Hessen Kassel - Eintracht Frankfurt |
Oberliga Süd 1962/1963 - 5. Spieltag
0:0
Termin: 16.09.1962
Zuschauer: 15.000
Schiedsrichter: Schäffer (Frankenthal)
Tore: ./.
Hessen Kassel | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Loy parierte wieder einen Elfmeter Sonderbericht unseres nach Kassel entsandten Redaktionsmitglieds Herbert Windecker KSV Hessen Kassel — Eintracht Frankfurt 0:0 Wer hat nun gewonnen im Kasseler Aue-Stadion? Die Eintracht? Der KSV Hessen? Beide haben gewonnen, beide freuten sich über den Punkt, über das 0:0, über das befriedigende Ende. Ein neuer KSV Hessen war aufs Feld gekommen, ein KSV Hessen mit hoher Moral, mit Selbstvertrauen, energisch, aufgepeitscht von seinen Freunden auf der Tribüne und den Rängen, nach dem Abpfiff belohnt von diesen Freuenden mit donnerndem Applaus, obwohl das Tor zum Sieg doch nicht gefallen war. Das 0:0 bewies, daß das Wiedererwachen des KSV Hessen begonnen hat. Vom Sieg kam die Elf wahrscheinlich nur deshalb ab, weil noch ein Rest des Fiebers aus den letzten Wochen übriggeblieben war, weil mancher dann, wenn die Entscheidung auf ihn zukam, doch noch bangte und bebte. Die Eintracht, clever, kalt und fit, kam nur mit Mühe noch an der Niederlage vorbei. Der Kelch in Form eines Elfmeters ging vorüber, der junge Mittelstürmer Huttary drückte vorher eine Flanke mit der Stirn an die Latte. Ueber lange Zeiträume war die Eintracht bis zur Halskrause bepackt mit Sorgen. Und dann hielten sie doch das 0:0, die Frankfurter, und sie ängstigten ihre Kasseler Freunde zuletzt mit einer Serie listiger, flinker Angriffe. Auch die Kasseler hatten Glück. Das 0:0 drückt rundherum und ehrlich alles nach Fug und Recht aus. Was war mit dem KSV Hessen los? Irgendwer mußte ihn vorher, vor dem Spiel, durch die Jungmühle gedreht haben. Kaum noch eine Spur jener Schreckenstage der letzten Monate stand in den Gesichtern. Was da stürmte, das war keine vom Nürnberger Club gepeinigte und in Hof zerlegte Mannschaft. Das waren drahtige Burschen, die vor 18.000 Zeugen nach Wiedergutmachung sannen und die Wiedergutmachung auch erreichten. Freilich gab es Abstriche. Die Elf spielte nicht über Nacht auf wie eine Meistermannschaft, aber sie spielte wie eine Truppe, die ihre Vergangenheit bewältigt hat. Die Kasseler kämpften. Das war dem Kenner neu. Sie quälten sich um hoffnungslose Bälle. Auch das war neu. Sie gaben sich aus bis zur Erschöpfung. Den Zuschauern reichte das. Es half ihnen über die Enttäuschung hinweg, daß alles zusammen doch nur den halben Sieg einbrachte. Nicht mehr. Später in der Mitte der zweiten Halbzeit, lähmten Erschöpfungserscheinungen das vorher fast makellose Bild. Konditionsschwächen aber sind ein Makel, der sich schnell vertreiben läßt. Als der Endspurt erwartet wurde, zerflatterte das Kasseler Spiel und ging nun wieder in die Hände der Eintracht über. Huttary stürzte vor Erschöpfung ins Gras, Aßmy hatte sich verausgabt, die Steilvorlagen kamen nicht mehr an, und die einfachsten Pässe gingen quer. Aber um die Zeit des allgemeinen Abbaus war das 0:0 schon eine Sache, die mehr als verdient war. Die Eintracht spielte klüger. Wo die Kasseler auf verzwickten Kreuzwegen das Mittelfeld durchquerten, genügte ein einziger langgestreckter Galopp, um die schnellen Trupps vom Riederwald in Marsch zu setzen, die Trupps der Kreß und Horn und Lindner. Die Eintracht ging viel frischer vom Platz, nicht so ausgelaugt und ausgebrannt wie ihre Gegner. Ihr reichte der eine Punkt, das Produkt einer wohl freiwillig auferlegten Defensive, die den Gegner, dessen Aufbruch zu erkennen war, bändigen sollte. Das Konzept stimmte. Es wurden nur selten gestört, am deutlichsten in jener Minute der ersten Halbzeit, da Hermann Höfer in Höhe des Kasseler Strafraumes angeschlagen wurde und humpelnd wieder an seinen Platz ging. Folgen waren in der ersten Halbzeit nicht mehr zu spüren, aber nach der Pause wechselte Höfer in den Sturm, Schymik wurde sein Stellvertreter als Verteidiger, Horn spielte nun Läufer. Es änderte sich indessen nicht viel. Dank Landerer und Loy blieben die Dinge selbst zu Zeiten erdrückender Kasseler Ueberlegenheit im Lot. Schließlich legte der Pendler Höfer im Sturm noch einige Fallen, in denen Dynamit steckte. Landerer blieb der König der Eintracht, Loy sein bester Assistent. Die kurz vor der Pause anwachsenden Erfolge Burjans gegen Eigenbrodt vergingen schnell. Daß der Eintracht-Sturm 90 Minuten lang, kein Tor schoß, lag an Erwin Stein, dem Mittelstürmer, der nicht dabei war. Lindner: gut, Kreß: stärkster Mann im Sturm, Solz: zu verspielt und nur selten wirkungsvoll, Schämer: noch Rekonvaleszent. Vieles ließ sich prächtig an, vieles gefiel, weil es glatt und schnell geplant und ausgeführt war, aber zum Vollstrecken war niemand da. Und Stinka, Oberhaupt im Hintergrund, hatte anderes und wichtigeres zu tun als Tore schießen: er gehörte zur Abteilung der „Tore-Verhinderer". Velhorn arrangierte zum König von Kassel, weil er sein Tempo 90 Minuten lang hielt und noch immer stürmte, als die anderen zur Linken und zur Rechten längst müde waren In der ersten halben Stunde war Assmy sein starker Nebenmann, aber später ging es mit ihm bergab. Huttary steckt, man spürte es, noch in der Entwicklung. Er tat mehr als genug, um seine Kommandierung in die 1. Mannschaft zu rechtfertigen. Zatopek, anfangs zerfahren, steigerte sich später zur besten Säule der Kasseler Abwehr. Die seltsame Geschichte der Elfmeter: Schymik sperrte in Erwartung einer Flanke vor das Tor den anstürmenden Velhorn. Der Schiedsrichter sah nichts außer einem Sturz Velhorns. Er pfiff, es war in der 70. Minute, Elfmeter. Die Eintracht protestierte, natürlich vergebens. Burjan lief an und schoß flach und unhaltbar ins lange Eck. Mit Burjan war jedoch ein weiterer Hessen-Stürmer in den Strafraum geeilt. Also pfiff der Schiedsrichter Wiederholung. Diesmal zielte Burjan ins andere Eck. Loy, der Elfmeter-Killer, reagierte in der gleichen Richtung und schlug den Ball ins Feld zurück. Wieder trat Burjan, diesmal traf der Nachschuß am Tor vorbei. Das 0:0 war amtlich und besiegelt. (aus 'Der neue Sport' vom 17.09.1962)
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