Eintracht Frankfurt - FK Pirmasens

Deutsche Meisterschaft 1961/1962 - Endrunde, Gruppe 2

8:1 (4:0)

Termin: 28.04.1962 in Stuttgart (Neckarstadion)
Zuschauer: 40.000
Schiedsrichter: Werner Treichel (Berlin)
Tore: 1:0 Erwin Stein (19.), 2:0 Dieter Lindner (22.), 3:0 Erwin Stein (26.), 4:0 Erwin Stein (49.), 5:0 Erwin Stein (59.), 6:0 Richard Kreß (63.), 6:1 Klaus Matischak (66.), 7:1 Erwin Stein (77.), 8:1 Dieter Lindner (88.)

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt FK Pirmasens

 


  • Franz-Josef Zieberg
  • Horst Schmitt
  • Karl Schmidt
  • Horst Brill
  • Rudi Hoffmann
  • Alois Herbrik
  • Heinz Hohmann
  • Rolf Fritzsche
  • Klaus Matischak
  • Helmut Kapitulski
  • Heini Seebach

 

Trainer Trainer
  • Oßwald Pfau

Erwin Stein, der Liebling der Stuttgarter

Die alte Mannschaft in neuer Form / Stein fünffacher Torschütze / Pirmasens resignierte nie

Der große Sonderbericht aus Stuttgart von Ludwig Dotzert und Bert Merz

Eintracht Frankfurt — FK Pirmasens 8:1 (4:0)

Das Spiel begann eine Viertelstunde nach dem Anpfiff. Was vorher war, ähnelte verzweifelt jenem krampfhaften Energiefußball, mit dem sich die Eintracht zuerst die süddeutsche Meisterschaft und acht Tage später bei der Niederlage gegen Köln vielleicht auch die deutsche Meisterschaft verscherzte. Mit einem flach über das Gras radierenden Sechzehnmeter-Schuß von Fritzsche verdrängten die Pirmasenser bereits nach wenigen Sekunden ihre letzten Außenseiterkomplexe. Auf ausgefahrenen Gleisen rangierten sich die Riederwälder mühsam nach vorn. Die Schlachtenbummler wußten auch, warum. Mit stählerner Konsequenz hatten die Riederwälder fast genau der gleichen Mannschaft ihr Vertrauen geschenkt, die in dieser Besetzung nach Meinung sämtlicher 60.000 Zuschauer beim Endrunden-Eröffnungsspiel gegen den Westmeister ihre Abschiedsvorstellung gegeben hatte. Es fehlte nur der verletzte Schämer. Für ihn sprang der knochige Schildknappe Meier ein. Kreuz und Solz, die — natürlich unverbindlich — noch am Freitag als neuer linker Flügel genannt wurden, saßen mit verlegenen Gesichtern auf der Tribüne. Die alte Mannschaft — die alte Jacke!

Der genaue Zeitpunkt, an dem es losging, blieb unter der Oberfläche verborgen. Es muß um die Minute herum gewesen sein, als Erwin Stein endgültig aufhörte, den Pirmasenser Stopper Hoffmann ernst zu nehmen. Von diesem Augenblick an bahnte sich ein Kunststück an, wie es in dieser Vollendung und in diesem Ausmaß nur bei den Riederwäldern denkbar ist. Die letzten schweren Monate, die schwere erste Viertelstunde schienen auf einmal nie gewesen. Die Riederwälder spielten mit denselben Spielern ein ganz neues Spiel; das Eintrachtspiel, von dem die Pessimisten dachten, die Eintracht hätte es längst verlernt. Innerhalb von sechs Minuten lag der Südwestzweite überwältigt am Boden. In diesen sechs Minuten fielen drei Treffer. Anschließend war es, als ob die Eintracht durch offene Scheunentore galoppierte. Ungläubig und begriffsstutzig erfüllten die wackeren Pfälzer Abwehrleute ihre Pflicht. Sie machten im Grunde gar nichts falsch. Sie kamen nur immer ein wenig zu spät.

Die Zentralstelle der Entscheidung lag dort, wo sich mit Erwin Stein der stärkste Mann der Riederwälder und mit Hoffmann der schwächste Mann der Pirmasenser gegenüberstanden. Der Mittelstürmer der Eintracht, der einen Wenauer und einen Wilden zu Durchschnittsstoppern stempelte, stempelte Hoffmann zu einem Hans-guck-in-die-Luft. Nach dem Wechsel schoben die Pirmasenser ihren stattlichen Stopper schließlich in eine Außenläuferposition ab und hetzten den verbisseneren Herbrick auf Erwin Stein.. Erwin brauchte noch nicht einmal ganze zehn Minuten, um sich an seinen neuen Gegner zu gewöhnen. Dann ging's in alter Pracht weiter.

Fünf der acht Tore brummte der Mann, den die Riederwälder im Augenblick noch nicht einmal gegen Uwe Seeler eintauschen würden, den verwunderten Pfälzern persönlich auf, zu einem weiteren steuerte er einen Fritz-Walter-Trick bei, eine Steilvorlage mit dem Absatz, die er erstmalig in der Oeffentlichkeit zeigte. Dem Erwin schien an diesem Tag nichts unmöglich. Er war schon der stärkste Spieler seiner Mannschaft, als es noch 0:0 stand. Er wurde zum Publikumsliebling der Stuttgarter, als er sich eingeschossen hatte.

Von jeder Sorte Tor schien Erwin nur das Beste gerade gut genug. Er nahm hinter dem Rücken Hoffmanns auf engstem Raum eine Meier-Flanke an und schoß, ehe sich der Pirmasenser Stopper herumgedreht hatte. Das war der erste Streich. Er schoß direkt, als ein harter Querschläger Horns unvermittelt auf ihn zuschnurrte. Er lenkte behutsam eine Vorlage von Kreß in die Ecke, die zehn Zentimeter neben dem Aus liegt. Er schmetterte die Lederkugel unter das Dach, daß die Funken sprühten, als er auf dem Weg zum Tor allein in den Strafraum steuerte, und er tüftelte mit Stinka zusammen jenes Filigrantor heraus, das mit einem Kunstkick aus ungünstigstem Winkel ins leere Gehäuse endete.

Ein Kopfball Lindners nach kühnem Vorstoß Schymiks, ein Schuß im Zorn von Richard Kreß, der eine Minute vorher nur den Pfosten getroffen hatte, und zum Abschluß das zweite Lindner-Tor, diesmal in Zusammenarbeit mit Kreß, umrahmten die Stein-Attraktionen würdig.

Auch diesmal herrschten bei der Eintracht noch nicht die Halbstürmer, aber sie bildeten doch schon wieder einen wichtigen Bestandteil dies Gesamtapparates. Lindner hielt neunzig Minuten lang durch und zeigte endlich wieder, daß er ein kluges Köpfchen ist. Horn brauchte seine Kraft nicht in der Abwehr zu vergeuden. Das Halbstürmerspiel der Riederwälder reichte zumindest aus, um ein Eingreifen Weilbächers und Stinkas in Stürmerangelegenheiten weitgehend überflüssig zu machen. So gewann nicht nur der Angriff an Eleganz, sondern auch die Abwehr an Stabilität. Gegen Höfer war mit Pirmasenser Mitteln ohnehin nichts auszurichten. Eigenbrodt und Loy — die Zuverlässigkeit selbst. Schymik — der Mann, mit dem es aufwärtsgeht. Selbst der Reserve-Schämer Erich Meier verlor allmählich seine Scheu. Eine solche Eintracht hatte man in diesem Jahr noch nicht gesehen.

Die Pirmasenser resignierten nie. Sie steckten die Treffer weg wie ein Amboß. Aber sie konnten dem Tempospiel ihres Gegners einfach nicht folgen. Kapituliski und Fritzsche machten den Riederwäldern bisweilen zwar mehr zu schaffen, als das Ergebnis ahnen läßt, der redlich bemühte Außenläufer Brill traf die Latte und Matischak nach einem draufgängerischen Ueberraschungssolo sogar ins Tor, alles andere aber wirkte vor dem Hintergrund der entfesselten Frankfurter wie tiefe Provinz. Ludwig Dotzert


Osswald: Schön, aber zu spät

Trainer Pfau (Pirmasens): „Der 8:1-Erfolg der Eintracht geht in Oordnung. Unsere Abwehr brach zusammen, weil Rudi Hoffmann einen sehr schwarzen Tag hatte. Durch die unzuverlässige Hintermannschaft litt naturgemäß auch das Angriffsspiel."

Erwin Stein: „In diesem Spiel ist mir all das gelungen, was mir durch Schußpech in der Begegnung mit dem 1. FC Köln versagt blieb. Leider wird uns das 8:1, so schön es ist, nicht mehr viel nützen."

Trainer Osswald (Eintracht):„Ich bin mit den Leistungen meiner Mannschaft nach dem hohen Sieg selbstverständlich zufrieden, die Elf hat in Stuttgart gezeigt, was sie kann. Aber der Sieg kam leider zu spät."

Spielausschußvorsitzender Berger (Eintracht): „Nach dem 1:0 über den HSV dürfte für den 1. FC Köln alles gelaufen sein. Hätten wir unsere Chancen in Frankfurt so ausgenutzt wie gegen den FK Pirmasens, dann wäre die Eintracht jetzt in der Position von Köln." (aus 'Der neue Sport' vom 30.04.1962)

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