28.10.1962
Zuschauer: 40.000
Schiedsrichter: Jakobi (Heidelberg)
Tore: 0:1 Albrecht (16.), 0:2 Albrecht (34.), 1:2 Lothar Schämer (39.), 2:2 Dieter Stinka (55.), 3:2 Alfred Horn (60. Elfmeter), 3:3 Strehl (75.)
Eintracht Frankfurt | 1. FC Nürnberg |
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Trainer | Trainer
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Solz ritt in den siebten Himmel Ludwig Dotzert berichtet aus dem Frankfurter Stadion Eintracht Frankfurt — 1. FC Nürnberg 3:3 (1:2) Es begann wie ein Spiel zur Beruhigung von Nervenkranken, und es endete wie ein unerträglicher Thriller, in dem sich die Ereignisse überkugeln. Von Anfang bis Ende aber blieben sich die Gegner ihrem Wesen treu. Die Eintracht erzielte ihre Effekte durch plötzliches Anspringen der Widerstände, durch Temperamentsausbrüche und dadurch, daß sie eine Reihe günstiger Zufälle heraufbeschwor. Die Nürnberger spulten ein ausgefeiltes Programm ab. Ihre Chancen reiften schon tief im Mittelfeld. Sie schienen bei jedem Angriff bereits in den Anfängen wenigstens eine ungefähre Vorstellung davon zu haben, wohin ihre Bemühungen führen würden. Für die Riederwälder begann an jeder Station ein neues Ratespiel. Daß die Eintracht nach einem 0:2-Rückstand beim Stande von 3:2 dem Sieg dennoch sehr nahe war, verdankte sie einem Mann, der an diesem Tag sein eigenes Idealbild verwirklichte: Wolfgang Solz. Wolfgang, der kurz zuvor in Stuttgart als neuer Linksaußen Sepp Herberger gefiel, ritt auf der Welle seines internationalen Erfolgs geradewegs in den siebten Himmel. Was er anpackte, gelang. Man hatte den Eindruck, daß er in diesem Spiel auch mit verbundenen Augen seinen Weg machen würde. Er war so brillant, daß jeder andere sich an seiner Stelle hin und wieder auf seinen Lorbeeren ausgeruht hätte. Aber Solz beschränkte sich keineswegs nur darauf zu glänzen; er scheute sich auch nicht, das Trikot schmutzig zu machen. Ein halbes Dutzend mal prophezeite man den Zusammenbruch seiner Kräfte; aber Wolfgang war einfach nicht totzukriegen. Wenn er an den Ball kam, dann barsten oft mehrere Nürnberger Abwehrzäune gleichzeitig. Aber Solz fand keine einzige zuverlässige Unterstützung. Richard Kreß — verschreckt von seinem Angstgegner Hilpert. Dieter Lindner — ohne Zacken, ohne Mut. Erwin Stein — ein Mann, der zu wenig dachte, dessen Bravour nur dann ausreichte, um ins blaue Linsenfeld hineinzuragen. Schämer — ratlos in Permanenz. Wenn der aufgezogene „Brasilianer" auf halbrechts nicht vorher seine Wunderkerzen versprühte, verirrten sich diese Stürmer prompt im Dunkeln. Unter diesen Umständen wäre wohl auch der Brasilianer langsam in der Isolierung verkümmert. Doch da war noch Stinka, der sich im Laufe der neunzig Minuten von Rekonvaleszentenform bis in die Nähe persönlicher Bestform steigerte. Da schlug an jeder Stelle der Eintrachtmannschaft ein heißes Herz, das dann irgendwie doch immer wieder über Schwächen und Unzulänglichkeiten hinweghüpfte. Da war der grimme Höfer, der nach zaghaftem Beginn plötzlich wie der schwarze Mann durch die Landschaft fuhrwerkte. Viel mehr an Außerordentlichem war allerdings nicht in dieser Eintrachtmannschaft. Landerer ließ seinen Gegner Strehl bei der Ballannahme fast stets ungestört und verzichtete so selbst auf die größte Chance, die ein Stopper bei diesem Mittelstürmer besitzt. Horn befaßte sich fast ausschließlich mit der Bewachung des gefährlichen Fernschützen Wild, und Egon Loy stand nur dreimal vor heiklen Problemen. Das waren die drei Fälle, in denen die Nürnberger ihre Treffer erzielten. Den Rest erledigte Loy mit der linken Hand. Und doch wetterleuchtete über den Riederwäldern — zuerst in großen Abständen, später, nach der Pause, öfter — der Widerschein ihrer besseren Tage. Die Tore freilich, die eigentlich fallen mußten, fielen nicht, und mit denen, die fielen, war wenig Staat zu machen. Wieder war eine Chance verhackstückt, als Schämer kurz vor dem Wechsel der bereits abgewehrte Ball in die Quere kam. Schämer wagte den Direktschuß, den er in diesem Spiel unbegreiflicherweise kein zweitesmal mehr wagte, und traf aus der linken Strafraumecke in die rechte Torecke. 1:2! Ein Hinterhaltschuß von Horn sprang vom Außenrist Erwin Steins in die ungeschützte Hälfte des Gehäuses. 2:2! Horn schoß einen Elfmeter ein, den Solz mehr an sich selbst verschuldet hatte als Flachenecker an Solz. 3:3. In der Periode dieser drei Tore — zwischen der 39. und der 60. Minute also — schimmerten immerhin auch auf Nürnberger Seite einige Mängel durch, die den Jubel um diese Mannschaft dämpften. Wenn das Clubspiel nicht läuft, wirkt es blutleer. Jeder Fehler führt unweigerlich zum Scheitern eines Angriffs, während die Eintracht noch über drei eigene Fehler nach vorn rattert. Aber der Club läßt sich nicht beirren. Er häkelt so lange weiter, bis er wieder sein Muster gefunden hat. Er fand es rechtzeitig genug, um den verdienten Ausgleich zu retten. Bei sämtlichen drei Clubtoren war Linksaußen Albrecht ungestört. Zwei davon schmetterte der Scharfschütze vom Zabo mit zischenden Schüssen selbst unter die Latte. Zur Nr. 3 zog er die Flanke herein, bei der Strehl per Kopf Landerer und Loy zuvorkam. Ein Wunder, daß Albert nicht noch mehr anrichtete; denn Schymik weigerte sich beharrlich, diesen unheimlichen Blitzeschleuderer ernst zu nehmen. Vielleicht hätte die Eintracht doch noch gewonnen, wenn Lutz, der sich in der Reserve versuchte, eine Woche früher fit gewesen wäre. Aber was soll's! Schymik war sicher nicht der Schlechteste. Seine Fehler fielen nur am deutlichsten ins Auge. (aus 'Der neue Sport' vom 29.10.1962)
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